Stahl wird CO2-neutral

Der Verbund und die Voestalpine wollen in Linz gemeinsam eine Power-to-Gas-Pilotanlage mit sechs Megawatt (MW) Leistung bauen. Die Entscheidung über das Projekt fällt bis Jahresende, der Bau würde etwa zwei bis drei Jahre dauern, erläuterten Verbund-Generaldirektor Wolfgang Anzengruber und Voestalpine-Generaldirektor Wolfgang Eder am 27. Juli in Wien. Über die Kosten machten die beiden Unternehmenschefs keine Angaben. „Das würde die Konkurrenz noch mehr interessieren als Sie“, scherzte Eder zur Anfrage des Chemiereport. 

Eder und Anzengruber
Bild: Verbund/APA-Fotoservice/Peter Hautzinger
Strategische Kooperationsprojekte: Wolfgang Eder/Voestalpine (l.), Wolfgang Anzengruber/Verbund

 

Bei Power-to-Gas-Anlagen wird Wasser mit Hilfe von Strom, meist aus erneuerbaren Energien, in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Letzterer kann danach durch Reaktion mit CO2 in künstliches Erdgas umgewandelt („methanisiert“) werden. In Linz ist allerdings geplant, den Wasserstoff nicht zu methanisieren, sondern ihn direkt im Prozess der Stahlproduktion einzusetzen. Auf diese Weise könnte in etwa 15 bis 25 Jahren eine vollständig CO2-neutrale Stahlerzeugung erreicht werden, betonte Eder: „Etwa im Jahrzehnt von 2030 bis 2040 sollte das gehen. Ein kürzerer Umstiegszeitraum ist dagegen eine Illusion“.

 

Zurzeit errichtet sein Unternehmen nahe der texanischen Hafenstadt Corpus Christi ein Stahlwerk, bei dem die „Brückentechnologie“ HBI/DRI um Einsatz gelangt. Bei dieser sogenannten „Direktreduktion“ wird der Stahl nicht mehr mit Hilfe von Kohle reduziert, sondern mit Hilfe von Erdgas. So lassen sich die CO2-Emissionen um bis zu fünf Prozent vermindern, berichtete Eder. Grundsätzlich lässt sich das Erdgas durch Wasserstoff ersetzen. Wird dieser in großen Mengen mit Hilfe erneuerbarer Energien erzeugt, ist die CO2-freie Stahlerzeugung möglich.

 

Grüner“ Wasserstoff

Bei der nun geplanten Pilotanlage wird der Verbund, das größte Elektrizitätsunternehmen Österreichs, den Strom liefern und ihn ausschließlich aus erneuerbaren Energien herstellen. Wie Anzengruber erläuterte, erzeugt der Verbund rund jährlich rund 29 Terawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Energien, insbesondere Wasserkraft. Zum Vergleich: Die österreichischen Stromkunden von der Industrie bis zu den Haushalten verbrauchen jährlich etwa 64 TWh Strom. Laut Anzengruber ist geplant, die Wertschöpfungskette des Verbunds „durch die Erzeugung von „grünem“, also mit erneuerbaren Energien produziertem, Wasserstoff zu erweitern“.

 

Eder zufolge kann der „grüne“ Wasserstoff „ein mögliches künftiges Kernelement für eine dekarbonisierte Stahlerzeugung“ darstellen. Wie er ergänzte, befasst sich die gesamte Stahlbranche derzeit intensiv mit diesem Thema. Der Grund sind die internationalen klimapolitischen Entwicklungen. So hat sich die Europäische Union verpflichtet, ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Für 2050 wird eine Reduktion um mindestens 80 Prozent angestrebt. Zu diesem Ziel bekannte sich die EU auch im Rahmen der Verhandlungen über das Klimaabkommen von Paris („Paris Agreement“), das im Dezember vergangenen Jahres geschlossen wurde. Es sieht vor, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur „deutlich unter“ den für verkraftbar gehaltenen zwei Grad Celsius zu halten. Zu diesem Zweck ist es notwendig, die CO2-Emissionen in allen Bereichen von der Stromerzeugung bis zur industriellen Produktion und zum Verkehr massiv zu vermindern. Das Paris Agreement ist derzeit in Ratifizierung. Es tritt in Kraft, sobald es mindestens 55 der 187 Unterzeichnerstaaten ratifiziert haben, die 55 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen repräsentieren müssen. Die EU-Kommission erwartet, dass das Abkommen noch heuer in Kraft tritt, spätestens aber in der ersten Jahreshälfte 2017.

 

Partner und Dienstleister

Überdies hat der Verbund mit der Voestalpine vereinbart, ihr von 2017 bis 2022 zusätzlich jährlich rund 1,5 TWh Strom aus erneuerbaren Energien zu liefern. Überdies soll in Donawitz in der Steiermark eine große Photovoltaikanlage mit rund zwei bis drei MW Leistung errichtet werden. Deren Betrieb übernimmt der Verbund, der nach Möglichkeit auch weitere ähnliche Anlagen an anderen Voestalpine-Standorten realisieren soll. Ferner verstärkt der Verbund das Energiemanagement für die Voestalpine. Anzengruber erläuterte, sein Unternehmen werde künftig verstärkt „energienahe Dienstleistungen“ anbieten, insbesondere auch für Industriekunden: „Wir sehen uns als Dienstleister und Partner der Industrie“.