getragene Forschungseinheit – das Prin- zip der thematischen Offenheit habe sich hier bewährt: „Die Firmen sagen, was sie brauchen und erhalten dafür international begutachtete Forschung.“ Enzym, Cellulose, Verfahrenstechnik Auf Basis der Expertise der im JR-Zen- trum zusammenwirkenden wissenschaft- lichen Partner konnte ein weitreichendes Forschungsprogramm formuliert werden. Georg Gübitz, Leiter des BOKU-Departments für Agrarbiotechnologie IFA-Tulln, hatte bereits im Vorgängerprojekt seine Exper- tise auf dem Gebiet der Enzymtechnologie eingebracht. „Mit Enzymen hat man die Chance, die unterschiedlichen Polymere, die sich in Textilien finden, voneinander zu tren- nen“, erklärt Gübitz die Grundidee. Die For- schungsgruppe kann dabei aus einer ganzen Reihe sogenannter Cellulasen wählen, die Cellulose unter verschiedenen Bedingungen in unterschiedlichen Bereichen spalten. Eine perfekte Ergänzung dazu stellt das Forschungsgebiet des Teams von Tho- mas Rosenau dar, den Schimper einlud, zum Konsortium dazuzustoßen. Rosenau, Leiter des ebenfalls in Tulln angesiedel- ten Instituts für Chemie nachwachsender Rohstoffe der Universität für Bodenkultur, ist ausgewiesener Spezialist für Cellulose- chemie; an seinem Institut hatte Schimper einst dissertiert. In ReSTex will er vor allem zwei neue Aspekte hineinbringen: Zunächst sollen die Veränderungen charakterisiert werden, die mit der enzymatischen Einwir- kung auf die Celluloseketten der Baumwolle einhergehen. „Es gibt zwei Typen von Reak- tionen, die bei einem solchen Verfahren ablaufen: Die Hydrolyse der Celluloseketten und die Oxidation ihrer funktionellen Grup- pen“, so Rosenau. Mit geeigneten spektro- skopischen Methoden sollen die genauen Vorgänge untersucht und Sollbruchstellen ausfindig gemacht werden. Hintergrund für Letzteres ist der zweite Aspekt, auf den sich die Gruppe konzentrieren will: „Unser Ziel ist, das Biopolymer nicht völlig abzu- bauen, sondern kürzere Ketten zu erhalten, wie sie beispielsweise beim Spinnen von Cellulosefasern ohnehin benötigt werden.“ Dabei kann man an seinem Institut bereits auf Know-how in der IR- und Ramanspekt- roskopie und eine umfangreiche Datenbank zu Spektren von Celluloseprodukten unter- schiedlicher Oxidationsgrade zurückgreifen. Mit Fördermodellen der Christian-Doppler- Forschungsgesellschaft ist Rosenau schon lange vertraut: Gemeinsam mit seiner Frau Antje Potthast leitete er das CD-Labor für Moderne Cellulosechemie und -analytik, im Sommer 2023 hat das CD-Labor für Cellu- lose-Hightech-Materialien seine Arbeit auf- genommen, dem sein Mitarbeiter Hubert Hettegger vorsteht. Dritter im Bunde der universitären Partner ist Andreas Bartl vom Institut für Verfahrens- technik, Umwelttechnik und technische Bio- wissenschaften der TU Wien. Seine Aufgabe ist es, die erarbeiteten Verfahren in einen großtechnischen Maßstab überzuführen. „Für kleine Mengen konnten wir das schon im Projekt Tex2Mat zeigen. Darauf können wir jetzt aufbauen“, sagt Bartl. Der Tonnenmaß- stab sei der Industrie vorbehalten, aber Reak- toren bis zu 60 Litern könne man an der TU beherrschen. „Es geht darum, in diesem Maß- stab die Parameter festzulegen, die für das weitere Scale-up entscheidend sind“, so Bartl. Spiel mit allen Karten In Schimpers Team an der FH, das auch die Kompetenzen an den Standorten Wiener Neustadt und Wieselburg nutzen wird und für das bereits einige kompetente Mitarbeiter gewonnen werden konnten, laufen die Fäden zusammen. „Im Sinne eines Circular Design wollen wir uns auch ansehen, welche Mate- rialtypen besser für geschlossene Kreisläufe geeignet sind und eine umfassende Life-Cy- cle-Analyse darauf aufbauen“, sagt Schim- per. Das ist auch für die Beherrschung der Recyclingverfahren erforderlich. „Die Recy- cler wissen oft nicht, worum es sich eigent- lich genau bei dem Material handelt, das sie hereinbekommen“, zeigt Bartl auf. „Dass mit Salesianer ein Partner als Materialgeber im Projekt dabei ist, der weiß, welches Mate- rial er im Einsatz hat, ist ein großer Vorteil“, meint Pechhacker. Salesianer wiederum unterstützt mit dem Projekt seine Nachhal- tigkeitsstrategie, für die Mathias Nell verant- wortlich ist: „Geschlossene Kreisläufe helfen uns, unsere Klimaziele einzuhalten.“ Erema und Starlinger stehen in man- chen Märkten durchaus in einem Konkur- renzverhältnis zueinander. Dem hat man im JR-Zentrum Rechnung getragen: „Es handelt sich hier eindeutig um vorwettbewerbliche Zusammenarbeit“, stellt Kamleitner klar, „der Markt dafür muss ja erst aufgebaut werden.“ Schimper bestätigt das: „Beide Fir- men haben sich in der Anbahnung des Pro- jekts sehr flexibel gezeigt. Wir konnten das Programm so aufbauen, dass sich die wirt- schaftlichen Interessen nicht in die Quere kommen.“ Beide Unternehmen haben Zugriff auf die Ergebnisse des Basisprojekts und bauen spezifische Module darauf auf, deren Früchte nicht untereinander geteilt werden. Bezüglich der derzeitigen Marktsituation gibt sich Angelika Huemer keinen Illusionen hin: „Die große Frage ist, ob der Markt bereit ist, die Kosten, die mit dem Recycling von Textilien verbunden sind, zu tragen.“ Und Pechhacker ergänzt: „Wir können aus ande- ren Bereichen lernen, dass es ohne politi- sche Vorgaben nicht gehen wird.“ Schimper nimmt das als Ansporn: „Im Projekt liegt es an uns, dass wir wettbewerbsfähig sind.“ DAS PROJEKT Im Josef-Ressel-Zentrum für Verwertungs- strategien für Textilien (ReSTex) am Bio- tech-Campus Tulln der Fachhochschule Wiener Neustadt haben sich Unternehmen der Textil- und Recyclingindustrie mit For- schungspartnern zusammengefunden. Im Rahmen eines fünfjährigen Forschungspro- jekts konzentrieren sich die Anstrengungen darauf, die Recyclingquote von Kleidungsstü- cken zu steigern und innovative Lösungen für die schonende Trennung von Baumwoll- Polyester-Mischgeweben zu analysieren. Fördergeber: Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft Forschungspartner: FH Wiener Neustadt (BiotechCampus Tulln, Campus Wieselburg), Universität für Bodenkultur Wien (Department für Agrar- biotechnologie IFA-Tulln, Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe), Technische Universität Wien (Institut für Verfahrens- technik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften) Unternehmenspartner: Salesianer Miettex GmbH, Starlinger & Co GmbH, Erema Engineering Recycling Maschinen und Anlagen GmbH DER ECOPLUS TECHNOPOL TULLN Technopole sind Zentren, die Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft an einem Standort Synergien schaffen lassen. Mit mehr als 1.200 F&E-Arbeitsplätzen zählt der Techno- pol Tulln zu den international anerkanntes- ten Forschungszentren im Bereich bioba- sierte Technologie. Mit seinem vielfältigen Angebot schafft er die idealen Vorausset- zungen für verschiedene Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die bioba- sierte Technologien im Fokus haben. Seit Anfang 2023 vergrößert das Haus der Digi- talisierung als Veranstaltungszentrum und Leuchtturmprojekt der Digitalisierung die Angebotspalette noch weiter. Studiengänge der FH Wiener Neustadt am Campus Tulln Bachelor: Biotechnische Verfahren, Softwaretechnik & Digitaler Systembau Master: Bio Data Science, Biotechnology & Analytics Ansprechpartner: DI (FH) DI Angelika Weiler ecoplus Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH Technopolmanagerin Tulln, Technopark 1, 3430 Tulln Tel.: +43 664 848 26 71 A.Weiler@ecoplus.at