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Chemiereport_2016-4

73 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.5 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG Bild: iStockphoto.com/Plougmann ckelt, um das vorhandene Lichtangebot zur Energiegewinnung nutzen zu können. Stürzt aber einmal ein Regenwaldriese um, fällt plötzlich viel Licht auf den Farn, der zu verbrennen droht. Der Interferenz-Mechanismus schützt ihn davor. Auch Schmetterlinge Südostasiens wie der Atlasspinner oder der malaysische „Nationalfalter“ Trogonoptera brookiana zeigen das Phänomen der irisierenden Farben. Sie changieren zwischen Rotbraun und Gelb oder zwischen Schwarz und Grün, keine dieser Farben ist aber „echt“, also auf Farbstoffe oder Pigmente zurück- führbar: Zerreibt man einen Schmetterling zu Pulver, bleibt nur ein farbloses Häufchen zurück. Grundlegendes Verständnis, grund- legendes Umdenken Biomimetische oder bionische Ansätze in der Technik neh- men sich derartige Bauprinzipien zum Vorbild. Im vergangenen Jahrzehnt sind solche Vorstöße sehr viel häufiger geworden, wie Gebeshuber erzählt: „Das hat damit zu tun, dass man erst seit kurzem versteht, welche Nanostrukturen in Lebewesen zur Anwendung kommen.“ Der Erfinder des Klettverschlusses, Geor- ges de Mestral, war einer der ersten, die sich von der Funktiona- lität eines biologischen Systems inspirieren ließ. Die Anwendung des Lotoseffekts, bei dem man sich an der geringen Benetzbar- keit der gleichnamigen Pflanze orientiert, ist ein weiteres bekanntes Beispiel. Für Gebeshuber hat die Beschäftigung mit Bionik aber eine weiter reichende Dimension: „Wir stehen knapp vor dem Kipppunkt des Umweltsystems, beobach- ten derzeit ein, vom Menschen verursach- tes Massenaussterben.“ Die Physikerin sieht eine der Ursachen dafür in der res- sourcenverschwendenden Art, mit der man in der Technik bislang mit Materia- lien umgegangen ist: „Die Grundmateri- alien werden irgendwo gewonnen, über weite Strecken trans- portiert, in Fabriken verarbeitet, die erzeugten Waren wieder transportiert, und nach der Verwendung aufwendig entsorgt.“ Lebewesen würden dagegen alles, was sie benötigen, ihrer unmittelbaren Umgebung entnehmen, die Strukturen ausge- hend von kleineren Bausteinen (also „bottom-up“) aufbauen und nichts übrig lassen, was nicht selbst wieder für die Biosphäre von Wert wäre. Gerne zitiert Gebeshuber in diesem Zusammen- hang ein Wort Albert Einsteins, um die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Technik zu charakterisieren: „Pro- bleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Bionische Ansätze können dabei von verschiedener Art sein: In der problembasierten Biomimetik geht man von einem tech- nischen Problem aus, geht zu den Biologen und fragt, wie Lebe- wesen ein solches Problem lösen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Minimierung des Strömungswiderstands von Flugzeug-Tragflä- chen, bei der man sich die „Winglets“ (nach oben verlängerte Außenflügel an den Enden der Tragflächen) bei großen Vögeln abgeschaut hat. In der lösungsbasierten Biomimetik hingegen spielen die Wissenschaftler mit dem herum, was sie in der Natur finden. Das Lotosblatt beispielsweise ist nicht glatt, sondern besteht aus Strukturen, bei denen Nanokegel auf Mikrokegel sitzen. Auf diese Weise entstehen Rinnen, in denen sich Wasser sammeln und ablaufen kann. Von Materialien, Strukturen und Prozessen In ihrer eigenen Forschungsarbeit lässt Gebeshuber die Anre- gungen aus der Biologie in Entwicklungen aus drei verschie- denen Bereichen einfließen: Materialien, Strukturen und Pro- zesse. Für alle drei Bereiche stellte die Forscherin Beispiele in ihrem Vortrag vor. Im Bereich der Materialien könnte beispiels- weise das Konzept des „Phytomining“ (wörtlich des „Bergbaus mit Pflanzen“) Anwendung finden: „Es gibt Pflanzen, für die Schwermetalle nicht giftig sind. Sie akku- mulieren diese, um sich vor Fressfeinden zu schützen“, so Gebeshuber. Derartige Arten könnten der Entgiftung Schwer- metall-belasteter Böden dienen. Ebenso ist es möglich, Pflanzen zur Herstellung von Nanopartikeln zu verwenden, wie sie etwa als Additive für Schmiermittel ver- wendet werden. Einen Anwendungsfall biomimeti- scher Strukturen hat Gebeshuber sich von den malaysischen Schmetterlingen abge- schaut, die die Temperatur an der Oberfläche zwischen engen Grenzen halten können. „Davon kann man für die Entwicklung von Autolacken und die Beschichtung von Gebäuden lernen“, so Gebeshubers Vision. Eine von ihr betreute Doktorandin hat wiederum daran gearbeitet, von jenen Nanostrukturen, die beim Schmetterling für irisierende Farben sorgen, ein Negativ abzu- nehmen und auf andere Oberflächen zu stempeln. Im Bereich der Prozessentwicklung schließlich sind Kieselalgen das große Vorbild der Physikerin, die bei gewöhnlichen Umgebungstempe- raturen glasartige Strukturen erzeugen können, die noch dazu funktional geformt sind. „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Albert Einstein Die irisierenden Farben des Atlasspinners kommen durch Nano- strukturen an der Flügeloberfläche zustande.

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