„Pilotfabrik für Industrie 4.0“ eröffnet

Unter der Bezeichnung „Pilotfabrik für Industrie 4.0“ entsteht bis 2017 in der Seestadt Aspern im Wiener Gemeindebezirk Donaustadt eine Einrichtung zur Erforschung und Entwicklung digitalisierter Produktionsprozesse. Offiziell eröffnet wurde die „Pilotfabrik“ heute von Technologieminister Alois Stöger, dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl, Vizebürgermeisterin und Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner, der Rektorin der Technischen Universität Wien (TU Wien), Sabine Seidler, sowie Siemens-Österreich-Generaldirektor Wolfgang Hesoun. Die Investitionen belaufen sich auf vier Millionen Euro. Zwei Millionen stellt das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) als Förderung bereit. Die übrigen zwei Millionen bringen Industriepartner auf. Neben Siemens sind dies unter anderem Festo, Phoenix Contact, Plasmo Industrietechnik und Würth Österreich.

Eröffnung Pilotfabrik
Bild: BMVIT/Johannes Zinner
Auf dem Weg zur „Industrie 4.0“ : Klaus Pseiner, FFG, Siemens-Chef Wolfgang Hesoun, Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner, Minister Alois Stöger, Bürgermeister Michael Häupl sowie TU-Rektorin Sabine Seidler (von links)

Stöger sagte, er wolle nicht zuletzt mit diesem Vorhaben gewährleisten, „dass österreichische Unternehmen wachsen und damit höherwertige Arbeitsplätze schaffen können.“ Bis 2017 sollen drei weitere „Pilotfabriken“ entstehen. Die Standorte werden per Ausschreibung ermittelt. Laut Stöger stellt das BMVIT rund zwei Millionen Euro pro Standort an Förderungen bereit. Häupl ergänzte, die Industrie habe sich in den vergangenen 30 Jahren grundlegend gewandelt: „Die Zeit der rauchenden Schlote ist längst vorbei. Wir leben in der Zeit der rauchenden Köpfe.“ Das Thema „Industrie 4.0“ sei ein unverzichtbarer Teil der Standortpolitik der Stadt Wien. Vizebürgermeisterin Brauner zufolge sind in Wiener Industriebetrieben rund 170.000 Personen beschäftigt.

 

Komplette Fabrik simulieren

 

Laut TU-Rektorin Seidler soll die „Pilotfabrik“ den beteiligten Unternehmen eine „Plattform für die Forschung sowie für die Umsetzung ihrer Ideen“ bieten. Sie starte mit zwei Fertigungszellen für Drehen, Fräsen und Schweißen. Überdies seien Montageanlagen sowie ein 3D-Drucker verfügbar. Derzeit sind 15 Personen in der „Pilotfabrik“ tätig. Im Lauf der kommenden zwei Jahre wird in unmittelbarer Nähe der „Pilotfabrik“ eine Fabrikshalle errichtet, um den Industriepartnern eine Ausweitung ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu ermöglichen.


Wie Detlef Gerhard, Dekan der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften der TU Wien, dem Chemiereport erläuterte, wird in der „Pilotfabrik“ bis 2017 die Infrastruktur installiert, um komplette Fabriken nach Art der „Industrie 4.0“ simulieren zu können. Darauf aufbauend, ist die weitere Erforschung und Entwicklung neuer Fertigungstechniken geplant. Gerhard betonte, es gehe keineswegs darum, „den Menschen aus der Arbeitswelt zu verdrängen.“ Vielmehr solle die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine optimiert werden, nicht zuletzt, indem den menschlichen Arbeitskräften - beispielsweise über Datenbrillen - aktuell benötigte Informationen zur Verfügung stehen. Auch die Verbesserung der Arbeitssicherheit sei ein wesentliches Thema. So könne im Rahmen von „Industrie 4.0“ gewährleistet werden, dass eine Maschine stoppt, sobald ein Mensch in ihren Wirkungskreis kommt. Neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, ist laut Gerhard in der Pilotfabrik nicht geplant: „Wir können aber möglicherweise Erkenntnisse liefern, die bei der Entwicklung solcher Modelle hilfreich sind.“

 

Industrie kommt zurück

 

Um das Thema „Industrie 4.0“ zu forcieren, gründete das BMVIT gemeinsam mit der Industriellenvereinigung, der Arbeiterkammer, dem ÖGB sowie den Fachverbänden der Maschinen- und Metallwaren-Industrie (FMMI) und der Elektro- und Elektronik-Industrie (FEEI) Ende Juni den Verein „Industrie 4.0 Österreich - die Plattform für intelligente Produktion“. Dessen Obmann ist Kurt Hofstädter, bei Siemens Leiter Digital Factory Central Eastern Europe. Hofstädter erläuterte dem Chemiereport, die mit „Industrie 4.0“ angestrebte Produktivitätssteigerung gehe keineswegs notwendig mit einem Verlust an Arbeitsplätzen einher. Siemens etwa beschäftige am Standort Amberg in Deutschland wie schon vor 25 Jahren rund 1.000 Personen: „Allerdings haben diese jetzt den achtfachen Output von damals und eine Fehlerquote von 2 Fehlern pro Million Stück.“ Hofstädter erwartet, dass im Zuge der Einführung der „Industrie 4.0“ Produktionsanlagen aus anderen Teilen der Welt nach Europa zurückverlagert werden. Gerade Österreich habe mit seiner dualen Ausbildung dafür gute Voraussetzungen.