Archive

July 3rd, 2023

Krach um neues Arzneimittelpreisband 

Der Dachverband der Sozialversicherungsträger senkt die Höchstpreise für patentreie Medikamente um ein Drittel. Das könnte Versorgungsengpässe verschärfen, kritisiert die Industrie. 

 

Heftige Kritik übt die Industrie am neuen Preisband des Dachverbands der Sozialversicherungsträger für patentfreie Arzneimittel. Dieses tritt im Oktober in Kraft. Ihm zufolge darf der Höchstpreis eines Medikaments, dessen Kosten der Dachverband erstattet, nur mehr maximal 20 Prozent über dem Preis des günstigsten wirkstoffgleichen Präparats liegen.  Zurzeit sind bis zu 30 Prozent zulässig. Anders gesagt: Die Obergrenze für die Arzneimittelpreise sinkt um ein Drittel. Laut Wolfgang Andiel, dem Präsidenten des Österreichischen Generikaverbands, hat in Österreich „das restriktive Preissystem für Medikamente längst seine Untergrenze erreicht. Werden die Preise jetzt noch weiter gedrückt, laufen weitere Medikamente wie Antipsychotika oder Antidepressiva Gefahr, vom Dachverband aus der Versorgung gestrichen zu werden“. Damit könnte es im kommenden Winter erneut zu Engpässen bei der Versorgung mit derartigen Mitteln kommen, warnt Andiel. Ihm zufolgen entfallen mehr als 90 Prozent der abgegebenen Medikamentenpackungen auf das patentfreie Segment. Davon wiederum seien rund 57 Generika. Über ein Viertel der Generika habe die Pharmaindustrie in den vergangenen zehn Jahren mangels Rentabillität vom europäischen Markt genommen. Und allein in Österreich würden pro Monat 20 Arzneimittel aus dem Erstattungskodex gestrichen.

 

Ein besonderes Problem sieht Andiel darin, dass im neuen Preisband der Höchstpreis anhand der „Schlüsselstärke“ festgelegt wird, also der am häufigsten verschriebenen Dosierung. Ist der Wirkstoff höher dosiert, darf dies keinen höheren Preis zur Folge haben. Damit aber könnten stärker dosierte Präparate unrentabel werden. Außerdem müssten die Patienten mehr Tabletten einnehmen. Sie würden also größere Mengen des Arzneimittels benötigen und hätten häufiger die Rezeptgebühren zu bezahlen. Hinzu kommt laut Andiel, „dass die festgestellten Schlüsselstärken im neuen Preisband teilweise nur wenig mit den tatsächlichen Dosierungen in den zugelassenen Anwendungsgebieten zu tun haben. Das Preisband ist in dieser Form aus unserer Sicht nicht sinnvoll anwendbar“. 

 

Geringe Einsparungen, hohe sonstige Kosten 

 

Ähnlich argumentiert die Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Ihr zufolge umfassen die Preisreduktionen etwa 1.500 Arzneimittel, darunter eine Reihe von Antibiotika, bei denen in der Hauptinfektionszeit im vergangenen Winterhalbjahr teils „dramatische Engpässe“ aufgetreten seien. Von der Pharmaindustrie werde deshalb verlangt, Vorräte an solchen Präparaten bereitzuhalten. Gleichzeitig senke der Dachverband die Kosten für die Medikamente. Den dadurch erzielten „vergleichsweise geringen Kosteneinsparungen“  stehen laut Hofinger erhebliche zusätzliche Ausgaben in anderen Bereichen gegenüber: „Fehlende Medikamente verursachen nicht nur Probleme bei der bestmöglichen Behandlung der Menschen, sondern auch volkswirtschaftlich relevante Kosten, die höher sind als die potenziellen Einsparungen. In diesem Sinne sind faire Preise für lebenswichtige Arzneimittel gut investiertes Geld.“


 

May 26th

Ingo Raimon ist Pharmig-Präsident

Der Geschäftsführer von Abbvie in Österreich wurde bei der Generalversammlung mit breiter Mehrheit in seine Funktion gewählt. Im öffentlichen Teil der Versammlung diskutierten Fachleute über „Politik und Wissenschaft in bewegten Zeiten“. 

 

Ingo Raimon, der Geschäftsführer des US-amerikanischen Pharmakonzerns Abbvie, ist neuer Präsident des Pharmaindustrieverbands Pharmig. Er wurde bei der Generalversammlung am 26. Mai mit breiter Mehrheit in seine Funktion gewählt. Sein Vorgänger, Philipp von Lattorff, der Generaldirektor der Boehringer Ingelheim RCV GmbH & CO KG, wechselte in die Funktion eines Vizepräsidenten. Somit besteht das Präsidium der Pharmig bis zum Ende der regulären Funktionsperiode im Jahr 2025 aus Raimon, von Lattorf, der Geschäftsführerin von Merck Sharp Dohme (MSD) in Österreich, Ina Herzer, sowie dem Geschäftsführer der Sigmapharm Arzneimittel GmbH, Bernhard Wittmann. Raimon konstatierte, es ehre ihn, „als Präsident der Pharmig die gesamte heimische Pharmaindustrie vertreten zu dürfen. Ich werde mich in dieser Funktion für die Stärkung des Forschungs- und Produktionsstandortes einsetzen. Ein zentrales Anliegen ist mir die damit einher gehende Arzneimittelvielfalt. Denn die bestmögliche Therapie kann nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie für die Patientinnen und Patienten auch zur Verfügung steht. Hier hat sich in der jüngsten Vergangenheit gezeigt, dass sich die Erstattungs- und die Standortpolitik ergänzen müssen und nicht konterkarieren dürfen. Wer in Arzneimittel investiert, investiert folglich in den Standort Österreich, in seine Wettbewerbsfähigkeit und vor allem in die Versorgungsqualität“.

 

Neu in den Vorstand gewählt wurden Nicole Daniela Schlautmann, die Geschäftsführerin der Pfizer Corporation Austria GesmbH, Michael Kreppel-Friedbichler, der die Biogen Austria GmbH leitet, und Michael Kocher, der Chef von Sandoz in Österreich. 

 

Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog dankte von Lattorff „für die überaus konstruktive Zusammenarbeit und seinen unablässigen Einsatz für den Verband“. Den neuen Präsidenten Raimon bezeichnete Herzog als „äußerst versierten Kenner des heimischen Gesundheitswesens. Gemeinsam mit dem Pharmig-Präsidium, den neuen und bestehenden Vorstandsmitgliedern und allen im Verband engagierten Mitgliedsunternehmen steht uns ein breites Spektrum an Erfahrungen und Expertise zu Verfügung, damit wir weiterhin wichtige Impulse für einen starken Forschungs- und Pharmastandort setzen können“.

 

Lob vom Kanzler 

 

Im öffentlichen Teil der Generalversammlung ging es um das Thema „Politik und Wissenschaft in bewegten Zeiten“. 
Bundeskanzler Karl Nehammer würdigte in einer Videobotschaft die Bedeutung der Pharmabranche für Österreich. Der Pharmig dankte er „für ihren Einsatz und die exzellente Zusammenarbeit. Wir sind immer daran interessiert, den Standort Österreich weiterzuentwickeln“. 

 

Der Strategie- und Politikberater Lothar Lockl, von 2006 bis 2009 Bundesparteisekretär der Grünen und im Präsidentschaftswahlkampf 2016 Wahlkampfmanager Bundespräsident Alexander van der Bellens, konstatierte, die Vorhersehbarkeit politischer Entwicklungen nehme ab, die Zersplitterung des Parteiensystems dagegen zu. Über kurz oder lang sei auch in Österreich mit „skandinavischen Verhältnissen“ zu rechnen. Da in der Bevölkerung die Sehnsucht nach einfachen Botschaften wachse, würden Kompromisse schwieriger. Ausgehend davon empfahl Lockl den Pharmig-Mitgliedern, optimistisch zu bleiben, gemeinsame Visionen für die Zukunft zu entwickeln, am Aufbau wechselseitigen Vertrauens zu arbeiten und die Zusammenarbeit zu verstärkten. Bei allem Wettbewerb gehe es sämtlichen Unternehmen nicht zuletzt um das Wohlbefinden der Patienten und um den medizinischen Fortschritt. Es gelte, stets auch dieses „große Ganze im Auge zu behalten“. 

 

Die Neurologin Adelheid Kastner, Primaria der Klinik für Psychiatrie mit Forensischem Schwerpunkt am Kepler-Universitätsklinikum Linz, konstatierte, die bisweilen attestierte „kollektive Bereitschaft zur Ignoranz“ habe eine Vielzahl von Ursachen. Wegen der Komplexität der heutigen Lebenswelt seien die Menschen ansprechbar für „Rattenfänger“ mit einfachen Botschaften sowie für Emotionalisierungen. Oftmals würden Meinungen mit Tatsachen verwechselt. Zu konstatieren sei ferner ein Mangel an Allgemeinbildung. In einer ihrer Lehrveranstaltungen habe eine Teilnehmerin vermeint, der Begriff „Großglockner“ bezeichne eine Blumenart. Die bekannte Äußerung Bundeskanzler Nehammers, die Bundesregierung sei in der Corona-Pandemie „zu wissenschaftshörig“ gewesen, kritisierte Kastner heftig. Sie zeige, dass selbst hochrangige Politiker „den Wert der Wissenschaft nicht erfassen. Und da erwarten wir uns, dass sich die ‚kleinen Leute‘ auskennen?“ 

 

„Emokratie“ statt „Demokratie“ 

 

Laut dem Politikberater Thomas Hofer geht die Entwicklung von der „Demokratie“ zur von Emotionen geprägten „Emokratie“. In den USA sei dieser Trend besonders weit fortgeschritten. Auch in Österreich könnten die nächsten Wahlgänge in dieser Hinsicht problematisch werden. Um gegenzuwirken, bedürfe es fundierter Bildung: „Zurzeit züchten wir medialen und politischen Analphabetismus heran.“ Allerdings gelte es, im Bestreben, dergleichen entgegenzuwirken, „nicht die Linie zum Aktivismus zu überschreiten“ und gegenüber möglicherweise mangelhaft Informierten nicht arrogant zu werden. 

 

Der Kommunikationsberaterin Julia Keck zufolge empfiehlt es sich, sich zu fragen, „wofür man steht, woran man glaubt, welche Gesprächsbasis man aufbaut und welcher ‚Nordstern‘ einen leitet“. Wichtig ist laut Keck, langfristig zu denken, worin ihrer Ansicht nach Unternehmensvertreter Politikern meist überlegen sind. Ferner sei es sinnvoll, „bewusst den Blick auf das Gelungene und das Gelingende zu richten. Man sollte nicht in Mutlosigkeit verfallen. Denn das verhindert Gestaltungsmöglichkeiten“. 

 

„Leistungs- und Opferbereitschaft“ gefragt 

 

Der Strategieberater Josef Kalina schließlich diagnostizierte einen weitreichenden „Verfall von Autorität“. Früher habe den „Dorfdeppen“ niemand ernst genommen: „Heute können sich die ‚Dorfdeppen‘ auf der ganzen Welt vernetzen.“ Es sei erforderlich, positiv über sich selbst zu sprechen: „Sonst wird das keiner tun. Wir müssen immer wieder aufklären.“ Dafür müssten Emotionen benutzt werden, um mit den eigenen Botschaften „durchzukommen“. Sprächen sich Politiker für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich aus, müsse ihnen die Pharmig mitteilen, was sie zum Zwecke dieser Stärkung konkret zu tun hätten: „Und da reden wir nicht über Förderungen.“ Österreichs Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg sei eine „riesige Erfolgsgeschichte“ gewesen, weil sich die Kräfte der politischen Mitte zusammengetan hätten: „Das hat man getan, um etwas zu schaffen, das man dann verteilen konnte.“ In diesem Sinne müssten Leistung und Ausbildung wieder mehr Stellenwert erhalten. „Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Daher müssen die Menschen leistungs- und manchmal auch opferbereit sein, sonst können wir unseren Wohlstand nicht halten. Es ist wirklich viel zu tun“, resümierte Kalina. 

 

May 17th

Agrana macht knapp 25 Millionen Euro Gewinn

Der Umsatz und das operative Ergebnis des Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern stiegen ebenfalls kräftig, hieß es bei der Bilanzpressekonferenz. Auch die Aussichten sind dem Management zufolge zufriedenstellend. 

 

Einen Gewinn von 24,7 Millionen Euro erwirtschaftete der Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana im Geschäftsjahr 2022/23, nachdem er 2021/22 einen Verlust von 12,2 Millionen Euro hinzunehmen hatte. Die Umsatzerlöse erhöhten sich um 25,4 Prozent auf 3,64 Milliarden Euro. Das EBITDA lag mit 277,1 Millionen Euro um 34,1 Prozent über jenem des vorigen Geschäftsjahres. Das EBIT war 2022/23 mit 88,3 Millionen Euro fast dreimal so hoch wie 2021/22, als es sich auf 24,7 Millionen Euro belaufen hatte. Entsprechend zufrieden zeigte sich das Vorstandteam um Generaldirektor Markus Mühleisen bei der Präsentation der Bilanz am 17. Mai in Wien. Mühleisen betonte, die Agrana sei „ein starkes, innovatives und gut positioniertes Unternehmen mit großem Potenzial. Wir sind auf gutem Kurs“. Insbesondere operativ habe die Agrana ein „sehr gutes Ergebnis“ erarbeitet. Als besonders erfreulich bezeichnete Mühleisen, „dass alle Segmente und Divisionen“ zum Anstieg des Umsatzes beitrugen. Im größten Segment, Frucht, wuchs dieser um 18,4 Prozent auf 1,48 Milliarden Euro, im Segment Stärke um 28,0 Prozent auf 1,29 Milliarden Euro, im Segment Zucker schließlich um 34,6 Prozent auf 861,7 Millionen Euro. Ausdrücklich betonte Mühleisen, die Agrana habe ihre Kunden trotz der insgesamt angespannten Wirtschaftslage mit hohen Energie- und Rohstoffkosten sowie teils erheblichen logistischen Herausforderungen „uneingeschränkt“ versorgen können: „Das wissen diese auch zu schätzen.“ 

 

Wegen der guten Kennzahlen wollen Mühleisen und seine Kollegen der Hauptversammlung am 7. Juli eine Dividende von 90 Cent je Aktie vorschlagen. Für 2021/22 hatte die Agrana ihren Aktionären 75 Cent je Aktie bezahlt. 

 

Gestiegene Energiekosten 

 

Laut Finanzvorstand Stephan Büttner weist die Bilanz allerdings den einen oder anderen nicht zuletzt durch die  allgemeine Wirtschaftslage bedingten Schönheitsfehler auf. So musste die Agrana im Segment Frucht nicht zahlungswirksame Wertbereinigungen von 91,1 Millionen Euro vornehmen. Die Gründe dafür waren neben dem Krieg in der Ukraine die „Verwerfungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten“. Allein die Energiekosten waren 2022/23 mit 357,0 Millionen Euro um 66,4 Prozent höher als 2021/22. Keine Entlastungen brachten die Energiekostenzuschüsse der Bundesregierung, teilte Büttner dem Chemieport mit: „Wir haben Zuschüsse zwar beantragt, aber noch nicht bekommen.“ Zu rechnen sei ohnedies nur mit einem „verschwindenden Beitrag, der kaum spürbar sein dürfte“. 

 

Ferner war die EBIT-Marge mit 2,4 Prozent zwar deutlich höher als 2021/22 (0,9 Prozent), aber Büttner zufolge noch immer „sehr bescheiden. Da gibt es Potenzial zur Verbesserung“. Als guter Wert gelten bekanntlich rund 15 Prozent. Ähnlich sieht es mit der EBITDA-Marge aus, konstatierte Büttner auf Anfrage des Chemiereports. Diese verbesserte sich zwar von 7,1 auf 7,8 Prozent, lag aber klar unter dem als kritisch geltenden Wert von zehn Prozent. Büttners Kommentar: „Das müssen wir managen. Und jetzt, wo alle drei Segmente vernünftig verdienen, sollte es möglich sein, über zehn Prozent zu kommen.“ 

 

„Auf Holz klopfen“ beim Rüsselkäfer 

 

Für das laufende Geschäftsjahr 2023/24 erwartet die Agrana Büttner zufolge einen Anstieg des Umsatzes um mindestens zehn Prozent. Das EBIT dürfte sich um mehr als 50 Prozent erhöhen. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Wertminderung vom vergangenen Geschäftsjahr nicht mehr relevant ist. 

 

Ein gewissermaßen „klassisches“ Thema für die Agrana ist der in ihrem Auftrag erfolgende Zuckerrübenanbau. Laut dem für Rohstoffe und Produktion zuständigen Vorstand Norbert Harringer wird es heuer erstmals keine Notfallzulassung von Neonicotinoiden zur Bekämpfung des Rüsselkäfers mehr geben. Was diesen Schädling betrifft, „müssen wir auf Holz klopfen“. Zu rechnen ist laut Harringer mit einem Nettoverlust an Erntefläche von etwa 1.000 Hektar infolge des Käferbefalls. Meldungen seitens der Rübenbauern, dass mindestens 4.000 Hektar umbrochen werden müssten, wollte Harringer nicht kommentieren: „Unsere Zahlen sind tagesaktuell.“ Insgesamt hat die Agrana laut Harringer in Österreich heuer jene 38.000 Hektar unter Vertrag, die zum Betrieb ihrer Zuckerfabriken in Tulln und Leopoldsdorf notwendig sind. 

 

April 26th

Arzneimittelrecht: Pharmig kritisiert EU-Kommission

Die Vorschläge zur Reform sind nicht praxistauglich, stellt der Pharmaindustrieverband fest. Die EU-Gesundheitspolitiker geben sich dagegen überzeugt von ihren Ideen. 

 

Wenig Freude mit den am 26. April präsentierten Vorschlägen der EU-Kommission zur Reform des europäischen Arzneimittelrechts hat der österreichische Pharmaindustrieverband Pharmig. Ihm zufolge sollte die Reform dazu dienen, „um die Arzneimittelforschung voranzutreiben und den Zugang zu neuen wie bewährten Arzneimitteln sicherzustellen“. Dem werde der Vorschlag jedoch nicht gerecht. Im Gegenteil zwänge er die Pharmabranche „in ein Korsett aus Restriktionen und Verschärfungen. Dadurch sind negative Effekte auf den Forschungs- und Produktionsstandort Europa und ebenso auf die Versorgung mit Arzneimitteln zu befürchten“, hieß es in einer Aussendung. 

 

Etliche der geplanten Vorgaben könne die Industrie nicht umsetzen. Die EU-Kommission erschwere es den Unternehmen noch mehr als bisher, neue Medikamente zu entwickeln. Unter anderem „verwebe“ die Kommission die Bereiche Marktzugang und Anreize unnötig stark miteinander, verkürze Datenschutzfristen für innovative Arzneimittel oder führe für deren Geltungsdauer neue Kriterien ein. Das Problem: Ob ein Unternehmen ein Präparat innerhalb eines bestimmten Zeitraums in allen EU-Mitgliedsstaaten auf den Markt bringen könne, hänge nicht allein von ihm ab. 

 

Nicht zuletzt deshalb könne der Vorschlag der EU-Kommission in der Praxis nicht funktionieren, konstatierte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog: „Unternehmen werden ihren Fokus dorthin richten, wo sie für ihre Forschung, den Marktzugang und die Produktion förderliche Rahmenbedingungen vorfinden. In vielen Bereichen sind die USA hier bereits Vorreiter, China holt mit großen Schritten auf. Europa dagegen scheint alles daran zu setzen, es diesen beiden Regionen möglichst leicht zu machen, weiter vorzupreschen und ‚Good old Europe‘ hinter sich zu lassen bzw. uns noch abhängiger von ihnen zu machen.“ Die Pharmaindustrie unterstütze die Ziele der EU-Arzneimittelstrategie. Aber der Vorschlag der Kommission sei „in Summe keine zukunftsträchtige Europapolitik“, resümierte Herzog.

 

Überzeugte Kommissare 

 

Überzeugt von der Sinnhaftigkeit der Vorschläge gaben sich unterdessen Kommissions-Vizepräsident Margaritis Schinas und Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Schinas sprach von einer „einzigartigen Gelegenheit zur Überarbeitung der Rechtsvorschriften, die für die Patientenschaft und die Stärkung und Entwicklung eines der wichtigsten Industriesektoren der EU von entscheidender Bedeutung sind. Unsere Vorschläge sollen das richtige Gleichgewicht zwischen der Förderung von Innovationen und der Gewährleistung des Zugangs der Patientinnen und Patienten zu erschwinglichen Arzneimitteln in der gesamten EU schaffen“. 

 

Kyriakides assistierte, mit der Reform werde „gewährleistet, dass Europa für Unternehmen attraktiv und unsere Arzneimittelindustrie ein weltweiter Innovationsmotor bleibt. Die Schaffung eines Binnenmarktes für Arzneimittel ist sowohl für unsere Bürgerinnen und Bürger als auch für unsere Unternehmen eine Notwendigkeit“.

 

 

Montavit sucht Investor 

Die insolvente Tiroler Pharmafirma kann die Mittel für die Bedienung der Mindestquote nicht selbst aufbringen. Damit bleibt ihre Zukunft vorerst ungewiss. 


Die Rettung der insolventen Tiroler Pharmafirma Montavit hängt weiter in Schwebe. Das berichtet der Kreditschutzverband 1870 (KSV 1870). Ihm zufolge akzeptierten die Gläubiger bei der Tagsatzung vor dem Landesgericht Innsbruck am 24. April grundsätzlich die angebotene Mindestquote von 30 Prozent der gesamten Verbindlichkeiten. Diese belaufen sich auf 45 Millionen Euro. Somit würden die Gläubiger insgesamt 13,5 Millionen Euro erhalten. Davon wären 4,5 Millionen Euro oder zehn Prozent der Verschuldenssumme binnen acht Wochen zu bezahlen, die übrigen 20 Prozent der Verschuldenssumme oder neun Millionen Euro binnen zwei Jahren. 

 

Das Problem: Die Montavit kann die nötigen Mittel nicht selbst aufbringen, sondern benötigt einen Investor. Einen solchen aber konnte sie bis dato nicht namhaft machen. Verhandlungen auf Gesellschafterebene sind nach Angaben des KVS 1870 im Gange, aber „bisher nicht finalisiert worden“. 

 

Hinzu kommt: Der Einstieg eines Investors müsste kartellrechtlich geprüft werden, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Laut dem Leiter des KSV 1870 in Tirol, Klaus Schaller, müsste die Montavit die zehn Prozent der Verschuldenssumme daher binnen sieben Wochen beim Sanierungsverwalter erlegen. Erfolgt dies nicht, „wird das Sanierungsverfahren vom Landesgericht nicht bestätigt. Als Folge würde das Verfahren als Konkursverfahren fortgeführt werden“.


 

April 17th

MSD: Elf Milliarden Dollar für Prometheus Biosciences

Der US-amerikanische Pharmariese will mit der Übernahme seine Position im Bereich der Immunologie verstärken.

 

Der US-amerikanische Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme (MSD) mit Hauptsitz in Rahway im Bundesstaat New Jersey will die kalifornische Prometheus Biosciences übernehmen. Laut einer Aussendung einigten sich die beiden Firmen auf einen Kaufpreis von rund 10,8 Milliarden US-Dollar (9, 8 Milliarden Euro). MSD erwartet, die Transaktion im dritten Quartal 2023 abschließen zu können. Unter anderem ist dafür die Zustimmung der Mehrheit der Prometheus-Aktionäre nötig. Überdies wird die Übereinkunft auf der Website der Securities and Exchange Commission (SEC) veröffentlicht.

 

Interessiert ist MSD vor allem PRA023, einem monoklonalen Antikörper, der insbesondere gegen entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wirksam sein soll. Nach Ansicht von MSD vielversprechende diesbezügliche Daten aus der sogenannten Artemis-UC-Studie sowie aus der Apollo-CD-Studie veröffentlichte Prometheus Ende vergangenen Jahres.


MSD-Chef Robert M. Davis konstatierte, die Übernahme von Prometheus werde die Position seines Unternehmens im Bereich der Immunologie weiter stärken und dessen Angebot insgesamt verbreitern. Sie sei eine wichtige Komponente der „nachhaltigen Innovationsmaschine, die unser Wachstum weit in das nächste Jahrzehnt hinein antreiben wird“. Prometheus-Chef Mark McKenna ergäzte, die Vereinbarung mit MSD ermögliche seiner Firma, „das Potenzial von PRA023 zu maximieren“. Gleichzeitig könne Prometheus seine Technologie und sein Wissen im Bereich Immunologie für weitere Entwicklungen nutzen.

 

 

April 6th

Industrie: „Gemischtes Bild“ 

Zwar wuchs der Produktionswert von 2021 auf 2022 um 24 Prozent auf einen Rekord von 252,3 Milliarden Euro. Doch das war im Wesentlichen höheren (Energie-)Preisen geschuldet, nicht aber höheren Absatzmengen, warnt die Wirtschaftskammer. 

 

Waren mit einem Wert von rund 252,3 Milliarden Euro erzeugte die österreichische Industrie im Jahr 2022. Im Vergleich zu 2021 ist das ein Anstieg um rund 23,7 Prozent und ein „neuer Rekord“, berichtete der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Andreas Mörk, bei deren jährlicher Bilanzpressekonferenz am 6. April in Wien. Allerdings ist dieser laut Mörk weitgehend auf den Preisanstieg bei Erdgas und Erdöl zurückzuführen. Zuständig für die Bereitstellung und den Verkauf dieser Produkte sind die Mitglieder der Fachverbände Gas Wärme (FGW) sowie Mineralölindustrie. Werden diese nicht berücksichtigt, ergibt sich von 2021 auf 2022 ein Anstieg des Produktionswerts der Industrie um rund 15,1 Prozent. Aber auch davon ist etwa die Hälfte durch höhere Preise bedingt, erläuterte Mörk. Ihm zufolge stagnierte der Produktionswert bei mehreren der verbleibenden 14 Fachverbände. Andere, wie die Chemische Industrie, die Metalltechnikbranche, die Papier- und die Nichteisenmetallindustrie, die Stahlbranche sowie die Nahrungs- und Genussmittelindustrie erzielten dagegen überdurchschnittliche Steigerungen ihres Produktionswerts. 

 

Um rund 7,5 Prozent gestiegen sind auch die Auftragseingänge, ergänzte Mörk: „Aber die Kurve flacht sich ab. Das ist ein Alarmsignal.“ Zwar liege der Beschäftigtenstand bei etwa 468.600 Personen, dem zweithöchsten Wert seit dem Beitritt Österreichs zur EU am 1. Jänner 1995. Doch ob sich dieser das ganze Jahr über halten lässt, ist laut Mörk fraglich. Laut dem Obmann der Bundessparte, Siegfried Menz, ergibt sich insgesamt „ein gemischtes Bild“. Nominell sei das Produktionswachstum durchaus kräftig gewesen. Doch bleibe bei näherer Betrachtung „nur ein bescheidenes Mengenwachstum“. 


                                                   
Kritik an der Energiepolitik  

 

Kritik übten Menz und Mörk an der Bundesregierung und insbesondere an deren Energiepolitik. Mehrere Gesetze, die die Tätigkeit der Industrie erleichtern könnten, seien zwar im Werden, aber noch nicht unter Dach und Fach. Menz zufolge betrifft dies etwa das Stromkostenausgleichsgesetz. Dieses rasch zu beschließen, sei umso dringlicher, als die CO2-Preise mittlerweile bei rund 100 Euro pro Tonne liegen. In mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten der EU seien bereits ähnliche Gesetze in Kraft und die entsprechenden Vorgaben der EU somit umgesetzt. Daher dulde das österreichische Pendant „keinen Aufschub“, wenn die Wettbewerbsfähigkeit nicht leiden solle. 

 

Überdies fehlten nach wie vor die Förderrichtlinien zum Energiekostenzuschuss II, für den Wirtschaftsminister Martin Kocher zuständig ist. Auch diese sollten laut Menz so rasch wie irgend möglich veröffentlicht werden. 

 

Wenig Freude hat die Industrie ferner mit dem Entwurf zum Erneuerbare-Gase-Gesetz (EGG). Zwar sei es notwendig, die „grünen“ Gase zügig verfügbar zu machen. Doch das im EGG vorgesehene Ziel, die Grüngaserzeugung von derzeit 0,14 Terawattstunden (TWh) pro Jahr bis 2030 auf 7,5 TWh zu versiebzigfachen, halte die Gasbranche für unrealistisch.  Erreichbar seien etwa fünf TWh pro Jahr, wie sie bereits das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz aus dem Jahr 2021 vorsehe, erläuterte Mörk auf Anfrage des Chemiereports. Als „exorbitant“ bezeichneten er und Menz die Ausgleichszahlungen, die die Gasversorger leisten sollen, wenn sie ihre Grüngasquoten verfehlen. Diese liefen nach Angaben Mörks auf eine Erhöhung der Gaskosten der Endkunden um rund 15 Euro/Megawattstunden (MWh) hinaus. Da (Erd-)Gas bekanntlich auch zur Stromerzeugung verwendet werde, würde sich überdies eine Steigerung der Stromkosten um bis zu 30 Euro/MWh ergeben. Welche Höhe der Ausgleichszahlungen die Industrie für tragbar hält, wollte Mörk auf Nachfrage des Chemiereports nicht bekannt geben.

 

Forschungsförderung erhöhen 

 

Unzufrieden ist die Industrie auch mit der Forschungsförderung, vor allem mit der Ausstattung der Fördertöpfe der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Ungeachtet der beträchtlichen Inflation wollten Energieministerin Leonore Gewessler und Finanzminister Magnus Brunner diese offenbar nicht verbessern. Dabei habe die FFG 2022 Förderanträge über rund 226 Millionen Euro ablehnen müssen, obwohl sie die Vorhaben sehr wohl als unterstützenswert erachtete. Kurzfristig klafft laut Mörk eine Finanzierungslücke von etwa 50 Millionen Euro pro Jahr, mittelfristig sind es sogar rund 100 Millionen. Die Politik sei dringend gefordert, diese Mittel bereitzustellen, „wenn Österreich den Anspruch auf Innovationsführerschaft ernst nehmen will“. 


 

April 3rd

OMV erprobt CO2-Speicherung in Norwegen 

Gemeinsam mit dem norwegischen Ölkonzern Aker BP ASA arbeitet das Unternehmen an einem CCS-Projekt in der südliche Nordsee. Dauerhaft lagern ließen sich dort rund fünf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. 


Die norwegische Erdölgesellschaft Aker BP ASA und die OMV erproben im Verlauf der kommenden Jahre Möglichkeiten, um CO2 in untermeerischen Gesteinsformationen in der Nordsee dauerhaft zu speichern. Eine diesbezügliche Lizenz erhielten sie vom norwegischen Energieministerium. Verfahren, wie sie die beiden Unternehmen sie in Norwegen testen, werden als „Carbon Capture and Storage“ (CCS) bezeichnet. Immer wieder weist der Weltklimabeirat IPCC darauf hin, dass CCS unverzichtbar ist, um den Klimawandel einzudämmen. Die Lizenz, die Aker BP sowie die OMV-Tochter OMV (Norge) erhielten, wird als „Poseidon“ bezeichnet. Sie bezieht sich auf drei Blöcke in einem Seegebiet südlich des Hafens Egersund, der sich am westlichen Ausgang der Skagerrak-Meerenge befindet. Aker ist an dem Vorhaben mit 60 Prozent beteiligt, die OMV (Norge) hält die übrigen 40 Prozent. 

 

Nach Angaben des norwegischen Energieministeriums sind in der ersten, bis 2025 dauernden, Projektphase 3D-seismische Untersuchungen durchzuführen. Dies beinhaltet auch die Erstellung eines 3D-Modells der untersuchten Gesteinsformationen. Ferner haben die Unternehmen Risikostudien durchzuführen, nicht zuletzt hinsichtlich potenzieller CO2-Leckagen. In der Folge ist zu entscheiden, ob eine Probebohrung erfolgt oder das Vorhaben aufgegeben wird. Entscheiden sich die Unternehmen nach der ersten Phase für die Fortsetzung des Vorhabens, haben sie in der zweiten Phase Studien für die Entwicklung der künftigen CO2-Lagerstätte zu erstellen. Vorgesehen ist auch eine Probebohrung. Die Unternehmen können jedoch beantragen, auf deren Durchführung zu verzichten. Am Ende der zweiten Phase ist über die weitere Fortsetzung des Vorhabens entscheiden. Fällt die Entscheidung positiv aus, ist ein detaillierter Plan für die Entwicklung und den Betrieb der Lagerstätte zu erstellen und die finale Investitionsentscheidung zu treffen. Über alle drei Phasen hinweg gerechnet, würde die Projektlaufzeit fünf Jahre betragen.

 

CO2-Neutralität bis 2050 

 

OMV-Generaldirektor Alfred Stern erläuterte, das Unternehmen nutze sein Know-how, „um die CCS-Aktivitäten vor der norwegischen Küste zu expandieren. Die sichere und dauerhafte Speicherung von CO2 ist eine wichtige Säule in der Strategie der OMV, bis 2050 klimaneutral zu werden“. Dazu gehört, ab 2030 jährlich rund fünf Millionen Tonnen CO2 einzuspeichern. Nach Angaben der OMV ließen sich im Zuge der Poseidon-Lizenz mehr als fünf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr untermeerisch lagern. Dieses werde „von mehreren identifizierten industriellen Emittenten in Nordwesteuropa abgeschieden, darunter auch von verschiedenen Borealis-Standorten in Europa“. 

 

Erfahrener Partner 

 

Die zur Umsetzung des Vorhabens nötige Infrastruktur stellt die norwegische Höegh LNG bereit. Sie ist laut Mitteilung der OMV „einer der weltweit größten und technisch fortschrittlichsten Betreiber von LNG-Infrastrukturen“. Unter anderem lieferte sie die drei schwimmenden LNG-Import-Terminals (FSRUs), die 2022 in Deutschland den Betrieb aufnahmen.

 

Außer der Aker und der OMV (Norge) erhielt auch ein Konsortium aus der Wintershall Dea Norge AS und der Altera Infrastructure eine Lizenz für ein CCS-Pilotprojekt in der norwegischen Nordsee. Das diesbezügliche Meeresgebiet grenzt nordwestlich an das der Poseidon-Lizenz an. 

 

In Österreich sind kommerzielle CCS-Projekte seit Ende 2011 untersagt. Zulässig sind ausschließlich Forschungsvorhaben mit einem Gesamtspeichervolumen von weniger als 100.000 Tonnen. 


 

March 14th

Sanofi: Milliardenakquisition in den USA 

Der französische Pharmakonzern will die Provention Bio übernehmen. Sie hat ein neuartiges Medikament entwickelt, mit dem sich das Voranschreiten von Diabetes Typ 1 verzögern lässt.


Vorbehaltlich der Genehmigung durch die zuständigen Behörden möchte der französische Pharmakonzern Sanofi die US-amerikanische Provention Bio Inc. mit Sitz in Red Bank im Bundesstaat New Jersey übernehmen. Eine diesbezügliche Vereinbarung hatten die beiden Unternehmen kürzlich geschlossen, berichtete Sanofi in einer Aussendung. Den Kaufpreis bezifferte Sanofi mit 2,90 Milliarden US-Dollar (2,71 Milliarden Euro). Der Konzern geht davon aus, die Übernahme noch im laufenden zweiten Quartal 2023 abschließen zu können. Insbesondere geht es ihm um das Medikament Teplizumab-MZWV (Tzield) zur Behandlung von Diabetes Typ 1 (T1D) im dritten Stadium. Diese Krankheit wird laut Sanofi jährlich weltweit bei etwa 65.000 Personen diagnostiziert. Insgesamt sind in den USA etwa 1,8 Millionen Menschen an T1D erkrankt, darunter 1,6 Millionen Erwachsene. Im Herbst vergangenen Jahres hatten Sanofi und Provention Bio vereinbart, Tzield gemeinsam zur Marktreife zu führen. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist dieses in der Lage, den Ausbruch des dritten Stadiums von T1D um rund 2,7 Jahre zu verzögern. Es soll sich um das derzeit einzige Medikament handeln, das diese Wirkung mit sich bringt. In den USA ist Tzield seit vergangenem Jahr für Erkrankte im Alter ab acht Jahren zugelassen, die an T1D im zweiten Stadium leiden und in Gefahr sind, zum dritten und letzten Stadium voranzuschreiten. 

 

Erfreuliche Aussichten 

 

Olivier Charmeil, der zuständige Executive Vice President von Sanofi, verlautete, er gehe von einer reibungslosen Umsetzung der Transaktion aus. Diese habe das Ziel, Diabetes-Patienten noch besser als bisher zu versorgen. Möglicherweise könnten sich aus der Projektpipeline von Provention Bio weitere erfreuliche Erträge ergeben, stellte der Manager sinngemäß fest. 

 

Der Gründer und Geschäftsführer von Provention Bio, Ashleigh Palmer, sprach von einer „gemeinsamen Vision“, die sein Unternehmen mit Sanofi teile. Sie bestehe darin, neue Arzneimittel für Menschen mit Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. Die Marktzulassung von Tzield in den USA sei ein bedeutender Schritt in diese Richtung gewesen. Infolge der Übernahme durch Sanofi könne Provention Bio seine Präparate für mehr Patienten rascher verfügbar machen. 


 

Agrofert darf Borealis-Stickstoffgeschäft übernehmen

Die EU-Kommission hat keine Bedenken gegen die 810-Millionen-Transaktion. Von einem „schweren Schlag“ für Österreich spricht dagegen der Niederösterreichische Bauernbund. 

 

Ohne Auflagen genehmigte die EU-Kommission die Übernahme des Stickstoffgeschäfts der Borealis durch die tschechische Agrofert-Gruppe. Laut einer Aussendung kam die Kommission „zu dem Schluss, dass die Übernahme keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) aufwirft“. Erstens gibt es laut der Kommission auf dem Markt für Stickstoffdünger auch nach der Übernahme „mehrere starke Wettbewerber und die gemeinsamen Marktanteile der beteiligten Unternehmen wären nicht besonders hoch. Außerdem würde durch Einfuhren aus Ländern außerhalb des EWR Wettbewerbsdruck auf das neu aufgestellte Unternehmen ausgeübt“. Zweitens werden nach Ansicht der Kommission „zahlreiche Stickstoffdüngeranbieter im EWR“ sowie „genügend konkurrierende Vertriebshändler“ in Tschechien und der Slowakei agieren. Drittens besteht auch weiterhin „starker Wettbewerb“ auf dem Markt für Adblue, also Harnstoff als Kraftstoffzusatz.

 

Die Borealis und die Agrofert hatten die Transaktion am 6. Feber bei der EU-Kommission angemeldet. Am 22. Juni vergangenen Jahres hatte die Agrofert der Borealis angeboten, deren Stickstoffgeschäft um 810 Millionen Euro zu übernehmen. Zuvor war die Übernahme durch den Chemieriesen Eurochem geplatzt. Dieser gehörte dem russischen „Bisnismen“ Andrej Melnicenko, den die EU nach der Invasion Russlands in der Ukraine auf ihre Sanktionsliste setzte. 
 

Heftige Kritik 


Heftige Kritik an der nunmehrigen Entscheidung der EU-Kommission übte der Niederösterreichische Bauernbund, der die Transaktion seit ihrem Bekanntwerden bekämpft hatte. In einer Aussendung sprachen Bauernbundobmann und Landeshauptfraustellvertreter Stephan Pernkopf sowie Bauernbunddirektor Paul Nemecek von einem „schweren Schlag für die heimische Wirtschaft, Landwirtschaft und vor allem für die Versorgungssicherheit und damit für ganz Österreich“. Ihnen zufolge „entsteht durch den Zusammenschluss eine monopolähnliche Stellung des Agrofert-Konzerns am heimischen Düngemittelmarkt“.

 

Pernkopf und Nemecek kündigten an, sie würden „den Düngermarkt genau beobachten und Ungereimtheiten sofort der zuständigen österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde melden. Wir scheuen uns nicht, bereits beim geringsten Nachteil für unsere Bäuerinnen und Bauern rechtlich einzugreifen“. Die Transaktion sei „verantwortungslos und wird den Österreicherinnen und Österreichern, aber besonders der heimischen Landwirtschaft teuer zu stehen kommen“.

Die Borealis reagierte auf die Vorwürfe wie bisher nicht.

 

Seiten