Werkstoffe mit Zukunft

Niederösterreichische Unternehmen sind bei Kunststofflegierungen (Compounds) ebenso innovativ unterwegs wie bei Metall- und Keramikmaterialien. Unterstützt werden sie dabei von der Wirtschaftsagentur Ecoplus.

Foto: NLK Filzwieser
Kooperation: Ecoplus-Kunststoffcluster-Manager Harald Bleier, Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav, Thermoplastkreislauf-Geschäftsführer Christian Wind, Ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki (v. l.)

 

Wachstum ist angesagt, und das nicht zu knapp: Im vergangenen Jahr erzeugte die Thermoplastkreislauf GmbH im Sitz in Traiskirchen rund 1.800 Tonnen hochwertige Kunststofflegierungen (Compounds), davon rund 650 Tonnen Recyclingmaterial (Regranulate). Heuer werden es über 2.000 Tonnen sein, für 2020 peilt Unternehmenschef Christian Wind rund 6.000 Tonnen an. Noch im Lauf des Jahres wird auf Dreischichtbetrieb umgestellt. Mindestens drei zusätzliche Arbeitsplätze kommen zu den derzeitigen etwa 20 hinzu, bis 2020 soll auf etwa 30 Beschäftigte aufgestockt werden. Derzeit erwirtschaftet Wind rund 20 Millionen Euro Umsatz pro Jahr - wobei sein Unternehmen Kunststoffe tatsächlich recycelt und meist sogar „upcycelt“, also aus sauberen Kunststoffabfällen aus der Industrie teilweise sogar höherwertige Produkte herstellt. Spezialisiert hat sich die Thermoplastkreislauf GmbH auf Erzeugnisse, die den jeweiligen Anforderungen der Kunden angepasst sind. Die Compounds werden eigens für diese entwickelt bzw. produziert. Ein eigenes Forschungs- und Entwicklungslabor macht es möglich, die gewünschten Rezepturen zusammenzustellen. „Wir entwickeln unsere Produkte in beiden Bereichen, bei Neuwaren ebenso wie bei Regranulaten“, erläuterte Wind am 23. März bei einem Betriebsbesuch der niederösterreichischen Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav.

 

Hilfreich sind dabei immer wieder hochqualifizierte Partner. Nicht zuletzt das ist der Grund, weshalb die Thermoplastkreislauf GmbH seit etlichen Jahren am Kunststoffcluster der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus beteiligt ist: „Wir profitieren vom Know-how und von der überbetrieblichen Zusammenarbeit.“ Gefragt sind die Erzeugnisse des Unternehmens auch international. Die Exportquote liegt bei derzeit etwa fünf Prozent, die ausländischen Zielmärkte sind zurzeit insbesondere Deutschland und Italien. Heuer steht in Sachen Export eine Premiere an: Rund 40 Tonnen Compounds gehen in die mexikanische Hafenstadt Veracruz. Dort betreibt ein international tätiger Kunde eine Produktionsstätte, in der er das Material der Thermoplastkreislauf GmbH benötigt.

 

Nicht zu verachten ist übrigens die CO2-Menge, die mit den Regranulaten eingespart werden kann: Sie belief sich allein im vergangenen Jahr auf etwa 965 Tonnen. Und weil der Trend in Richtung immer umwelt- sowie klimaverträglicherer Kunststoffe geht, „wollen wir bei der CO2-Reduktion vorne mit dabei sein“, konstatierte Wind. Dass das ordentlich funktioniert, bestätigt die Montanuniversität Leoben. Sie attestiert der Thermoplastkreislauf GmbH, mit jeder Tonne Regranulat gegenüber neuen Compounds rund 1,5 bis zwei Tonnen an CO2-Emissionen zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb erhielt das Unternehmen den Steirischen Energy Globe Award und ist für den Clusterland Award 2017 nominiert.

 

Von der Raumfahrt bis zum Schmuckstück

 

Hightech ist in Niederösterreich indessen nicht nur im Kunststoffbereich ein Thema, sondern auch bei Metall und Keramik. Ein Beispiel dafür ist die RHP-Technology GmbH, ansässig auf dem Gelände des Forschungszentrums Seibersdorf. Sie hat ein schnelles Heißpressverfahren entwickelt, mit dem sich Bauteile bei bis zu 2.400 Grad Celsius in weniger als einer Stunde zu Werkstücken formen lassen. Neben dieser Kernkompetenz bringen die Geschäftsführer Michael Kitzmantel und Erich Neubauer mit ihrem Team mittlerweile auch 3D-Druck- sowie Pulverspritzgussverfahren zum Einsatz. Beim Pulverspritzguss mischt die RHP-Technology Keramik- oder Metallpulver mit Kunststoff und kann so das gewünschte Werkstück in Form bringen. Anschließend wird der Kunststoff durch Sintern entfernt. „Wir wollen niemanden kopieren, sondern in neue Themen gehen“, berichtete Kitzmantel anlässlich eines Besuchs von Wirtschaftslandesrätin Bohuslav. Zurzeit sind verstärkte Aktivitäten im Bereich Luft- und Raumfahrt angesagt. Unter anderem ist ein Modul in Entwicklung, das die Druckverteilung von Treibstoffen für Minisatelliten steuert.

 

Doch auch im Bereich der erneuerbaren Energien ist die RHP-Technology aktiv: Sie kooperiert unter anderem mit der „Route 16.6“, einer Tiroler Firma. Diese erzeugt biegsame Photovoltaikmodule und nutzt dabei Werkstoffe des niederösterreichischen Unternehmens. Wie Neubauer erläuterte, wird in den kommenden Jahren das Recyceln von Photovoltaikmodulen stark an Bedeutung gewinnen. Die ersten in Österreich installierten Paneele erreichen das Ende ihrer Betriebsdauer. Daher ist es sinnvoll, mit geeigneten Verfahren wertvolle Inhaltsstoffe wieder aufzubereiten, darunter Aluminium und Silber, aber auch das Siliziumglas für die Solarzellen. „Das wird ein Riesenthema“, konstatierte Neubauer.

 

Auch die RHP-Technology ist seit geraumer Zeit Mitglied im Ecoplus-Kunststoffcluster. „Dadurch bekommen wir einen guten Überblick darüber, welche Werkstoffe gebraucht werden und wo sich bei deren Anwendung Probleme ergeben könnten. Außerdem werden wir immer wieder auf neue Ideen und Entwicklungsmöglichkeiten gebracht“, berichtete Kitzmantel.

 

Als möglicher neuer Geschäftszweig zeichnet sich die Schmuckproduktion ab. Für einen Kunstschmied entwickelte das Unternehmen einen Werkstoff mit der Bezeichnung „Niellium“. Ferner erzeugt die RHP-Technology Materialien, die sie als „Tiger Metals“ bezeichnet. Unter anderem können diese von Luxusuhren und Ringen eingesetzt werden. Für die Uhrenproduktion wird ein Partner gesucht. Laut Kitzmantel müsste es sich dabei um ein international tätiges (Groß-)Unternehmen in dieser Branche handeln: „Die Uhren würden mindestens 200.000 Euro pro Stück kosten.“

 

Laut Ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki kooperieren im Kunststoffcluster mittlerweile rund 120 Partnerunternehmen mit etwa 20.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über sechs Milliarden Euro. Die Arten der Zusammenarbeit reichen „von der Grundlagenforschung bis zur gezielten Produktentwicklung“.