Boehringer-Ingelheim: Ausbau in Niederösterreich

Nach der LSCC in Wien tätigt der deutsche Pharmakonzern binnen weniger Jahre seine zweite Großinvestition in Österreich. Unterstützung kommt nicht zuletzt von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus.

Foto: Boehringer Ingelheim RVC GmbH/APA-Fotoservice/Martin Hörmandinger
Milliardeninvestition in Bruck an der Leitha: Boehringer-Ingelheim-RCV-Chef Philipp von Lattorff

 

Rund 1,2 Milliarden Euro investiert Boehringer Ingelheim in eine neue Fabrik für biopharmazeutuische Arzneimittel im Wirtschaftspark der niederösterreichischen Landes-Wirtschaftsagentur ecoplus in Bruck an der Leitha. Sie trägt die Bezeichnung Bionex und entspricht technisch sowie von ihrer Größe her im Wesentlichen der „Large Scale Cell Culture“ (LSCC), die das Unternehmen im Herbst vergangenen Jahres in Wien in Betrieb nahm. Laut dem Generaldirektor der Boehringer-Ingelheim-Vertretung in Österreich (Boehringer Ingelheim RCV), Philipp von Lattorff, handelt es sich um die „größte Investition in Österreich in der Konzerngeschichte“. Anlässlich des Beschlusses über den Bau der LSCC im Jahr 2015 habe er geglaubt, „das sei etwas Einmaliges. Aber wir haben es geschafft, noch ein zweites derartiges Projekt nach Österreich zu bekommen“. Aus Platzgründen sei es nicht möglich gewesen, dieses am Standort in Wien zu realisieren. Aber eine „gewisse Nähe“ zur LSCC sei wünschenswert. Den Baubeginn erwartet Von Lattorff für das erste Quartal 2023. Ein Teil der erforderlichen Genehmigungen liegt bereits vor, teilte Von Lattorff dem Chemiereport mit. Er sei „guten Mutes“, auch die ausständigen Genehmigungen zeitgerecht zu erhalten. Der Abschluss der Arbeiten ist für 2026 geplant. Installiert wird ein Fermenter mit rund 185.000 Litern Volumen. Boehringer Ingelheim RCV wird in Bruck sowohl Auftrags- als auch Eigenproduktion mit wechselndem Erzeugungsmix durchführen. Daher sei es schwierig, das jährliche Produktionsvolumen zu beziffern, verlautete gegenüber dem Chemiereport. Auch der Energiebedarf lasse sich zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht exakt angeben. Von Lattorff sprach von einer „guten Nachricht für ganz Europa“. Mit der Investition werde der Pharmastandort Österreich gestärkt, was der gesamten EU zugute komme. Die Biopharmazie werde „ein wesentlicher Teil der Zukunft der Medizin“ sein. Somit nutze das neue Werk den Patienten weit über Österreich hinaus. Vor allem für Indikationen wie Krebs, Schlaganfall und Herzinfarkt seien die in Bruck künftig hergestellten Heilmittel vorgesehen. Ausdrücklich dankte Von Lattorff Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die die Umsetzung unterstützen.

 

Schramböck ihrerseits dankte Von Lattorff, das Wirtschaftsministerium von Beginn an in das Vorhaben eingebunden zu haben. Das mache es möglich, dieses wirksam zu unterstützen. Das Land Niederösterreich und insbesondere die ecoplus hätten „großartige Arbeit“ geleistet, betonte Schramböck. Sie kündigte an, „alles“ für eine rasche Umsetzung des Projekts zu tun. Die Life-Science-Branche sei einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Europas. Mit Investitionen wie denen von Boehringer Ingelheim habe Österreich die Chance, zur „Apotheke Europas“ zu werden.


Laut Landeshauptfrau Mikl-Leitner handelt es sich bei der neuen Fabrik in Bruck um eine „Green Factory“, die einmal mehr die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie unter Beweis stellt. Die Energieversorgung erfolgt ausschließlich mit Biomasse und Biogas, Windkraft und Photovoltaik, also vollständig klimaneutral. Auch Mikl-Leitner zufolge ist das Vorhaben ein „wichtiges Signal in Richtung Life Sciences“. Was dessen wirtschaftliche Bedeutung betrifft, verwies die Landeshauptfrau darauf, dass es der ecoplus in den vergangenen zehn Jahren gelungen sei, rund 335 Betriebe in Niederösterreich anzusiedeln, die insgesamt etwa eine Milliarde Euro investiert und mehr als 700 Arbeitsplätze geschaffen hätten. Mit einem einzigen Schlag würden diese Werte nunmehr verdoppelt. Ausdrücklich dankte Mikl-Leitner Wirtschafts- und Technologielandesrat Jochen Danninger sowie der ecoplus unter Geschäftsführer Helmut Miernicki für ihre diesbezügliche Arbeit.

 

Branchenvertreter erfreut

 

Erfreut zeigten sich der Pharmaindustrieverband Pharmig und der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog konstatierte, Boehringer Ingelheim trage „massiv zur Stärkung unseres Pharmastandorts bei. Wir freuen uns außerordentlich, dass Österreich hier im Wettbewerb mit anderen Ländern als Produktionsstandort zum Zug gekommen ist“. Er empfahl der Politik, die Rahmenbedingungen für die Industrie weiter zu verbessern. Als hilfreich zu erachten wären laut Herzog unter anderem eine „Senkung der Lohnnebenkosten oder ein zehnjähriger Steuerfreibetrag für Investitionen zum Standortausbau“, ebenso wie ein „klares Bekenntnis zu mehr Forschung wichtig sowie rechtliche Rahmenbedingungen, um die Produktion in Österreich weiter planbar zu machen und Marktkonditionen nachhaltig zu verbessern“.

 

Ähnlich äußerte sich FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger: „Es ist ein wichtiges Signal für den Pharmastandort, dass sich Boehringer-Ingelheim erneut für Österreich entschieden hat. Die Investition wird die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten mit pharmazeutischen Produkten verbessern und führt gleichzeitig zu vielen neuen hochwertigen Jobs. Dadurch wird die lokale Wirtschaft gestärkt.“ Auch Hofinger plädierte jedoch für „ein freundlicheres Umfeld für die Branche“. Bei den Arzneimittelpreisen etwa sollte sich Österreich „als eines der wohlhabendsten Länder in der EU an Ländern orientieren, deren Wirtschaftsleistung nicht einmal halb so groß ist. Außerdem braucht es Verbesserungen bei der Nutzung anonymisierter Patientendaten für die Forschung, mehr Anreize für klinische Studien, ein rascher Zugang für Patienten zu neuen Therapien sowie ein klares Bekenntnis zum Patentschutz, um die bestmögliche Versorgung garantieren und im internationalen Wettbewerb bestehen zu können“.