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January 24th

45 Millionen Euro für Life-Science-Forschung

Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums führt die Forschungsförderungsgesellschaft FFG das Austrian-Life-Sciences-Programme bis einschließlich 2026 fort. Die Wirtschaft zeigt sich erfreut.

 

Die Bundesregierung dotiert das Austrian-Life-Sciences-Programme zur Förderung einschlägiger angewandter Forschung in den Jahren 2024 bis einschließlich 2026 mit 45 Millionen Euro. Das verlautete Wirtschaftsminister Martin Kocher im Anschluss an ein Gespräch mit Vertretern der Life-Science-Branche, Wissenschaftlern sowie Gesundheitspolitikern am 24. Jänner. Betreut wird das seit 2022 laufende Programm von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Seine erstmalige Dotierung hatte sich auf 50 Millionen Euro belaufen. Laut einer Aussendung des Wirtschaftsministeriums reichten damals 108 Unternehmen 118 Anträge ein, was Kocher als „großen Erfolg“ bezeichnete. Die Life-Science-Branche mit ihren rund 60.000 Beschäftigten repräsentiere rund sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sei damit „nicht nur von zentraler Bedeutung für die Gesundheitsversorgung, sondern auch für den Standort“, betonte der Minister.

 

Diesmal sollen die ersten Förderungen noch im laufenden Quartal fließen, hieß es seitens der FFG. Zur Verfügung stehen die Mittel ihr zufolge für „Forschungs- und Entwicklungsprojekte, klinische Studien bzw. Leitprojekte mit kleineren und größeren Projektvolumen“. Vorhaben im Bereich der industriellen Forschung werden mit maxinal einer Million Euro unterstützt, Unternehmensprojekte aus dem Bereich der experimentellen Entwicklung und klinische Studien mit höchstens drei Millionen Euro. Das sogenannte „Leitprojekt“ erhält bis zu vier Millionen Euro.

 

„Bestens investiert“

 

Lob kam von der Wirtschaft. Laut der Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger, sind die 45 Millionen Euro „bestens investiert. Die Bedeutung der heimischen und europäischen Pharmaindustrie für die Arzneimittelversorgung und Gesundheitsvorsorge ist existenziell“. Einmal mehr verlangte Hofinger die „Verbesserung der Kostenerstattung für Arzneimittel. Wer sichere Medikamente aus Österreich will, muss auch die entsprechenden Herstellungskosten hierzulande bezahlen. Sonst werden wir immer auf Anbieter aus Billiglohnländern angewiesen sein“.

 

„Hoch erfreuliches Signal“

 

Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog betonte, Forschung, Entwicklung und Innovation seien „wichtige Motoren für die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Forschung schafft Know-how und hoch qualitative Arbeitsplätze. Wir freuen uns sehr, dass es dieses politische Bekenntnis zum Forschungsstandort Österreich gibt und damit auch für die pharmazeutische Industrie“. Österreich befinde sich im Wettbewerb mit anderen Staaten, die seit Jahren bestrebt seien, sich als Forschungsstandort zu etablieren. Die vom Wirtschaftsministerium nun zur Verfügung gestellten 45 Millionen Euro seien daher ein „hoch erfreuliches Signal“.

 

Leider stagniere die Zahl der hierzulande durchgeführten klinischen Studien im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre bei 482, bedauerte Herzog. „Es sollte unser Ziel sein, mehr klinische Prüfungen nach Österreich zu bringen. Davon profitieren zuallererst die Patientinnen und Patienten, weil sie durch die Medikamentenentwicklung frühen Zugang zu neuen Therapien haben. Ebenso profitieren Ärztinnen und Ärzte, weil sie ihren Patientinnen und Patienten auf dem neuesten Stand der Wissenschaft behandeln können“, konstatierte Herzog.

 

 

Dezember 20th, 2023

BASF: Kamieth folgt Brudermüller 

Der Leiter des Asiengeschäfts des Chemiekonzerns übernimmt mit Ende der Hauptversammlung im April 2024 den Vorstandsvorsitz. 


Markus Kamieth folgt mit Ablauf der Hauptversammlung am 25. April 2024 Martin Brudermüller als Vorstandschef der BASF. Brudermüller hat den Vorstandsvorsitz seit 2018 inne. Er ist in dieser Funktion Nachfolger des derzeitigen Aufsichtsratschefs Kurt Bock. Bock konstatierte, Brudermüller habe die BASF „seit 2018 mit Mut und Weitsicht geführt. Er hat BASF mit großer Führungsstärke durch außerordentlich herausfordernde Zeiten geleitet und gleichzeitig entscheidende Weichenstellungen für den langfristigen Erfolg des Unternehmens vorgenommen. Dazu gehört insbesondere der Fokus auf die Transformation der BASF hin zu Klimaneutralität“.

 

Kamieth ist seit 1999 für die BASF tätig. Seit 2012 gehört er dem Vorstand an. Zu seinen Zuständigkeiten gehören die die Bereiche Dispersions & Resins, Catalysts, Coatings und Performance Chemicals. Ferner verantwortet Kamieth das Geschäft in China, Süd- und Ostasien sowie Austrialien und Neuseeland. Überdies ist er für Großprojekte in Asien zuständig. Von seiner Ausbildung her ist Kamieth Chemiker. Er promovierte 1998 an der Universität Essen in Organischer Chemie. 

 

Neue Vorstandsmitglieder 

 

Neu in den Vorstand kommen Katja Scharpwinkel und Anup Kothari. Scharpwinkel zieht per 1. Feber in das Gremium ein und wird zugleich Arbeitsdirektorin der BASF. Sie folgt Melanie Maas-Brunner, die ihren bis 31. Jänner laufenden Vertrag nicht verlängern will. Scharpwinkel wird im Vorstand unter anderen für das Europageschäft und die Umweltagenden zuständig sein. Anup Kothari wird mit 1. März Vorstandsmitglied. Er übernimmt einen Teil der derzeitigen Agenden Kamieths, nämlich die Bereiche Catalysts, Coatings, Dispersions & Resins sowie Performance Chemicals. Kamieths übrige Zuständigkeiten gehen an Stephan Kothrade, den Chief Technology Officer der BASF. 

 

Bis zur Hauptversammlung 2026 verlängert wurde der Vertrag von Michael Heinz, der für die Geschäftsbereiche Agricultural Solutions, Nutrition & Health und Care Chemicals sowie die Regionen Nordamerika und Südamerika zuständig ist. Nichts ändert sich für Finanzvorstand Dirk Elvermann. Er behält seine Funktion, die er seit dem Ende der heurigen Hauptversammlung innehat. 

 

November 16th

Glyphosat: Verlängerung mit Auflagen

Die EU-Kommission lässt das  umstrittene Pflanzenschutzmittel für weitere zehn Jahre zu, wenn auch unter Auflagen. Die Agrarindustrie und die ÖVP begrüßen dies, die SPÖ und die Grünen üben Kritik.

 

Die Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat in der EU wird um zehn Jahre verlängert, also bis 15. Dezember 2033. Das entschied die EU-Kommission, nachdem ihr Vorschlag auf eine Verlängerung um 15 Jahre im Berufungsausschuss des EU-Parlaments nicht die nötige qualifizierte Mehrheit gefunden hatte. Bereits am 13. Oktober war die Kommission mit diesem Vorschlag im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel gescheitert. Bekanntlich läuft die derzeit geltende Zulassung des Mittels am 15. Dezember ab. Wie die Kommission mitteilte, stützt sie sich bei der Verlängerung um zehn Jahre auf „umfassende Sicherheitsbewertungen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten durchgeführt wurden“. 

 

Außerdem erfolgt der Schritt mit einer Reihe von Auflagen. So darf Glyphosat nicht zur Austrocknung der Pflanzen vor der Ernte verwendet werden. Ferner werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz von Organismen zu treffen, gegen die sich der Glyphosateinsatz nicht richtet. Darunter sind Wildblumen und Wühlmäuse. Ferner gibt es Grenzwerte für die Ausbringung des Mittels. Sie belaufen sich in der Landwirtschaft auf 1,44 Kilogramm pro Hektar und Jahr, für die Eindämmung invasiver Arten in und außerhalb der Landwirtschaft auf 1,8 Kilogramm pro Hektar und Jahr sowie auf 3,66 Kilogramm für die Anwendung außerhalb der Landwirtschaft. Diese Grenzen dürfen nur dann überschritten werden, wenn sich nachweisen lässt, dass höhere Dosen keine nicht näher beschriebenen „inakzeptablen“ Auswirkungen auf kleine Säugetiere haben.

 

Kritik und Antikritik 

 

Anfang September hatte eine Reihe von Umweltorganisationen der zuständigen EU-Kommissarin Stella Kyriakides vorgehalten, die EFSA und die ECHA hätten eine Reihe von Studien ignoriert, die auf die Risiken der Verwendung von Glyphosat hinwiesen. Die beiden Behörden wiesen dies höflich, aber entschieden zurück. 

 

Erwartbare Reaktionen 

 

Die Reaktionen in Österreich fielen aus wie zu erwarten. Die Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP) zeigte sich erfreut. Laut Obmann Christian Stockmar ist die Entscheidung der Kommission „ein wichtiges Signal an forschende Unternehmen und die Landwirtschaft. Denn eine zukunftsfitte Landwirtschaft braucht einen umfassenden Dialog, letztlich aber vor allem faktenbasierte Entscheidungen, die Rechtssicherheit und Planbarkeit gewährleisten“. Ähnlich argumentierte der Agrarsprecher der ÖVP im EU-Parlament, Alexander Bernhuber. Die EFSA und die ECHA hätten „ über 2.400 Studien zu Glyphosat bewertet und keine ausreichenden Gründe gefunden, die gegen eine Wiederzulassung sprechen. Ich bin erfreut, dass die EU-Kommission nun diesen Empfehlungen folgen wird“. 

 

Dem gegenüber bekundete der sozialdemokratische EU-Parlamentsabgeordnete Günther Sidl, für ihn sei der Schritt der Kommission „ein schwerer Fehler und ein alarmierendes Signal. Die weitere Zulassung von Glyphosat widerspricht all den Zielen, die wir im Rahmen der ,Farm to Fork‘-Strategie sowie der Biodiversitäts-Strategie und dem Pestizid-Reduzierungsziel festgelegt haben“. Die Landwirtschaftssprecherin der Grünen im Nationalrat, Olga Volgauer, konstatierte, rund 60 Prozent der EU-Bürger unterstützten ein Aus für Glyphosat: „Trotzdem hat die EU-Kommission heute die Zulassung um weitere zehn Jahre verlängert. Angesichts der möglichen Gefahren für die Umwelt, der Beeinträchtigung der Biodiversität und des hohen Gesundheitsrisikos für Säugetiere wäre aber ein kompletter Ausstieg das Gebot der Stunde.“

 

October 4th

Nobelpreis für Chemie 2023

Wenn man Halbleiterkristalle immer kleiner macht, sollte irgendwann eine Grenze erreicht sein, unter der sie sich nicht mehr verhalten wie gewöhnliche Kristalle im Kleinformat sondern neue, nur mit der Quantenphysik erklärbare Phänomene auftreten. Das dachten sich auch jene drei Forscher, die in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet werden.

Alexei Jekimov war der erste, dem es Anfang der 1980er-Jahre am Joffe-Institut in St. Petersburg gelang, Gläser mit Nanopartikeln zu dotieren, deren Eigenschaften von der Größe der Partikel abhängt – und somit durch die Wahl dieser Größe beeinflussbar sind. Im Falle von Jekimow waren es Partikel aus Kupferchlorid, die je nach Abmessungen unterschiedliche Absorptionseigenschaften aufwiesen – und das Glas daher unterschiedlich färbten. Theoretisch konnte das gedeutet werden mithilfe des guten alten Quantenmodells eines „Teilchens im Kasten“, adaptiert um den sogenannten Exziton-Effekt, eine starke Coulomb-Wechselwirkung zwischen Elektronen und Löchern in Halbleitern

Das muss man aber einmal synthetisieren können

Auch andere Charakteristika dieser bald „Quantenpunkte“ (englisch „Quantum Dots“) getauften Kriställchen werden unterhalb einer bestimmten Grenze von deren Abmessungen abhängig: Das Auftreten von Phasenübergängen, die Schmelztemperatur, das Redoxpotenzial. Um all diese Effekte technisch nutzen zu können, bedarf es aber effektive Methoden der Synthese von Quantenpunkte – ein Metier, in dem die Chemiker punkten konnten. Louis Brus, der an den Bell Laboratories in Murray Hill, New Jersey (USA), forschte, kam auf einer ganz anderen Route zu Quantenpunkten als Jekimow (von dessen Entdeckung auf dem Boden der damaligen Sowjetunion er nichts wusste). Er beschäftigte sich mit Kristalliten aus Cadmiumsulfid, die wegen ihrer katalytischen Fähigkeiten interessant waren, und versuchte, ihre Abmessungen in Lösung mithilfe eines Polymers möglichst klein zu halten. Hob man die Lösungen eine Zeitlang auf, änderten sich die optischen Eigenschaften der Kristalle – was auch Brus richtigerweise auf Quanteneffekte zurückführte. Auch seine Methode war aber noch nicht geeignet dafür, Quantenpunkte mit vorhersagbarer Qualität herzustellen.

Hier kommt die Arbeit des dritten heurigen Nobelpreisträgers, Moungi Bawendi, ins Spiel. Bawendi, der in Paris geboren wurde, hatte in Brus‘ Labor begonnen, sich mit verbesserten Methoden zur Synthese von Quantenpunkten zu beschäftigen – und alle möglichen Parameter dafür variiert: Ausgangsmaterial, Lösungsmittel, Temperatur. In seinem eigenen Labor am MIT (Cambridge, Massachusetts) gelang der Durchbruch: Wurde von der Substanz, die Nanokristalle ausbilden sollte, gerade so viel in ein gut ausgewähltes Lösungsmittel injiziert, dass die Lösung gerade gesättigt war, begannen sich kleinste Kristalle auszubilden. Durch dynamische Veränderung der Temperatur gelang es in Folge, Kristalle ganz bestimmter Größe zu gewinnen. Das Verfahren war so einfach, dass bald viele Chemiker mit Quantenpunkten zu experimentieren begannen.

Vier Milliarden Dollar Marktvolumen

30 Jahre später gibt es eine Fülle von Anwendungen. Am bekanntesten ist wohl die QLED-Technologie, bei der Quantum Dots dazu verwendet werden, blaues Licht in solches anderer Frequenz und Farbe umzuwandeln, was in vielen Bildschirmen Verwendung findet. Andere Anwendungsfelder liegen in Biochemie und Medizin, wo die Nanoobjekte dazu dienen, Zellen oder Organe zu identifizieren oder Tumorgewebe im Organismus aufzufinden. Das Weltmarktvolumen für Quantum Dots wurde 2021 auf vier Milliarden US-Dollar geschätzt.

September 25th

Einwegpfand-Verordnung erlassen 

Die Bestimmung des Umweltministeriums regelt die Details zum Einwegpfandsystem, das ab 1. Jänner 2025 gilt. Zu behandeln sind rund zwei Milliarden PET-Flaschen und Aludosen pro Jahr. 

 

Umweltministerin Leonore Gewessler erließ am 25. September die Pfandverordnung für Einweggetränke gemäß dem Abfallwirtschaftsgesetz. Sie regelt die Details bezüglich des Pfandsystems, das ab 1. Jänner 2025 für Einweg-Getränkeverpackungen aus Kunststoff (PET) oder Metall (Aluminium) gilt. Zur Teilnahme an dem System verpflichtet ist laut dem Gesetz, grob gesprochen, wer Einwegverpackungen in welcher Weise auch immer kommerziell in Verkehr bringt. Umfasst sind Gebinde mit einem Volumen von 0,1 bis einschließlich drei Litern. Die Höhe des Pfands beläuft sich auf 25 Cent pro Gebinde. Sämtliche Aludosen und PET-Flaschen, die in das System einbezogen sind, sind mit einem einheitlichen Pfandsymbol gekennzeichnet. Gewessler gab sich überzeugt, dass mit dem System erheblich weniger Gebinde „achtlos in der Natur landen. Das ist gut für unser Land“. 
 

EWP organisiert 

 

Für die Organisation des Systems ist die „Recycling Pfand Österreich“ (EWP) zuständig, die als gemeinnützige und somit nicht gewinnorientierte GmbH („gGmbH“) eingerichtet wurde. Die EWP steht über den Trägerverein Einwegpfand im Eigentum der Hersteller und des Handels. Sie hebt das Pfand von den Herstellern ein und zahlt es an die Stellen aus, die die gebrauchten Gebinde zurücknehmen. Ein Teil der Einnahmen aus dem Pfand geht an jene Unternehmen, die die gesammelten Dosen und Flaschen abholen und dem Recycling zuführen. 

 

Die Geschäfte der EWP führen Monika Fiala und Simon Parth. Laut Fiala wird für die Hersteller der Gebinde noch im Herbst ein Handbuch „mit allen wichtigen Informationen zur Kennzeichnung und Registrierung“ zur Verfügung stehen. Die Konsumenten wiederum wird die EWP Ende kommenden mit einer umfassenden Kampagne über die Einführung des Pfandsystems informieren. Parth zufolge ist mit rund zwei Milliarden Gebinden pro Jahr zu rechnen, die sortiert und dem Stoffkreislauf zugeführt werden müssen. 

 

Vorarbeiten im Handel 

 

Für den Trägerverein Einwegpfand konstatierte Billa-Vorstand Robert Nagele, der Handel tätige schon seit Monaten Vorbereitungsarbeiten, etwa durch den „teilweise sehr aufwendigen“ Umbau von Filialen sowie die Beschaffung von Rückgabeautomaten. Für die Letztere erhielten die Unternehmen vom Bund 80 Millionen Euro an Förderung. Laut Nagele bedeutet die Abwicklung des Pfandsystems für den Handel einen erheblichen Personalaufwand. Auf Nachfrage des Chemiereports erläuterte er, es würden keine zusätzlichen Beschäftigten allein unter dem Titel Pfandsystem eingestellt, sehr wohl aber, um die ohnehin „sehr vielen offenen Stellen“ nach Möglichkeit zu besetzen. Der Arbeitsaufwand belaufe sich auf rund eine Stunde pro Filiale und Tag. Bedenken, dass es mit der Umsetzung des Systems zeitlich knapp werden könnte, wies Nagele ab: „Wir arbeiten ja schon seit langem daran und werden alles tun, dass sich das ausgeht.“ 

 

Vorgesehen ist, dem Handel seine Kosten zumindest teilweise über eine Bearbeitungsgebühr abzugelten. Wie hoch diese sein wird, steht laut Fiala noch nicht fest: „Wir arbeiten an einer transparenten Berechnungsmethode.“ Dass das Pfandsystem zu höheren Kosten für die Konsumenten führen könnte, schloss Gewessler im Einklang mit der EWP-Geschäftsführung und den Vereinsvertretern aus. 

 

September 14th

Boehringer Ingelheim: Doch kein neues Werk in Bruck an der Leitha

Noch im Frühling 2022 wurde die österreichische Biopharma-Branche von einer Welle der Euphorie getragen: Kaum war das LSCC, die neue Zellkulturproduktion von Boehringer Ingelheim in Wien, im Oktober 2021 eröffnet worden, wurde eine weitere Großinvestition vergleichbaren Maßstabs in Niederösterreich verkündet. Rund 1,2 Milliarden Euro wollte das deutsche Pharmaunternehmen am Wirtschaftspark in Bruck an der Leitha in eine biotechnologische Produktionsstätte mit rund 185.000 Litern Fermentationsvolume investieren, um – wie es damals hieß – sowohl Auftrags- als auch Eigenproduktion mit wechselndem Erzeugungsmix durchführen. Nun wurde das Projekt gestoppt.

Begründet wird das mit der Entwicklung der eigenen Arzneimittelprojekte: „Unsere Pipeline hat sich überraschend schnell verändert“, sagt Matthias Sturm, Pressesprecher der Österreich-Tochter Boehringer Ingelheim RCV im Gespräch mit dem Chemiereport. 25 neue Wirkstoffe will der Konzern bis 2030 zur Markteinführung bringen, viele davon seien Moleküle, die mittels chemischer Synthese hergestellt werden („New Chemical Entities“) oder Biologika, für die man andere Herstellungstechnologien benötige als die für Bruck an der Leitha geplante Zellkultur-Fermentation. Eine Evaluierung habe daher eine veränderte Priorisierung ergeben.

 

Keine Auswirkungen auf andere Standorte

„Die Mitarbeiter des Projektteams gehen wieder an ihre bisherigen Standorte zurück. Mit der Freisetzung von Mitarbeitern ist die Entscheidung nicht verbunden“, wie Sturm auf Nachfrage betonte. Auch Auswirkungen auf den Wiener Standort gebe es keine. Philipp von Lattorff, der Anfang Juli von der Position des Generaldirektors in den Aufsichtsratsvorsitz von Boehringer Ingelheim RCV wechselte, informierte die Landespolitik persönlich über die Entscheidung. Die zeigte sich entsprechend enttäuscht und sprach von einem schweren Schlag für den Wirtschaftsstandort.

September 6th

Octapharma: Ausbau in Wien

Bis 2028 wird die Produktion inklusive Qualitätssicherung erheblich erweitert. Der auf Plasmaprodukte spezialisierte Konzern mit Hauptsitz im Schweizer Lachen will damit dem wachsenden Markt Rechnung tragen.

 

 

Bis 2028 erweitert der Humanproteinerzeuger Octapharma Österreich den Bereich Visual Inspection and Packaging (VI&P Operations) am Standort Wien-Favoriten. Im Zuge dessen wird die sogenannte Haberkornhalle von 2.800 auf 6.300 Quadratmeter erweitert. Unter anderem entsteht eine voll-automatische Sichtungsanlage für Flüssigprodukte. Ferner wird eine automatische Verpackungsmaschine für gefriergetrocknete Produkte installiert, deren Verpackung bis dato manuell erfolgt. Die „Visual Inspection“ dient der Kontrolle der Erzeugnisse und damit der gerade im Pharmasektor immer bedeutender werdenden Qualitätssicherung.

 

Der Spatenstich für das Vorhaben erfolgte am 6. September. Zurzeit sind im Bereich VI&P 160 Personen tätig, ab 2028 werden es rund 220 sein. Das Projekt ist Teil eines umfassenderen Ausbauprogramms, mit dem Octapharma Österreich seine Erzeugungskapazitäten für Plasmaprodukte von derzeit rund 1,4 Millionen Liter auf 3,6 Millionen Liter pro Jahr erhöht. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf etwa 200 Millionen Euro. Schon für 2024 ist eine Steigerung auf 2,6 Liter geplant, berichtete die Geschäftsführerin des Unternehmens, Barbara Rangetiner, beim Spatenstich. Ihr zufolge übernahm der Octapharma-Konzern das rund 90.000 Quadratmeter umfassende Areal in Wien-Favoriten im Jahr 1989 von der Chemie Linz und baute dort seinen weltweit ersten Produktionsstandort auf. Waren seinerzeit rund 300 Personen in Favoriten beschäftigt, sind es heute etwa 1.400. Zum Vergleich: Die gesamte Belegschaft von Octapharma umfasst rund 11.000 Beschäftigte, die 8,5 Millionen Liter an Plasmaprodukten herstellen.

 

Wichtiger Standort

 

Olivier Clairotte, als Chief Production Officer (CPO) Vorstandsmitglied des Octapharma-Konzerns, bezeichnete Wien als wichtigen Standort für die Plasmafraktionierung. Vor allem hinsichtlich der Produktionstechnik könne dieser als eine Art „Headquarter“ von Octapharma bezeichnet werden. Aber auch das Vertriebspersonal arbeite ausgezeichnet: „Wir haben sehr engagierte Leute hier.“ Erzeugt werden in Favoriten Plasmaprodukte für die Bereiche Hämophilie (Bluterkrankheit), Immunologie sowie Intensivmedizin. Der weitaus größte Teil der Erzeugnisse wird exportiert. So gehen etwa 80 Prozent des hergestellten Gammaglobulins in die USA, den wichtigsten Markt der Octapharma. Beliefert werden von Wien aber auch Osteuropa und, so weit möglich, die Länder der ehemaligen Sowjetunion. Für Albumin aus Favoriten wiederum ist laut Rangetiner nicht zuletzt China ein wichtiges Absatzgebiet. Ihr zufolge sind die Produkte von Octapharma in 118 Ländern in aller Welt zugelassen.

 

Zu den Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie in Österreich konstatierte Clairotte, bei den Lohnkosten bestehe kein großer Unterschied zum Ausland. Laut Rangetiner wäre es hilfreich, bei Dauer der Genehmigungsverfahren für neue Anlagen gewisse Verbesserungen zu erreichen. Bisweilen sei es schwer, diese nachzuvollziehen.

 

Der Leiter des Bereichs VI&P der Octapharma, Johnny Abi Haidar, erläuterte, der am 6. September begonnene Ausbau sei ein „wichtiger Impuls für das gesamte Unternehmen“. Dieses verzeichne ein kontinuierliches Wachstum und müsse daher seine Kapazitäten ausbauen. Der Bereich Verpackung des Konzerns ist in Wien sowie in Dessau im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt konzentriert. Nach Angaben von Torsten Konrad, der den Bereich VI&P in Wien leitet, wird dort im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Der Standort werde laufend technisch verbessert, um den stetig wachsenden Anforderungen an die Produktionsqualität zu entsprechen.

 

Mehr Umsatz und Gewinn

 

Octapharma wurde 1983 gegründet und befindet sich nach wie vor im Besitz der Gründerfamilien. Im Jahr 2022 erwirtschaftete der Konzern mit Sitz in Lachen am Zürichsee im Kanton Schwyz einen Umsatz von 2,85 Milliarden Euro, um 13,5 Prozent mehr als 2021. Den Jahresgewinn 2022 beziffert Octapharma mit 448,0 Millionen Euro, was gegenüber 2021 einem Plus von 2,2 Prozent entspricht.

August 25th

Gewessler lobt Initiative „Klimaneutrale Industrie Österreich“

Der Energieministerin zufolge wirken die im Zuge der Initiative gesetzten Maßnahmen. Zahlen bezüglich damit erzielter Emissionsreduktionen gibt es indessen nicht. 


Eine Zwischenbilanz der seit 2020 laufenden Initiative „Klimaneutrale Industrie Österreich“ zogen Energieministerin Leonore Gewessler, der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, und der Vorstandschef des Baustoffkonzerns Holcim für Zentraleuropa, Berthold Kren, am 25. August in Wien. Den Anlass bot eine für diesen Tag angesetzte Aussprache bezüglich der Initiative im Energie- und Klimaministerium (BMK). Gewessler konstatierte, die Industrie sei in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt deutlich „sauberer“ geworden, etwa durch den Einsatz von Filtern und Abgasreinigungsanlagen. Im Zuge der Aktivitäten zur Eindämmung des Klimawandels gelte es nun, die eingesetzten Brennstoffe zu „ändern“. Vor allem Kohle und Erdgas trügen zur Steigerung der CO2-Emissionen bei. Es zeige sich indessen, dass die im Zuge der Initiative gesetzten Maßnahmen „wirken“, lobte die Ministerin. 

 

Von der Redaktion um Konkretisierung dieser Aussage ersucht, beschied Gewessler, Fachleute des BMK sowie der Industrie hätten sich „Branche für Branche angeschaut, was benötigt wird“. Ergebnisse der diesbezüglichen Diskussionen seien in den Österreichischen Nationalen Infrastrukturplan (ÖNIP) eingeflossen. Dieser befindet sich in Konsultation und soll den Ausbau der Strom- sowie Gasnetze erleichtern. Ein Ergebnis der Initiative sei weiters die „Klima- und Transformationsoffensive Industrie“, im Zuge derer bis 2030 insgesamt drei Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Die erste Ausschreibung ist laut Gewessler im Laufen. Heuer werden rund 170 Millionen Euro ausgeschüttet. Eingeweihten Kreisen zufolge sollen bei Aussprache im BMK genauere Kritieren für künftige Calls erarbeitet werden. Nicht zuletzt der Mangel daran sei der Grund für das bis dato als schwach betrachtete Interesse an der Transformationsoffensive. 

 

„Vielzahl“ an Projekten

 

Knill verlautete, er könne keine Zahlen hinsichtlich im Zuge der Initiative erzielter Emissionsreduktionen nennen. Es gebe aber diesbezüglich eine „Vielzahl“ an Projekten. Kren ergänzte, sein Unternehmen arbeite an diesbezüglichen Vorhaben. Diese hätten allerdings ihre Vorlaufzeit. Erst im kommenden Jahr werde Holcim Anträge für Mittel aus der Transformationsoffensive stellen können. 

Einhellig bekannten sich die beiden Industriellen zur „Dekarbonisierung“ der Wirtschaft und zur Initiative „Klimaneutrale Industrie Österreich“. Das BMK zeige nicht zuletzt auch damit Verständnis für die Industrie und deren Bestreben, für Beschäftigung und Wohlstand zu arbeiten. 

Bayer prognostiziert Milliardenverlust 

Im zweiten Quartal wird der deutsche Pharma- und Agrochemiekonzern voraussichtlich ein negatives Konzernergebnis von 2,0 Milliarden Euro zu verbuchen haben. Er begründet das mit dem schlechten Geschäft mit dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel Glyphosat. 


                                                                                                
Der deutsche Pharma- und Agrochemiekonzern Bayer erwartet für das zweite Quartal 2023 einen Verlust von rund 2,0 Milliarden Euro. Dies ist vor allem der Entwicklung des Geschäfts mit dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel Glyphosat geschuldet, hieß es in einer Aussendung. Ausdrücklich betonte der Konzern, es gebe „ noch keine testierten Zahlen“ für das zweite Quartal. Ausgegangen werde von einem Umsatz von rund 11,0 Milliarden Euro sowie einem EBITDA vor Sondereffekten von etwa 2,5 Milliarden Euro. Verglichen mit dem ersten Quartal 2023 hätten „der weitere Preisverfall und geringere Volumina aufgrund des Abbaus von Lagerbeständen insbesondere von glyphosatbasierten Produkten sowie schlechte Witterungsbedingungen den Druck erhöht“. Auch im zweiten Quartal 2022 hatte Bayer Verluste geschrieben. Diese beliefen sich auf 298 Millionen Euro. 

 

Aufgrund der nunmehr bekannt gegebenen Zahlen senkt der Bayer-Konzern auch seinen Ausblick für das Geschäftsjahr 2023. Erwartet wird nunmehr ein um Währungseffekte bereinigter Umsatz von 48,5 bis 49,5 Milliarden Euro. Bisher war Bayer von 51 bis 52 Milliarden Euro ausgegangen, was etwa dem Wert des Jahres 2022 (50,72 Milliarden Euro) entsprochen hätte.

 

Das währungsbereinigte EBITDA vor Sondereinflüssen soll sich auf 11,3 bis 11,8 Milliarden Euro belaufen. Zuvor hatte Bayer diesen Wert mit 12,5 bis 13,0 Milliarden Euro prognostiziert. Der Vergleichswert aus dem Jahr 2022 lag bei 13,51 Milliarden Euro. Der Free Cash Flow soll sich auf null Euro statt auf 3,0 Milliarden Euro belaufen, 2022 waren es 3,11 Milliarden Euro gewesen. Das bereinigte Ergebnis je Aktie beziffert Bayer jetzt mit 6,20 bis 6,40 Euro anstelle der zuvor angebenen 7,20 bis 7,40 Euro. Für das Geschäftsjahr 2022 wurden 7,94 Euro gemeldet.

 

 

July 5th

Neue Gentechnik: „Gefahr für österreichischen Weg“

Die Regierung lehnt den Rechtsvorschlag der EU-Kommission zur Genomeditierung ab. Dieser gefährde die biologische Landwirtschaft und die Wahlfreiheit der Konsumenten. 

 

Als „inakzeptabel“ erachtet die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission zur Genomeditierung, auch als „Neue Gentechnik“ (NGT) bezeichnet. Die Kommission will Pflanzen, die mittels zweier NGT-Verfahren, nämlich der „gezielten Mutagenese“ und der Cisgenese, produziert werden, ebenso behandeln wie solche, die ohne gentechnische Verfahren hergestellt werden. Bei der „gezielten Mutagenese“ wird das pflanzliche Erbgut verändert, ohne anderes Erbgut einzufügen. Bei der Cisgenese wird fremdes Erbgut eingefügt. Dieses stammt von Pflanzen, die sich mit den dem Verfahren unterworfenen Pflanzen kreuzen lassen. Beide Verfahren fasst die Kommission in der NGT der „Klasse 1“ (NGT1) zusammen. Andere Methoden der „neuen“ Gentechnik, etwa solche, bei denen Erbgut einer nicht kreuzbaren Art in eine Pflanze eingefügt wird (Transgenese), fallen unter die „Klasse 2“  (NGT2). Für sie gelten die bestehenden Vorschriften bezüglich gentechnisch veränderter Organismen (GVO).

 

Dagegen sind bei NGT1-Verfahren keine Risikobewertungen mehr vorgesehen. Auch die Kennzeichnung von Waren, die mittels solcher Verfahren erzeugt werden, soll entfallen. Die besonders umstrittene Frage der Patentierung einschlägiger Organismen will die Kommission nach eigenen Angaben „im Rahmen einer breiteren Marktanalyse“ untersuchen. Deren Ergebnisse sollen 2026 vorliegen. 

 

Kampf für strenge Regeln 

 

Seitens der Bundesregierung verlauteten Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Umweltministerin Leonore Gewessler und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch, Österreich habe sich „als Vorreiter der Bio- und gentechnikfreien Landwirtschaft positioniert. Strenge Regelungen auch für die sogenannte ‚neue Gentechnik‘ sind gemeinsame Regierungsposition. Der Vorschlag der Kommission ist eine Gefahr für den österreichischen Weg der Landwirtschaft, und nimmt Konsument:innen auch ihre Wahlfreiheit“. Die Regierung werde „das nicht zulassen, uns daher mit aller Kraft in Brüssel dafür einsetzen, dass auch weiterhin strenge Regeln für gentechnisch veränderte Pflanzen und Lebensmittel gelten. Dass die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zwingt, den unkontrollierten Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu erlauben, ist inakzeptabel“.

 

Die biologische Landwirtschaft gerät der Regierung zufolge durch den Vorschlag unter Druck, weil NGT1-Pflanzen in der Bio-Landwirtschaft zwar als Saatgut verboten sind, nicht aber als Futtermittel. „Nach diesen Regeln wäre Bio-Milch von Kühen, die mit NGT1-Pflanzen gefüttert wurden, denkbar. Noch problematischer ist jedoch, dass der Vorschlag der Kommission keine Regeln vorsieht, um Kreuzkontaminationen zu verhindern, wenn etwa NGT1-Pflanzen neben Bio-Pflanzen angebaut werden. Österreich könnte den Anbau von NGT-Pflanzen beider Kategorien nicht mehr untersagen“, konstatiert die Regierung in einer Aussendung.

 

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