„Wahrscheinlich krebserregend“

Das weltweit am meisten verbreitete Pflanzenschutzmittel Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend. Zu diesem Ergebnis kommt eine 92 Seiten umfassende Monographie der Internationalen Krebsforschungsagentur (International Agency for Research on Cancer, IARC), die am 29. Juli präsentiert wurde. Die IARC fasst darin die Ergebnisse von mehr als 200 Untersuchungen aus aller Welt zusammen. In Auftrag gegeben wurde die Monographie seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO. Wie die IARC ausführt, werden jährlich global rund 700.000 Tonnen Glyphosat erzeugt und über mehr als 750 Produkte vermarktet. Das Pflanzenschutzmittel, dessen Wirkung im Jahr 1970 entdeckt wurde, lässt sich mittlerweile im Boden, in der Luft, im Oberflächen- und Grundwasser sowie in Lebensmitteln nachweisen. In den von der IARC berücksichtigten Studien wurde unter anderem untersucht, ob der Wirkstoff bestimmte Arten von Lymphknotenkrebs (Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgkin-Lymphom), Knochenkrebs, Gehirntumore sowie Prostatakrebs auslösen kann. Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für das Non-Hodgkin-Lymphom erbrachten laut IARC Studien in Schweden, Kanada und den USA. Nur schwache Evidenz besteht bisher hinsichtlich Knochenkrebs. Für alle anderen Krebsarten wurden keine Hinweise auf einen Zusammenhang ihres Auftretens mit einer Glyphosat-Exposition ermittelt. Starke Hinweise sieht die IARC in den von ihr überprüften Studien auf eine erbgutschädigende Wirkung von Glyphosat. Hinsichtlich des Abbauprodukts AMPA vermerkt die Agentur, es gebe nur wenige Studien zur Frage, ob dieses erbgutschädigend ist. Allerdings deuteten diese sämtlich auf diese Gefahr hin.

Weizenfeld
Bild: UBA/Gröger
Universell verbreitet: Glyphosat ist wird in der Landwirtschaft weltweit eingesetzt.

Brisanz hat die Monographie deshalb, weil Ende des Jahres die Zulassung von Glyphosat und damit der glyphosathältigen Pflanzenschutzmittel in der Europäischen Union ausläuft. Die EU-Lebensmittelsicherheitsagentur EFSA hat angekündigt, die Monographie der IARC in ihrem Verfahren zur Verlängerung der Zulassung zu berücksichtigen. Überraschend kam die Stellungnahme der IARC übrigens kaum. Bereits im März hatte sie mehrere glyphosathältige Pflanzenschutzmittel als „möglicherweise“ bzw. „wahrscheinlich“ krebserregend bezeichnet.

 

Konter der Industrie

Die Pflanzenschutzmittelindustrie reagierte zumindest offiziell gelassen. In einer Aussendung der Glyphosate Task Force (GTF), der unter anderem Monsanto Europe, Syngenta und Dow AgroSciences angehören, hieß es, in den vergangenen 40 Jahren hätten Untersuchungen in aller Welt gezeigt, dass der Einsatz von Glyphosat „kein inakzeptables Risiko für Menschen, Tiere oder die Umwelt darstellt.“ Auch heiße es im Review Assessment Report (RAR) im Rahmen des Wiederzulassungsverfahrens in der EU, die darin berücksichtigten Studien hätten keinen Hinweis auf die Karzinogenität von Glyphosat erbracht. Dies werde auch in der Monographie der IARC nicht in Frage gestellt. Auch habe deren Aufgabe ausschließlich darin bestanden, die grundsätzlichen Risiken zu ermitteln, die von Glyphosat ausgehen könnten. Dies sage jedoch nichts über die tatsächlichen Gefahren im tagtäglichen Einsatz des Stoffes sowie der darauf basierenden Pflanzenschutzmittel aus. Um diese festzustellen, seien Risikobewertungen erforderlich, die seitens der zuständigen Behörden im Rahmen der Zulassungsverfahren erfolgten. Überdies habe die IARC nur einen „Bruchteil“ der verfügbaren Daten berücksichtigt.

Ähnlich argumentierte die CropLife International, die sich als weltweiter Vertreter der Pflanzenforschungsindustrie versteht. Zu ihren Mitgliedern gehören neben Monsanto, Syngenta und Dow AgroSciences unter anderem DuPont, die US-amerikanische Food Machinery and Chemical Corporation (FMC) sowie Sumitomo Chemical. CropLife-International-Präsident Howard Minigh verlautete, die IARC habe nach ihren eigenen Aussagen lediglich die potenziellen Risiken, aber nicht die konkreten Gefahren durch den Einsatz von Glyphosat untersucht. Letzteres sei die Aufgabe der Zulassungsbehörden. Diese führten ihre Risikobewertungen unter Praxisbedingungen („real world conditions“) durch. Signifikante neue Informationen enthalte die Monographie der IARC nicht. Dennoch habe CropLife International die Generaldirektorin der WHO, Margaret Chan, sowie IARC-Direktor Chris Wild um ein Treffen ersucht. Die Pflanzenforschungs- und Pflanzenschutzmittelindustrie bemühe sich um das Vertrauen ihrer Kunden und der Öffentlichkeit insgesamt, betonte Minigh: „Wir möchten nicht, dass dieser Prozess unterminiert wird.“