Reindustrialisierung nicht gefährden

Die in Ausarbeitung befindliche österreichische Energie- und Klimastrategie muss „den wirtschaftlichen Aufschwung unbedingt unterstützen“ und dazu auf „Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit sowie Forschung und Entwicklung“ fokussieren. Das fordert die Bundessparte Industrie (BSI) der Wirtschaftskammer in einem aktuellen Positionspapier. Diesem zufolge sollte die Strategie „mit einer aktiven nationalen Wirtschafts- und Industriepolitik im Einklang stehen.“ Insbesondere benötige die Industrie weiterhin einen „ausgewogenen Energiemix von erneuerbaren und fossilen Energieträgern“, den die Strategie zu gewährleisten habe. Überdies müsse ein „wirtschafts- bzw. industriefreundliches Ökostromsystem“ eingeführt werden. Statt der derzeitigen Förderungen mittels Einspeisetarifen wünscht sich die BSI Investitionszuschüsse sowie Marktprämien, also Zuschläge zu den Marktpreisen. Letzten Endes müsse die EU das Klimaabkommen von Paris vom vergangenen Dezember „im internationalen Gleichklang“ umsetzen, „um eine Reindustrialisierung nicht zu gefährden“. „Überschießende Belastungen“ im Zuge der Reform des EU-Emissionshandels lehnt die BSI ab.

rauchende Schlote
Bild: UBA/Gröger
Nicht übertreiben: Die BSI warnt vor klimapolitischen Belastungen.

 

Grüne Fragen

 

Unterdessen fordert die Energiesprecherin der Grünen im Nationalrat, Christiane Brunner, Österreichs völligen Ausstieg aus Investitionen in fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Bei einer Pressekonferenz am 3. Mai in Wien warnte Brunner, wenn das Klimaabkommen von Paris umgesetzt werde wie geplant, ließen sich etwa 80 Prozent der weltweiten Vorkommen an Kohle, Erdöl und Erdgas nicht mehr nutzen. Investitionen in die Erschließung und Förderung dieser Ressourcen wären verloren. Brunner zufolge könnte dies im Euroraum volkswirtschaftliche Schäden von bis zu 400 Milliarden Euro zur Folge haben, in Österreich bis zu 15 Milliarden.

 

Mit einer parlamentarischen Anfrage an Finanzminister Hans Jörg Schelling möchte Brunner daher klären, ob die Bundesregierung bereits an einer Strategie zum Ausstieg aus entsprechenden Investitionen („Carbon Divestment“) arbeitet und falls ja, wann diese veröffentlicht wird. Außerdem will sie wissen, wie hoch die Investitionen der öffentlichen Hand in Unternehmen sind, „die fossile Energien fördern, besitzen oder in großem Ausmaß verbrennen.“ Brunner thematisiert in diesem Zusammenhang die Sicherheit der Pensionen aus öffentlichen Mitteln. Ihrer Ansicht nach könnte diese in Gefahr geraten, falls die Investitionen in die fossilen Energieträger ihren Wert verlieren. Die Anfrage erging Ende April, mit einer Antwort rechnet Brunner in den kommenden Wochen.

 

Den kommunikationspolitischen Hintergrund der Angelegenheit erläuterte bei der Pressekonferenz Alan Rusbridger, vormals Chefredakteur und Herausgeber der britischen Tageszeitung „The Guardian“, der sich der PR in Sachen Klimawandel verschrieben hat. Ihm zufolge gelang es nicht, über das Generalthema „Umwelt“ die Öffentlichkeit für die Verschärfung der Klimapolitik zu gewinnen. Er empfiehlt daher, wirtschaftspolitisch zu argumentieren und mit dem Hinweis auf mögliche finanzielle Risiken auf einen Ausstieg aus Investitionen in fossile Energieträger zu dringen. Langsam beginne dieses Argument in der Finanzindustrie zu wirken, sagte Rusbridger. Nicht zuletzt Pensionsfonds seien bekanntlich an risikolosen Investitionen interessiert und daher grundsätzlich empfänglich für das Thema „Carbon Divestment“.

 

Weiter dominant

 

Skeptiker verweisen allerdings darauf, dass das Klimaabkommen von Paris erst in Kraft tritt, wenn es mindestens 55 der in Paris vertretenen Staaten ratifiziert haben, die mindestens 55 Prozent der globalen CO2-Emissionen repräsentieren müssen. Als unsicherer Kantorist gelten nicht zuletzt die USA, die mit einem Anteil von etwa 15 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß der zweitgrößte Emittent der Welt sind. Auch der mit rund 29 Prozent größte Emittent, China, hat Bedenken angemeldet. Überdies ist laut der Internationalen Energieagentur noch für mehrere Jahrzehnte mit einer Dominanz der fossilen Energieträger zu rechnen. In einer Reihe von Entwicklungs- und Schwellenländern dürfte sich die Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas sogar verstärken.