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Chemiereport_2016-4

75 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.5 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG Bild: www.cresst.de am Himmel zeigen, ganz so, wie man heutzutage tatsächlich Planeten in fernen Sonnensystemen entdeckt. Eine zweite Mög- lichkeit ist, dass die Gravitation selbst auf astronomischen Ska- len anderen Gesetzen unterliegt, als wir sie auf der Erde und im Sonnensystem beobachten. Während eine (sehr schwache) Modifikation in der Tat theoretisch bestehen könnte, kann man heute eine hinlänglich stark modifizierte Gravitationstheorie als Ursprung für das augenscheinliche Phänomen der fehlenden Masse mit ziemlicher Sicherheit ausschließen. Die einzige überzeugende Lösung des Problems der fehlenden Masse liegt in der Form  noch unentdeckter Teilchenarten. Trotz der Vielzahl astronomischer Beobachtungen sind uns bis dato die konkreten teilchenphysikalischen Eigenschaften weitgehend unbekannt. Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass Dunkle Materie, wenn überhaupt, nur sehr schwach elektromagnetisch wechselwirkt – ansonsten würde sie Licht aussenden, wir hät- ten sie bereits beobachtet, und sie wäre nicht „dunkel“. In der Tat gibt es aber guten Grund zur Annahme, dass dieser uns noch verborgene Sektor mit „uns“, dem sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik, wechselwirkt. Dieser Grund ist unter ande- rem kosmologisch motiviert. Das Verhältnis 1:5 aus beobachtbarer und dunkler Materie deu- tet darauf hin, dass dunkle und normale Materie im frühen, hei- ßen Universum im engen Wechselspiel agiert haben. Das würde bedeuten, dass selbst, wenn man mit einem Universum ohne Dunkle Materie beginnt, diese sich durch Kollisionen von Stan- dardmodellteilchen wie von selbst erzeugt. Theoretische Teil- chenphysiker haben Modelle entwickelt, die die Entstehung des Verhältnisses 1:5 im Zuge der weiteren Ausdehnung des Univer- sums erklären können. Sie beruhen auf Teilchensorten mit einer Masse, die ein Vielfaches der Masse von Wasserstoff ausmacht. Die Erwartungshaltung der Theoretiker zur Masse und nicht-gra- vitativen Wechselwirkung der Dunklen-Materie-Teilchen lässt gleichzeitig das Herz der experimentellen Teilchenphysiker höherschlagen, weil sie die Möglichkeit zum experimentellen Nachweis im Labor und damit zur Entschlüsselung einer der ungelösten Fragestellungen der modernen Teilchenphysik öff- net. Experimente zur Suche nach Dunkler Materie Es gibt zwei prinzipielle Methoden, die die experimentelle Suche nach Dunkler Materie im Labor dominieren. An beiden ist das Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aktiv beteiligt. Der erste Ansatz versucht, Dunkle Materie am Large Hadron Collider (LHC) des CERN in Genf – ähn- lich wie im frühen Universum – durch hoch- energetische Kollisionen von Protonen zu erschaffen. Die Teilchen der Dunklen Mate- rie können zwar nicht direkt beobachtet werden, das augenscheinliche Energieun- gleichgewicht sowie die Beiprodukte in der Produktion liefern aber genügend Informa- tion, um einen Rückschluss auf die Natur der erzeugten Teilchen zu ziehen. Die zweite experimentelle Methode ver- sucht, jene Teilchen der Dunklen Materie, die unsere Galaxie wie eine homogene Wolke füllen (den sogenannten „Halo“), direkt zu beobachten. Aus der Bewegung von Sternen um das Zentrum der Milch- straße sowie einer Vielzahl anderer Beobachtungen können wir heute relativ genau auf die durchschnittliche lokale Massen- dichte Dunkler Materie rückschließen. Pro Kubikzentimeter ent- spricht diese ca. einem Drittel der Masse eines Protons. Ständig werden wir – und unsere Detektoren – also durchdrungen von einer Vielzahl sehr schwach wechselwirkender Teilchen. Die direkte Suche nach Dunkler Materie stellt dennoch eine experimentelle Herausforderung dar. Man hält dabei Ausschau nach Rückstoßstreuprozessen an den Atomkernen des Detek- tors. Dieser Prozess ist extrem selten, und diese Experimente operieren daher in Untergrundlabors, abgeschirmt von kosmi- scher Strahlung. Experimente, Modelle und Erwartungen Aufgabe der theoretischen Teilchenphysik ist es, Modelle zur Dunklen Materie zu entwickeln, die sich einerseits in die kosmo- logischen Messungen einreihen und sich andererseits im Expe- riment oder in astrophysikalischen Beobachtungen überprüfen lassen. Theoretiker treffen Vorhersagen für die angesprochenen Experimente, verbinden die verschiedenen Stoßrichtungen oder arbeiten deren Komplementarität heraus bzw. suchen nach völ- lig neuen Signaturen und Nachweismöglichkeiten. Die Erwartungshaltung der Experten im Feld geht heute so weit, dass man sich ein definitives Signal in den nächsten zwei Dekaden erhofft. Die Erwartung gründet u. a. auf einer Erklä- rung der möglichen Entstehungsgeschichte der Dunklen Materie im frühen Universum, auf einer möglichen Auflösung einer noch unverstandenen Hierarchie zwischen fundamentalen in der Natur beobachteten Massenskalen (genannt seien die Stichworte „Hierarchieproblem“ und „Supersymmetrie“) und nicht zuletzt auf dem signifikanten experimentellen Fortschritt. Das Spektrum an Möglichkeiten zur Teil- chennatur der Dunklen Materie ist breit. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Lösung dieses Jahrhundert-Problems der fehlen- den Masse im tiefen Zusammenhang zwi- schen Astrophysik, Kosmologie und funda- mentaler Teilchenphysik zu finden ist. Die Entschlüsselung der mikrophysikalischen Eigenschaften Dunkler Materie wäre ein Erkenntnisgewinn von monumentaler Signi- fikanz. Abgesehen von den technologischen Ent- wicklungen, die die experimentelle Suche abwirft, wäre ein besseres Verständnis der dominierenden Form der Materie auch einfach ein Kulturgut. Der vorliegende Artikel ist die gekürzte Version eines Beitrags auf scienceblog.at 5 % Atome 26 % dunkle Materie 69 % dunkle Energie Die Rezeptur des Universums Das Institut für Hochenergiephysik ist mit dem CRESST-Experi- ment an der direkten Suche nach Dunkler Materie beteiligt.

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