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Chemiereport_2016-3

20 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.3 MÄRKTE & MANAGEMENT Bild:iStockphoto.com/cosmin4000 M uss jeder Teppichhändler der Europäischen Chemika- lienagentur (ECHA) Meldung machen, wenn in einem Pigment in einer Teppichfaser ein besonders besorg- niserregender Stoff (Substance of Very High Concern, SVHC) in einer Konzentration von über 0,1 Massenprozent enthalten ist? Und hat er diese Information auch beim Weiterverkauf eines Teppichs bzw. dessen Verkauf an einen Endkunden weiterzu- geben? Genau genommen ja, wenn es nach dem Urteil C-106/14 des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 10. September ver- gangenen Jahres geht, warnten Experten kürzlich beim Chemi- schen Abendgespräch der Wirtschaftskammer (WKO) in Wien. Der EuGH befasste sich in dem Urteil mit der Frage, wie die Arti- kel 7(2) und 33 der Chemikalienmanagementverordnung REACH auszulegen sind. Seiner Entscheidung zufolge gilt die 0,1-Pro- zent-Grenze für die Notifikation sowie die Informationsweiter- gabe nicht nur für ein Erzeugnis im Ganzen, also beispielsweise einen PKW, sondern für jeden noch so kleinen Bestandteil eines Erzeugnisses. 187 Milliarden Kommunikationsschritte Was das bei strenger Auslegung bedeutet, erläuterte beim Chemischen Abendgespräch Timo Unger, Vorsitzender der „Task Force on REACH“ der European Automobile Manufacturers‘ Association (ACEA). Ihm zufolge besteht ein Pkw aus etwa 4.000 bis 9.000 Komponenten. Ein Mittelklassewagen bringt es auf an die 8.400 Komponenten bzw. 28.000 Einzelteile von etwa 1.800 Vorlieferanten. Bis zu 500.000 unterschiedliche Komponenten hat ein Autobauer in seinem Lager, darunter Ersatzteile, die seit Jahrzehnten nicht mehr gefertigt werden. Unger: „Wenn es nach dem EuGH geht, müssten wir auch bei einem 20 Jahre alten Bau- teil wissen, ob er mehr als 0,1 Massenprozent einer SVHC ent- hält.“ Besonders unterhaltsam könne das bei Zulieferern mit Sitz außerhalb der Europäischen Union werden. Im schlimmsten Fall könnten laut Unger um die 187 Milliarden Kommunikations- schritte nötig sein, „damit wir hinsichtlich sämtlicher Bauteile eines Autos alles wissen, was wir laut dem EuGH-Urteil wissen müssten“. Immerhin sei es der Autoindustrie gelungen, inner- halb der vergangenen anderthalb Jahrzehnte ein einigermaßen vollständiges und zuverlässiges Informationssystem über „Wir haben 500.000 verschiedene Bauteile im Lager.“ Chemikalienmanagement EuGH im Datenrausch Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Informationsweitergabe im Rahmen von REACH ist bei strenger Auslegung kaum umsetzbar, warnten Experten beim Chemischen Abendgespräch der WKO. Vielleicht übertrieben: Laut EuGH muss ein Autohersteller die Zusammensetzung jedes Bauteils kennen.

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