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Chemiereport_2016-3

73 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.3 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG Bild:Chemiereport/StefanPommer forschung, hat in seinem 2009 erschie- nenen Buch „The Nature of Technology: What It Is and How It Evolves“ auch für die Entstehung neuer Technologien einen evolutionären Mechanismus angenom- men. Arthur argumentiert, dass die sozi- okulturelle Evolution unserer Gesell- schaften eng mit der technologischen Entwicklung verbunden ist. Da die Evolu- tion der Gesellschaften die bis dato letzte Episode der Evolution in der Biosphäre darstellt, ist eine Parallelität von biologi- scher und technologischer Evolution zu erwarten. Einige Punkte sind der biologischen und der technologischen Evolution gemeinsam: Technologien und die davon abhängi- gen Berufe haben ebenso wie die biolo- gischen Spezies eine begrenzte Lebens- dauer. Effizienz und andere ökonomische Kri- terien sind essenziell für das Überleben von Technologien; sie spielen hier die- selbe Rolle wie die Fitness in der biologi- schen Evolution. Technologien bilden komplexe Netz- werke gegenseitiger Abhängigkeiten – gerade so wie die Nahrungsketten der Ökosysteme. Beide verwenden das Prinzip des Bas- telns: Innovation baut auf bereits vor- handenen Technologien auf und startet nur in außergewöhnlichen Fällen von null. Die biologische Evolution kann nur von den Einheiten Gebrauch machen, die bereits existieren; vorhandene Funktionen werden in unterschiedli- chen Kombinationen und Zusammen- hängen neu verwendet. Nicht-technologische Beiträge können Impulse für technologische Innovatio- nen setzen, neue wissenschaftliche Ent- deckungen den Weg zu völlig neuen Technologien öffnen. Auch in der biolo- gischen Evolution werden Impulse durch nicht-biologische Beiträge wie Klimawandel oder Verfügbarkeit von neuen Habitaten gesetzt. Mangel oder Fülle als treibende Kraft? Was sind nun die Voraussetzungen für große Übergänge in Natur und Technik? Nicht immer ist die bei Ökonomen popu- läre Phrase „Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung“ zutreffend. Man muss zwi- schen Optimierung und radikaler Innova- tion unterscheiden. Optimierung im Sinne der natürlichen Selektion Darwins beruht auf Variation und Selektion. Die Optimierung verbes- sert die Funktion und steigert die Effizienz eines Systems, verändert aber nicht seine grundlegende Organisationsform, seine Eigenschaften und Charakteristika. Opti- mierung ist nicht kostspielig, beispiels- weise in der Molekularen Genetik die Optimierung durch Muta- tion: Die Replikation von Nukleinsäuren erfolgt immer nach demsel- ben Mechanismus, die Kosten für die fehlerfreie und die fehlerhafte Kopie sind gleich. Ähn- liche Argumente gelten auch für die Technologie: Die Erfindung verbes- serter Werkzeuge kostet im Allgemeinen kein Vermögen und wird sofort wirksam. Radikale Innovationen hin- gegen werden von größeren Änderungen der Organisations- struktur begleitet. Dies hat zur Konse- quenz, dass dafür teure Investitionen notwendig werden. Als Beispiel dafür sei das Eisenbahnsys- tem genannt. Um schnellen und billigen Transport zu ermöglichen, müssen zuvor ein Eisenbahnnetz und Bahnhöfe einge- richtet werden. Es erscheint unmöglich, dass der Übergang des Reisens von der Pferdekutsche zur Eisenbahn in einer Zeit des Mangels passiert wäre. Auch Übergänge in der Biologie benö- tigen Investitionen. Unterschiedliche funktionelle Einheiten müssen ja an ihren Platz gesetzt werden, bevor eine neue Organisationsebene wirksam wird. Hier sieht sich der Darwinsche Mechanismus vor ein generelles Problem gestellt: Wie kann die Evolution langfristig zu Vortei- len führen, wenn die Strecke dahin über ungünstige Situationen führt. Von einer Reihe mehr oder weniger plausibler Erklärungen für dieses Problem scheint eine praktisch immer zu gelten: Billige Ressourcen schaffen ein Szenario, das notwendige Investitionen zu verhältnis- mäßig niedrigen Kosten ermöglicht. Dies soll anhand von zwei Beispielen aus Biologie und Technologie aufgezeigt werden. Der Übergang von Prokaryo- ten zu Eukaryoten wird als ein Akt von Endosymbiose beschrieben. Ursprüng- lich unabhängige Organismen – die Vor- läufer der Zellorganellen Mitochondrien und Chloroplasten – finden sich in einer Eukaryoten-Vorläuferzelle inkorporiert, die einen Zellkern mit darin umschlosse- ner DNA enthält. Voraussetzung für die Entstehung der eukaryotischen Zelle war eine ausreichend hohe Sauerstoff-Kon- zentration in der Atmosphäre. Die Ver- fügbarkeit des Sauerstoffs ermöglichte, den Stoffwechselweg der oxydativen Phosphorylierung zu etablieren, die den beim Abbau von Koh- lehydraten erzielten Ener- giegewinn maximierte. Dem Übergang zum e u k a r y o t i s c h e n Leben standen also die Ressourcen in Form von billiger Energie zur Verfü- gung. Die industrielle Revolution wurde ebenfalls mit billi- ger Energie gestar- tet. Kohleabbau und die Verrichtung mecha- nischer Arbeiten mittels Dampfmaschinen ergaben einen sich selbst verstärkenden industriel- len Kreislauf, der durch die nahezu unerschöpflichen Vorräte fossiler Treibstoffe ange- heizt wurde. Rei- che Kohlelager waren die Voraussetzung für einen Kohleabbau in industriellem Maßstab, der ja hohe Investitionen benö- tigte. Reichlich vorhandene Ressour- cen scheinen also unabdingbar für alle radikalen Neuerungen zu sein, da ja die Schaffung jeder neuartigen Funktion oder Technologie Kapital erfordert. Ein „Spielzeugmodell“ für biologische Übergänge Ein einfaches mathematisches Modell für große Übergänge in der biologischen Evolution konnte mittels Computersimu- lationen erstellt werden. Es ging dabei darum, den Einfluss der Ressourcen auf das Kräftespiel von Konkurrenz und Kooperation aufzuzeigen. Das Modell ver- einigt direkte Reproduktion mit kataly- sierter Reproduktion, wie sie in Form der Symbiose auftreten. Die Simulation zeigt klar: Sind nur geringe Ressourcen vor- handen, kommt es zu natürlicher Selek- tion (also einem Optimierungsprozess). Sind dagegen Ressourcen reichlich ver- fügbar, bilden sich kooperative Systeme aus, die Voraussetzung für große biologi- sche Übergänge sind. Der vorliegende Artikel ist die gekürzte Version eines Beitrags auf scienceblog.at Der Übergang von der prokaryotischen zur eukaryotischen Zelle ist einer der großen Übergänge der Evolution.

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