Österreichische Chemietage 2017

Chemie schafft Verbindungen

Die „Österreichischen Chemietage“, die von 25. bis 28. September an der Uni Salzburg stattfinden, haben sich heuer gleich mehrere Brückenschläge zum Ziel gesetzt: zu benachbarten Disziplinen, vom Jungchemiker zum erfahrenen Forscher und von der universitären Forschung zur Industrie.

Bidl: Universität Salzburg/Scheinast
Die naturwissenschaftliche Fakultät der Uni Salzurg ist Gastgeber der diesjährigen Österreichischen Chemietage

Die Österreichischen Chemietage, die im Zwei-Jahres-Rhythmus von der „Gesellschaft österreichischer Chemiker“ (GÖCH) veranstaltet werden, sind als Leistungsschau der heimischen Universitätschemie fest im akademischen Geschehen verankert. Turnusmäßig an einem der österreichischen Universitätsstandorte ausgetragen, wird das Programm auch stets von den wissenschaftlichen Schwerpunkten des Veranstaltungsorts mitgeprägt. Mit Salzburg ist in diesem Jahr eine Stadt an der Reihe, an der gar kein eigenes Vollstudium der Chemie angeboten wird. „Dennoch ist hier eine Reihe bekannter Chemiker tätig, deren Forschungen wichtige Pfeiler der Materialwissenschaften oder der Molekularen Biologie sind“, sagt dazu Nicola Hüsing, selbst Professorin für Materialchemie und Vorsitzende des „Scientific Committee“, das für die inhaltliche Gestaltung der diesjährigen Chemietage verantwortlich zeichnet. Dieser Umstand ist vielleicht mit ein Grund dafür, dass an der Uni Salzburg eine besonderes Gespür für die gegenwärtige Bandbreite chemischer Forschungen und ihre Verbindungen zu benachbarten Disziplinen besteht. „Wir haben uns in unserer Schwerpunktsetzung von dem Gedanken leiten lassen, dass Chemie ein Querschnittskonzept für zahlreiche Aktivitätsfelder ist – von den Lebenswissenschaften bis zum Design neuartiger Materialen“, erklärt Oliver Diwald, der Mitglied des Scientific Committee und einer der Vizepräsidenten der GÖCH ist. Dies komme im Motto „Chemie schafft gute Verbindungen“ in schönem Doppelsinn zum Ausdruck. „Es gibt ja Leute, die der Meinung sind, dass die klassischen naturwissenschaftlichen Fächer obsolet sind und durch neue Studienrichtungen ersetzt werden sollten“, so Diwald, der in dieser Sache ganz anderer Meinung ist: „Wir denken, dass die kanonische Chemie weiter gelehrt werden muss, weil sie unverzichtbares Wissensgut liefert, ohne das die gegenwärtigen Herausforderungen nicht zu bewältigen sind.“

 

Schwerpunkte zu Materialforschung und Bioanalytik

Dem Scientific Committee fiel die Aufgabe zu, die eingereichten Vorträge und Posterbeiträge in thematisch miteinander verbundenen Sessions zu gruppieren und durch die Einladung von Plenarreferenten besondere Akzente im Programm zu setzen. Die Schwerpunkte des Forschungsstandorts Salzburg und die Reputation ihrer Vertreter zogen in diesem Jahr eine große Bandbreite an Themenvorschlägen an. Eigene Vortragsstränge werden sich beispielsweise mit „Chemie und Energie“ und dem weiten Feld neuartiger Materialien, beispielsweise mit porösen Werkstoffen, beschäftigen – jenen Gebieten also, in denen Hüsing und Diwald selbst zuhause sind. Dazu konnte mit Martin Winter vom MEET Batterieforschungszentrum der Universität Münster einer der renommiertesten Forscher auf dem Gebiet der elektrochemischen Energiespeicherung und –wandlung insbesondere für Lithium-Ionen Akkus und Superkondensatoren und mit Hans-Peter Steinrück (Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg und korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Ausland) ein international ausgewiesener Oberflächenchemiker als Plenarreferenten gewonnen werden.

Aber auch die der molekularbiologischen Forschung zuordenbaren Chemiker an der Universität Salzburg wie Christian Huber oder Chiara Cabrele haben sich in die Arbeit des Scientific Committee maßgeblich eingebracht – wovon unter anderem Sessions zu Bioanalytischer Chemie oder der Plenarvortrag von Christian Becker (Institut für Biologische Chemie, Universität Wien) über die (Semi-)Synthese von posttranslational modifizierten Proteinen zeigen. Ebenso sind Organische und Anorganische Chemie, Katalyseforschung, Polymer- und Elektrochemie in den Vorträgen und Postersessions vertreten.

 

„Industry Meets University“

Auch GÖCH-Präsident Ernst Gruber betont den interdisziplinären Aspekt des Programms der diesjährigen Veranstaltung: „Die österreichischen Chemietage symbolisieren den fach- und bereichsübergreifenden Brückenschlag innerhalb des weiten Tätigkeitsbereichs der Chemie. Das heurige Motto ‚Von den Biowissenschaften zum Material‘ steht ganz im Zeichen dieser generellen Querschnittsverbindung.“ Dass mit Gruber, im Hauptberuf Standortleiter des Lackherstellers Axalta in Guntramsdorf, in der laufenden Amtsperiode wieder ein Industrievertreter als Präsident der Gesellschaft fungiert, hat auch auf das Programm abgefärbt. „Es war unser erklärtes Ziel, industrielles und chemisches Treiben miteinander zu verbinden“, erzählt Diwald. Ein eigener Programmpunkt „Industry Meets University“ versammelt Vorträge der F&E-Verantwortlichen von Rembrandtin, Treibacher und Sandoz, die nicht nur über die Forschungsarbeit der von ihnen repräsentierten Unternehmen sondern auch über die Erwartungshaltung, die man in der Industrie an die Chemie-Ausbildung hat, sprechen werden.

„Der Titel ‚Von den Biowissenschaften zum Material‘ ist Programm“, meint auch Hubert Culik, Vorstand des Lackunternehmens Helios Group und Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie in Österreich: „Wir sind auch in der Industrie aufgefordert, uns mit Chemie in dieser ganzen Bandbreite zu beschäftigen.“ Culik gefällt, dass die Chemietage nun einen stärkeren Industriebezug haben: „Die Zusammenarbeit zwischen Lehre, Forschung und Industrie ist besonders wichtig und muss noch stärker gefördert werden“, so Culik. Den Manager freut aber auch, dass die diesjährige Veranstaltung gemeinsam mit der Swiss Chemical Society (SCS) Veranstaltet wird: „Es ist wichtig über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.“ „Die SCS hat sich bei der Gestaltung des Programms stark eingebracht, ebenso erwarten wir Gäste aus Italien, Tschechien, der Slowakei und Ungarn“, hebt auch Diwald die internationale Ausrichtung der Chemietage hervor.

 

Viele Arten von Brückenschlägen

Das Miteinander der verschiedenen chemischen Professionen ist GÖCH-Präsident Ernst Gruber ein besonderes Anliegen: „Verbindungen schaffen heißt aber auch: vom Mittelschullehrer zum Hochschullehrer, vom Jungchemiker zum erfahrenen Forscher oder von der universitären Forschung zur Privatindustrie. All diese Netzwerke gilt es, funktionsübergreifend zu fördern und zu stärken.“ Gerade deshalb wolle man auch versuchen, mit dem verstärkten Beitrag der industriellen Forschung einen neuen Schwerpunkt zu etablieren. Gruber: „Der kompetente Chemiker ist gefragt – ganz besonders auf den österreichischen Chemietagen.“

Aktiv in der Programmgestaltung eingebunden waren dementsprechend nicht nur die einzelnen Arbeitsgruppen der GÖCH, die eigene Minisymposia am ersten Konferenztag organsiert haben, sondern auch die „Jungchemiker“ in der GÖCH, die mehrere Programmschwerpunkte gestaltet haben: Im Minisymposium „Chemistry a-side“ werden Themen abseits der traditionellen Chemie beleuchtet, bei „Careers in Concept“ erzählen Chemiker über ihren ganz persönlichen Werdegang, im Rahmen des „Career Day“ werden Workshops zu Foresight Management und Arbeit 4.0 angeboten. Zum traditionellen Rahmenprogramm der Chemietage gehört schließlich auch die Verleihung einer ganzen Reihe von Preisen (siehe Info-Box), deren Gewinner (Melanie Hall, Andreas Orthaber, Benedikt Warth, Thomas Berger) zu „Invited Lectures“ eingeladen wurden.