18 MÄRKTE & MANAGEMENT chemiereport.at AustrianLifeSciences 2021.1 qualifizierte Leute. Durch die Digita lisierung und die Entwicklung in der che mischen Industrie selbst sind die Anfor derungen massiv gestiegen. Und wir als Fachverband unterstützen die Ausbil dungsbestrebungen sehr, schon vom Kin dergarten an. CR: Wie sieht es mit den Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Branche für heuer aus? Der VCI rechnet mit einem Umsatzwachstum um rund 2,5 Prozent und einem Produktionswachstum um rund 1,5 Prozent. Culik: Das ist eine Hoffnung, aber keine ernst zu nehmende Vorschau. Ich bin optimistischrealistisch. Wenn es gelingt, die Pandemie im ersten Halbjahr in den Griff zu bekommen, kann man von einem Wachstum im niedrigen, einstelligen Pro zentbereich ausgehen. Zu beachten ist: Die chemische Industrie exportiert rund 70 Prozent ihrer Erzeugnisse. Und in Deutsch land, unserem wichtigsten Auslandsmarkt, herrscht große Unsicherheit. Das dürfen wir nicht vergessen. CR: Die vergangenen vier Jahre waren nicht zuletzt durch den Handelskonflikt mit den USA geprägt. Was erwartet der FCIO von der neuen US-Regierung? Culik: Trump hat dem Welthandel sicher geschadet. Die Fronten zwischen den USA und Europa sind verhärtet. Biden hat das Bestreben, da etwas zu ändern, das Verhält nis zu allen Partnern zu verbessern. Auch er wird sagen: America first. Aber er geht das anders an. Er will dem Pariser Klimaab kommen wieder beitreten, was ganz wich tig ist, er will auch anderen Abkommen und Organisationen wieder beitreten. Trump ist ja überall ausgetreten, wo es ging. Biden hat diese komplett negative Haltung gegenüber der übrigen Welt offenbar nicht. Hofinger: Und ich erwarte mir von Biden auch mehr Rationalität, Verlässlich keit und Planbarkeit. CR: Mit Jahresende wurde der Brexit vollzo- gen. Was hat sich dadurch für die FCIO-Mit- glieder geändert? Hofinger: Wir sind sehr erleichtet, dass es ein Abkommen gibt. Das hat viele offene Fragen geklärt und das größte Chaos ver hindert. Großbritannien ist nicht der wich tigste Handelspartner der österreichischen Chemieindustrie. Soweit wir sehen, haben sich die betroffenen Unternehmen gut vorbereitet. Momentan gibt es keine gro ßen negativen Auswirkungen. Erste Rück meldungen über Verzögerungen beim Zoll haben wir aber schon erhalten. Was sich längerfristig ergibt, wird sich zeigen. Ich glaube, die britischen Firmen werden deutlich massiver und negativer betroffen sein als die EUFirmen. CR: Herr Culik, Sie stellen sich demnächst der Wiederwahl zum Fachverbandsob- mann. Was sind Ihre wichtigsten Anliegen für die kommenden Jahre? Culik: Dazu habe ich bereits einige Punkte erwähnt. Wir haben den Green Deal, wir haben das schärfere Klimaziel, die EUKommission plant eine Vielzahl von Rechtsakten, bei denen wir unbedingt unsere Interessen wahren müssen. Es gibt den Pollution Action Plan, es wird Ver änderungen im Chemikalienrecht geben, bei REACH, bei der CLPVerordnung, bei den UFICodes, bei Kosmetika, Bioziden, beim Umweltschutz, Arbeitsschutz und bei der Kreislaufwirtschaft, beim chemi schen Recycling, bei der Arzneimittelstra tegie und vielen anderen Themen. Das Ziel des FCIO ist ein attraktiver nachhalti ger Standort für die chemische Industrie. Wir haben bei der Coronakrise gesehen, wie unverzichtbar die Lösungskompe tenz unserer Branche ist: Desinfektions mittel, Medikamente, Gummihandschuhe, Schutzmasken, Seifen, Vliese, Lebensmit telverpackungen, auch die Impfung – alles das liefert die chemische Industrie. Wir hoffen, dass wir 2021 zu einer Art Nor malität zurückkommen. Wir müssen für Rahmenbedingungen sorgen, unter denen die Branche ihre volle Innovationskraft beweisen kann. Und wir müssen diese Leistungen kommunizieren. Wir müssen bei den richtigen Empfängern Gehör für unsere Botschaften finden. Aber das wer den wir hinbekommen. CR: Wie kommentiert der FCIO die in Finalisierung befindliche Bioökonomie strategie? Hofinger: Prinzipiell ist das ein zukunfts trächtiges Thema. Auch wir versuchen, soweit es möglich ist, biobasierte Ressour cen zu verwenden. Man muss nur bei der Ausgestaltung aufpassen. Der Teufel liegt im Detail. Wir wollen nicht, dass es zur Abkehr von Marktmechanismen kommt, sondern marktbasierte Ansätze und Lösungen. CR: Voraussichtlich noch im ersten Quartal will die Bundesregierung wichtige ener- gie- und klimapolitische Weichenstellun- gen vornehmen bzw. wenigstens einleiten – Stichwort Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Stichwort Klimaschutzgesetz, Stich- wort Energieeffizienzgesetz. Was sind die wesentlichsten Anliegen des FCIO in dieser Hinsicht? Hofinger: Die sind unverändert: Bei der Energieeffizienz brauchen wir weniger Bürokratie und mehr Anreize. Die Firmen machen ihre Hausaufgaben in diesem Bereich ohnehin. Beim EAG gilt es, den Deckel für die Ökostromkosten beizube halten. Letzten Endes geht es beim ganzen Energiekomplex darum: Wir brauchen Energie zu leistbaren, wettbewerbsfähi gen Preisen, und das heißt, so viel Markt wie möglich. CR: Wie steht der FCIO zur geplanten CO2-Bepreisung? Hofinger: Sinnvoll wäre, eine solche Bepreisung weltweit oder wenigstens EUweit einzuführen, damit es zu keinen Wettbewerbsnachteilen für österreichi sche Unternehmen kommt. Außerdem sind Doppelbelastungen zu vermeiden: Unternehmen, die bereits am Emissions handel teilnehmen, sollen nicht zusätzlich einen CO2Preis bezahlen müssen. CR: Ebenfalls angekündigt hat die Bundes- regierung ein Pfandsystem für Plastik- flaschen. Wie steht der FCIO dazu? Culik: Es ist wichtig, an den richtigen Stell schrauben zu drehen. Die Recyclingquote bei Plastikgebinden liegt bei 25 Prozent. Um sie zu erhöhen, ist der Ausbau der Sammel und Sortiersysteme erforderlich. Die aktuellen Abfallwirtschaftssysteme können eine ausreichende Versorgung der Kunststoffproduzenten mit Rezyklat in der notwendigen Qualität nicht gewährleis ten. Vor allem der Abfall der Konsumenten findet selten den Weg in den Kunststoff kreislauf. Das Thema Pfand ist sicher ein Ansatz, um das in die richtige Richtung zu lenken. Dafür gibt es auch Beispiele in Europa. Hofinger: Die Suche nach einer Lösung für das Recyclingproblem darf nicht in einen Glaubenskrieg ausarten. Das Ziel ist, so viel Kunststoff wie möglich in den Kreislauf zu bekommen. Durch ein Pfand bekommt man größere Mengen in höhe rer Qualität. Wir wollen andere Branchen nicht schädigen. Aber die Frage ist: Wel che intelligenten Systeme gibt es, um diese hohen Quoten in Österreich zu realisie ren? CR: Was erwarten Sie sich vom neuen Arbeitsminister Martin Kocher? Seine Sachkompetenz gilt als unbestritten, sein politisches Gewicht nicht. Hofinger: An politischen Profis mangelt es in der Regierung nicht. Es ist sicher eine gute Ergänzung, nun einen ausgewiese nen Experten im Bereich Ökonomie in der Regierung zu haben. Und Kocher wird das politische Handwerk wahrscheinlich sehr schnell erlernen. Culik: Kocher sagte, man habe ihn gefragt, ob er in Zeiten der Krise helfen kann. Und er will hier helfen. Ich nehme ihm das hundertprozentig ab. Ich glaube auch nicht, dass er ewig in der Politik blei ben will. Jetzt ist Fachexpertise gefragt. Wir brauchen jemanden, der die Kuh vom Eis holt.