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Chemiereport_2016-3

75 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.3 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG Leukämie galt immer mein Hauptinter- esse, weil es schon damals viele neue The- rapieansätze gab. Nach vier Jahren Klinik kam dann der – bisher endgültige – Switch in die Krebsforschung. CR: Gab es Mentoren, die Sie auf Ihrem Weg unterstützten? Ja, in meiner Karriere hat mich eine ganze Reihe von Mentoren unterstützt und geprägt. Während meines Postdoc am Cold Spring Harbor Laboratory in den USA hatte ich das Glück, einige berühmte Forschungspersönlichkeiten kennenzu- lernen – unter anderem auch den Ent- decker der DNA, James Watson. Die dort herrschenden flachen Hierarchien habe ich sehr zu schätzen gelernt und hautnah erlebt, wie Forschung auf Spitzenniveau läuft. Der Grundsatz lautete immer „the sky is the limit“ – nichts war unmöglich. Gefragt waren Ideen und Herzblut und nicht Titel oder Rangordnung. Mit die- sen Voraussetzungen und vielen privaten Sponsorgeldern lässt es sich natürlich gut arbeiten. Als forschender Mediziner war ich insofern sehr gefragt, als meine Forschungsinteressen immer sehr nahe an den Pati- entenbedürfnissen ausgerich- tet waren. Jedoch war immer klar, dass der Aufenthalt ein Ablaufdatum hat, auch das ist das Wesen dieser Forschungs- einrichtungen, um jungen Talenten Platz zu machen. CR: War Europa dann überhaupt noch attraktiv? Obwohl ich Angebote aus den USA hatte, war ich der amerikanischen Kultur etwas müde und wollte auch aus priva- ten Gründen wieder nach Europa zurück. Mein Chef war damals in Österreich auf einem Meeting und hat hier von meinen Forschungen erzählt. Drei Jobangebote kamen umgehend nach seiner Rückkehr. Die Entscheidung für das IMP war ein- fach, denn in Europa ist kaum ein ver- gleichbares Forschungsumfeld zu finden. Dank großzügiger Unterstützung von Boehringer Ingelheim bietet das Institut einfach alles, was ich brauche, und die Partnerschaft mit der Pharmaindustrie ist in meinem Feld ein besonderer Reiz. Daher kam ich 2011 als Group Leader nach Wien. CR: Fehlt Ihnen der Patientenkontakt? Ja! Als Arzt zu arbeiten ist eine ganz andere Erfüllung, als Forscher zu sein. Gerade in der Leukämie betreut man über viele Monate sehr unterschiedliche Cha- raktere von Patienten, trifft gemeinsam Entscheidungen und überwindet Her- ausforderungen. Für seinen Einsatz wird man täglich belohnt. In der Forschung ist das genau das Gegenteil: Oft arbeitet man über Monate oder Jahre ins Blaue hinein und weiß, dass etwa 80 Prozent der Ergeb- nisse in der Schublade landen werden. Irgendwann kommt dann ein Erfolgs- erlebnis, das ist zwar selten, aber dafür umso größer! CR: Was macht dann den Spaß an der Forschung aus? Ich habe die einzigartige Möglichkeit, als erster Mensch auf diesem Planeten etwas zu entdecken, das das Leben hier verbes- sert. Ich finde fundamentale Zusammen- hänge, die vorher keiner gesehen hat, und kann ganz neue Wege aufzeigen, wie die- ses Wissen genutzt werden kann. CR: Was zeichnet für Sie eine „For- scherpersönlichkeit“ aus? Mut, etwas auszuprobieren und sich pro- aktiv in Themen einzuarbeiten und her- auszufinden, wohin es einen zieht. In meinem Fall war das die Krebsgenetik, es gibt aber viele spannende Forschungs- felder. Um herauszufinden, ob in einem ein Forscherherz schlägt, sollte man sich unbedingt in Laborpraktika ausprobie- ren, auch wenn diese schlecht bezahlt sind. Nicht jedem macht endloses Her- umschaufeln von kleinen Mengen Flüs- sigkeit Spaß. Aber wenn beim Ein- und Ausschalten von Genen in Krebszellen die Augen ins Leuchten kommen, dann ist man sicher am richtigen Platz! Für diese Phase des „Sich Ausprobierens und Entde- ckens“ muss man sich Zeit nehmen, nicht ein paar Wochen, sondern gut ein bis zwei Jahre. CR: Haben wir in Österreich genug junge Talente? Die Grundlagenausbildung in Österreich ist sehr gut. Die Absolventen kommen mit sehr viel praktischem Vorwissen, dann kommt aber die Karrierepyramide in der Wissenschaft und die ist eng. Je wei- ter oben, desto weniger Jobs gibt es, denn die Karriereleiter ist auf einen Weg zum Laborleiter zugeschnitten, obwohl wir davon gar nicht so viele brauchen. Hier gibt es Nachholbedarf. Das Karrierever- ständnis für junge Wissenschaftler muss breiter werden, sowohl innerhalb der akademischen Forschung als auch für den Einsatz in der Industrie, im Wissensma- nagement oder in der Kommunikation. CR: Wo hat Österreich Nachholbedarf? Obwohl in meinem Gebiet, der angewand- ten Krebsforschung, in Österreich exzel- lente Labore und eine solide Basisförde- rung existieren, fehlt für dieses rasant wachsende Forschungsfeld eine Flagg- schiff-Initiative. Die USA und viele euro- päische Länder besitzen oder gründen gerade spezialisierte Krebsforschungs- zentren mit entsprechenden Investitio- nen und einer exzellenten Infrastruktur, um international schlagkräftig zu sein. In den USA wird die Krebsforschung zu einem beträchtlichen Teil auch durch private Investitionen unterstützt, was in Österreich definitiv noch ausbaufähig ist. In Europa verteilt die Politik das Geld, was den Weg in die Champions League der Forschung erschweren kann. Wir brauchen Visionäre, die sich erlauben zu denken, wo wir in 20 oder 50 Jahren sein wol- len und nicht am Ende einer Regierungsperiode. Und wir brauchen eine Gesellschaft, die Wissenschaft als ein zent- rales Kulturgut und eine Ver- sicherung für die Zukunft versteht. Es braucht Herzblut für die Wissenschaft und eine Lobby, so wie im Sport. Österreich fördert sein Potenzial im Skifahren und Skisprin- gen, warum bekennen wir uns nicht dazu, auch in der Wissenschaft Weltmeister werden zu wollen? Letztlich wären wir schon einen großen Schritt weiter, wenn wir nur ein Viertel des Geldes, das kürz- lich in Finanzskandalen versenkt wurde, in Wissenschaft investieren. CR: Derzeit ist aber dennoch die Stim- mung in der Krebsforschung sehr positiv? Ja, durch neue experimentelle Methoden ist in der Krebsforschung gerade eine Revolution im Gange. Für Krebsforscher fühlt es sich so an, als würde gerade ein „Manhattan-Projekt“ wie in den 40er-Jah- ren in der Nuklearforschung beginnen. Obwohl wir erst am Anfang stehen, sind erste wirklich bahnbrechende Erfolge bereits in der Klinik angekommen. Durch neue, zielgerichtete Medikamente, die Krebs- oder Immunzellen angreifen, kön- nen heute einige Krebsarten geheilt wer- den, die vor wenigen Jahren noch ein Todesurteil bedeuteten. Solche Erfolge sind natürlich ein riesiger Ansporn, und neue experimentelle Methoden erlauben uns nun, noch intensiver nach weiteren Angriffspunkten für solche zielgerichte- ten Therapien zu suchen. Eine große „Wir brauchen eine Gesellschaft, die Wissenschaft als ein zentrales Kulturgut und eine Versicherung für die Zukunft versteht.“

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