Biobasierte Industrie: Noch weit zu gehen

Die Verwendung von Biomaterialien in der Chemieindustrie nimmt zu. Doch das hat bisweilen seine Tücken, hieß es beim Stakeholderdialog Biobased Industry in Wien.

Foto: BMLFUW/Alexander Haiden
Kaskadisch nutzen: Biomasse nur zur Energieerzeugung zu verwenden, wäre laut Experten ineffizient.

 

Zumindest eines wurde beim Stakeholderdialog Biobased Industry des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), des Technologieministeriums (BMVIT) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) deutlich: Der Weg zur biobasierten Industrie ist noch einigermaßen weit - und er könnte so manche Windung aufweisen. Zwar hat die Verwendung agrarischer Rohstoffe in der Chemieindustrie in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, erläuterte FCIO-Obmann Hubert Culik. Auch bei diversen Förderprogrammen stehen einschlägige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben hoch im Kurs. Wirtschafts- sowie umweltpolitisch wiederum besteht das Ziel, ab 2050 so weit wie möglich ohne fossile Rohstoffe auszukommen. Doch wie das realistischer Weise erfolgen kann, weiß bis dato niemand. „Haben wir überhaupt genug agrarische Ressourcen? Wenn wir nicht ordentlich haushalten, eher nicht“, warnte Culik und verwies auf Tierisches: „Wenn man früher ein Schwein geschlachtet hat, hat man alles davon verwertet.“

 

In dieser Weise vorzugehen, sei auch hinsichtlich der biobasierten Industrie gefragt: „Wir müssen die Biomasse kaskadisch verwerten, also stofflich wie auch energetisch.“ Und dafür müsse es auch entsprechende Anreize sowie klare rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen geben. Die seinerzeitigen Beimischungsregeln für Biosprit seien „eher verwirrend“ gewesen. Schließlich gelte es, eine Weltbevölkerung von rund 7,6 Milliarden Menschen zu versorgen. „Das geht nur ressourcenschonend. Wir müssen mit wirklich nachhaltigen Rohstoffen arbeiten. Nur dann gehen wir einer guten Zukunft entgegen“, betonte Culik.

 

Klein ist fein

 

Wie die Angelegenheit seiner Meinung nach funktionieren könnte, schilderte Johan Sanders von der Universität Wageningen in Holland. Sollten ab 2050 auch nur 30 Prozent der voraussichtlich benötigten fossilen Rohstoffe durch biobasierte Substanzen ersetzt werden, würden von den letzteren nicht weniger als 20 Milliarden Tonnen gebraucht. Davon entfielen rund vier bis fünf Millarden Tonnen für Nahrungs- und Futtermittel, zwei Milliarden Tonnen auf Holzwerkstoffe, Papier und Textilien sowie vier Milliarden Tonnen auf Brennholz. Das funktioniere nur mit radikalen Effizienzverbesserungen bei der Bereitstellung wie auch bei der Verwendung: „Wir müssen alle Biomassebestandteile nutzen, und zwar die richtigen Komponenten für die richtigen Zwecke.“ Und es sei natürlich darauf zu achten, die Fertilität des Bodens zu erhalten. Ein durchschnittlicher Erwachsener in der EU verzehre heute Nahrungsmittel mit einem Energiegehalt von rund 2.000 Kalorien pro Tag. Der Energieaufwand, um diese zu erzeugen, sei aber etwa 20 Mal so hoch. „Könnten wir ihn um den Faktor 2 senken, hätten wir genug Energie, um alle Autos in der EU mit Biosprit zu betreiben“, rechnete Sanders vor.

 

Er plädierte dafür, biochemische Produktionsanlagen eher klein auszulegen, statt Großfabriken zu errichten. Das ermögliche eine sichere Erzeugung auch der Basischemikalien zu niedrigeren Kosten als derzeit. Ferner verringere sich die Abhängigkeit von der Infrastruktur großer Anlagen - nicht zuletzt wegen niedrigerer Transportkosten. Eine These, die indessen nicht bei allen Teilnehmern auf uneingeschränkte Zustimmung stieß. „Wenn wir nach 200 Jahren Industrialisierung draufkommen, dass die Economies of Scale doch nicht funktionieren, dann kann etwas nicht stimmen“, so das Geraune in der Kaffeepause.