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Chemiereport_2016-4

(K)ein Generikum Der Gesetzgeber unterscheidet also zwischen Generika einerseits und Bio- similars andererseits: Für Biosimilars gelten strengere Zulassungs- vorschriften, denn klinische Prüfungen muss der Bewerber für eine Marktzulassung eines Generikums nicht vorlegen. Damit trägt der (europäische und in Umsetzung der öster- reichische) Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass Bio- pharmazeutika in der Regel nicht – jeden- falls nicht prima vista – das Kriterium der gleichen qualitativen und quantitativen Zusammensetzung erfüllen. Diese Differenzierung zwischen Gene- rika und Biosimilars zieht sich allerdings nicht durch sämtliche Aspekte eines Arz- neimittellebens. Unberücksichtigt sind Biosimilars etwa in der Kostenerstattung. Ein großer Teil der in Österreich vertrie- benen Arzneimittel kommt in den Genuss des Kostenersatzes durch die Kranken- kassen. Alle Arzneimittel, deren Kosten ersetzt werden, sind im Erstattungskodex des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gelistet. Für die Aufnahme eines zu einem bereits im Erstattungskodex gelisteten Arzneimit- tel wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts muss dieses mindestens 48 Prozent bil- liger als das bereits im Erstattungskodex geführte Originalpräparat sein. Was aber ist ein „wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt“? § 351c Abs. 10 ASVG nennt zur Erläuterung dazu in Klammer das Wort „Generikum“. Wer nun glaubt, dass ein „wirkstoffgleiches Nachfolge- produkt“ ganz einfach ein Generikum sei, der hat die Rechnung ohne den Verfas- sungsgerichtshof gemacht. Dieser sieht die Sache (in seinem Erkenntnis vom 24.9.2014 zu B223/2012) nämlich diffe- renzierter: Dass Biosimilars und Gene- rika unterschiedlich zugelassen werden, bedeute nicht notwendigerweise, dass sie immer etwas Verschiedenes sein müssten (was freilich nicht ausschließt, dass sie etwas Verschiedenes sein können). Wegfall der Entwicklungskosten? Für die Frage des Kostenersatzes soll sich lediglich der wirtschaftliche Vorteil, der sich aus dem Wegfall der Entwick- lungskosten ergibt und der es nach Ablauf eines Patentschutzes auch anderen als dem Vertreiber des Referenzarzneimittels ermöglicht, den betreffenden Wirkstoff wesentlich kostengünstiger herzustellen, auch auf den Preis auswirken. Ein solcher Vorteil träte bei der Erzeugung „wirkstoff- gleicher Nachfolgeprodukte“ unabhängig davon ein, ob es sich um ein Generikum im technischen Sinn oder um ein „völlig baugleiches Nachfolgeprodukt des Patent- inhabers“ oder um ein „(allenfalls auch nur ausnahmsweise) wirkstoffgleiches Biosimilar“ handelt. Ob bei der Herstellung eines Biosimi- lars derselbe Kostenvorteil eintritt, wie bei der Herstellung eines Generikums, darf – nicht zuletzt im Hinblick auf die aufgezeigten regulatorischen Unter- schiede – durchaus kritisch hinterfragt werden. Diese Frage soll bei der GEIST- WERT-Diskussionsveranstaltung „Biosi- milar zwischen Original und Generikum – Recht, Chemie, Politik“ gestellt werden. Die Ankündigung der Diskussion finden Sie auf Seite 31. Sachgerechter Vorteil? Immerhin lässt sich aus dem Erkennt- nis des VfGH auch ableiten, dass ein Bio- similar zwar ein wirkstoffgleiches Nach- folgeprodukt sein kann, es aber kein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt sein muss. Allerdings: Bei gleicher Wirksam- keit und Darreichungsform und Fehlen eines zusätzlichen therapeutischen Nut- zens im Verhältnis zum Referenzarznei- mittel kommt es laut Gerichtshof entschei- dend darauf an, ob sich aus der Aufnahme in den Erstattungskodex ökonomische Vorteile für das Sozialversicherungs- system ergeben. Es liegt freilich auf der Hand, dass die Vorteile für das Sozialversicherungssystem keine Entscheidungsgrundlage dafür bieten können, ob ein höherer oder niedrigerer Preis eines Arzneimittels gerecht- fertigt wäre. Denn dann wäre denklogisch immer der nied- rigere Preis zu wählen. Was aber gilt nun? Analysiert man die Erwä- gungen des Verfassungsgerichtshofs, kris- tallisieren sich vier Aspekte heraus: Der Unterschied zwischen Biosimilar und Generikum reicht aus, um für Biosimilars ein aufwendigeres (= teure- res) Zulassungsverfahren zu verlangen. Trotz dieser Unterschiede können Biosimilar und Referenzarznei gleiche therapeutische Effekte haben. Bei gleichen therapeutischen Effekten soll sich der wirtschaftliche Vorteil, den der Generikaanbieter aus dem Wegfall der Entwicklungskosten haben soll, zugunsten der Sozialversicherungsträ- ger auf den Preis auswirken. Entscheidend soll aber der ökonomi- sche Vorteil für das Sozialversiche- rungssystem sein. Den Sozialversicherungsträgern sollen also die Kostenvorteile des Generikums, die das Biosimilar nicht (oder zumindest nicht in gleichem Maße) hat, zugutekom- men. Vor allem vor dem Hintergrund der literarischen Auseinandersetzung der Juristen der beteiligten Kreise, der ver- wendeten Rohstoffe, Herstellungsverfah- ren, Zulassung samt klinischer Tests und schließlich der Pharmakovigilanzanfor- derungen muss man sich fragen, ob dies sachgerecht ist. „Biosimilars sind in der Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger nicht berürcksichtigt.“ Bild: iStockphoto.com/neyro2008 30 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.6 MÄRKTE & MANAGEMENT

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