Archive - Feb 2, 2015

Das Vermächtnis des Carl Djerassi

Der österreichisch-amerikanische Chemiker Carl Djerassi starb in der Nacht vom 30. auf den 31. Jänner in San Francisco. Sein wissenschaftliches Erbe geht weit über die Synthese von Norethisteron, des ersten synthetisch hergestellten oral wirksamen Hormonpräparats mit schwangerschaftsverhütender Wirkung, hinaus.

 

Djerassi wurde 1923 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren. 1938 gelang ihm über Bulgarien die Flucht in die USA, wo er am Kenyon College und an der University of Wisconsin zum Chemiker ausgebildet wurde. Nach einer langen und erfolgreichen Karriere in diesem Fach wandte er sich in den vergangenen Jahrzehnten der Schriftstellerei zu, wo er in dem von ihm erfundenen Genre „Science-in-fiction“ den Wissenschaftsbetrieb literarisch darstellte. Doch auch abseits dieses Schaffens und seiner Tätigkeit als Kunstsammler und Mäzen war sein Wirken außerordentlich reichhaltig.

 

Riesenwerk in Organischer Chemie

Ab 1946 war er als Industriechemiker an der Synthese des ersten kommerziell verfügbaren Antihistaminikums und zahlreicher Steroide wie Cortison oder Norethisteron beteiligt. 1959 wechselte er an die Universität Stanford, wo er über mehrere Jahrzehnte zu den prägenden Gestalten des Chemie-Departments gehörte. Er leistete entscheidende Beiträge zum Einsatz damals neuer analytischer Methoden wie Massenspektrometrie, Circulardichroismus und Optischer Rotationsdispersion in der Organischen Chemie. Zusätzlich zu unzähligen Beiträgen zur Laborsynthese von Naturstoffen beschäftigte er sich auch mit der Biosynthese, also der „natürlichen“ Route, zu diesen komplexen Molekülen, und entwickelte gemeinsam mi Edward Feigenbaum eines der ersten Computerprogramme zur Vorhersage der Struktur chemischer Verbindungen. Insgesamt brachte es Djerassi im Laufe seiner Karriere auf mehr als 1.200 wissenschaftliche Publikationen

Darüber hinaus beschäftigte sich Djerassi wie nur wenige Naturwissenschaftler mit den gesellschaftlichen Implikationen seiner Forschung und setzte sich in einer Reihe von nicht-fiktiven Buchveröffentlichungen mit den Konsequenzen der Geburtenregelung und der Trennung von Fortpflanzung und Sexualität auseinander.