beginnen zu können. cr: planen sie, ihr know-how auf dem gebiet auch für andere indikationen zu nutzen? shire hat sich eine weltweit führende stellung auf dem gebiet der seltenen erkrankungen erarbeitet. die von uns entwi- ckelte aav-plattform soll auch für andere indikationen, die zu diesem portfolio passen, zur anwendung kommen. darü- ber hinaus bieten wir unsere entwicklungs- und produktions- kompetenz auch unternehmen an, die therapien auf anderen gebieten entwickeln wollen. cr: was bedeutet das für den standort orth an der donau? die vorgängerunternehmen von shire haben sich hier inten- siv mit impfstoffen und gerinnungspräparaten beschäftigt. daher gibt es am standort umfangreiche expertise zu viren und rekombinanten proteinen, auf die wir beim aufbau unse- rer aav-plattform bauen konnten. innerhalb des shire-kon- zerns werden alle aav-basierten gentherapien, auch die, die bislang anderswo entwickelt wurden, in orth an der donau konzentriert. cr: wenn man über das hinausblickt, was shire selbst macht: beobachten wir derzeit eine neue welle an gentherapien? es ist nicht übertrieben, von einer solchen welle zu sprechen. wir wissen zwar noch wenig über langzeiteffekte. aber ange- sichts der bisherigen ergebnisse kann man davon ausgehen, dass für einige genetisch bedingte krankheiten, bei denen bisher nur symptome gelindert werden konnten, wirklich die chance auf heilung besteht. gerade bei monogenetischen krankheiten ist derzeit viel in der klinik. bei der hämophi- lie sind wir nicht die einzigen, die einen gentherapeutischen ansatz verfolgen. andere indikationsgebiete, an denen derzeit gearbeitet wird, sind genetisch bedingte neurodegenerative erkrankungen wie die spinale muskelatrophie oder augen- erkrankungen – hier wurde vor kurzem ein produkt in den usa zugelassen. dazu kommen immunonkologische ansätze wie die car-t-zelltherapie, bei der man ebenfalls mit gentech- nisch veränderten zellen arbeitet. cr: es gab in der vergangenheit ja auch zahlreiche rück- schläge bei gentherapeutischen behandlungen. was kann man heute besser als damals? viren zu verwenden, ist deshalb eine gute idee, weil diese sich in der evolution genau darauf hin entwickelt haben, geneti- sches material in eine zelle zu bringen. das immunsystem hat aber schutzmechanismen entwickelt, um sich vor viren zu schützen. es hat eine zeit lang gedauert, bis man die biolo- gie der viren so gut verstanden hat, dass man therapien mit gutem sicherheitsprofil entwickeln konnte. zum anderen kam es bei den vehikeln der ersten generation zur entstehung von tumoren, weil man nicht kontrollieren konnte, an welcher stelle die gene ins genom integriert werden. die von uns ver- wendeten vektoren auf aav-basis werden im tiermodell nur zu zirka 0,1 prozent ins genom integriert, das meiste transfe- rierte genetische material liegt extrachromosomal vor. cr: in jüngster zeit hat das genome-editing-verfahren crispr/cas9 viel aufmerksamkeit auf sich gezogen. welches potenzial für die gentherapie sehen sie darin? da muss man ganz klar unterscheiden, für welche indikatio- nen das geeignet ist. crispr ist ja eine methode, dna gezielt an einer bestimmten stelle zu schneiden. immer dann, wenn man ein gen entfernen oder inaktivieren will, ist das ein interessan- ter ansatz. um ein gen einzuführen, sind aav-vektoren derzeit die erprobtere variante. i e k _ i h s a h a k a t / . m o c o t o h p k c o t s i : d l i b coverthema chemiereport.at austrianlifesciences 2018.5 35 dass bei der entstehung von krankheiten auch erbliche fakto- ren eine erhebliche rolle spielen können, ist seit langem bekannt. schon anfang des 19. jahrhunderts beschrieben einige ärzte beispielsweise eine erbliche neigung zu blutungen („bluterkrankheit“, wissenschaftlich heute hämophilie) und entdeckten, dass gesunde frauen die nei- gung an ihre söhne weitergeben konnten, die dann an hämophilie erkrankten. es dauerte viele jahrzehnte, bis man her- ausfand, dass blutern (je nach typus der krankheit), bestimmte gerinnungsfakto- ren fehlen und noch viel länger, bis man diese aus dem plasma gesunder men- schen gewinnen und therapeutisch einset- zen konnte. die rasanten fortschritte der moleku- laren genetik haben uns in den letzten jahren aber völlig neue werkzeuge in die hand gegeben und bisher ungekannte einblicke in die mechanismen der krank- heitsentstehung ermöglicht. noch sind viele details jener prozesse nicht verstan- den, über die die genetische ausstattung von zellen im wechselspiel mit regulati- onsmechanismen, umgebungsbedingun- gen, lebensstil etc. zu pathologischen ver- änderungen des organismus führt. aber das, was wir wissen, dringt bereits mit vehemenz in die medizinische praxis ein und verändert so manches therapiegebiet von grund auf. hoffnung für patienten mit seltenen erkrankungen für hämophile sind die verhältnisse, genetisch betrachtet, relativ einfach: je nach typ ist ein anderes, aber immer nur ein einziges gen verändert, weswegen ein einziger gerinnungsfaktor nicht ausgebil- det werden kann. für patienten bedeutete diese erkenntnis zunächst die möglich- keit, dass die fehlenden gerinnungsfak- toren rekombinant, also mittels gentech- nisch veränderter zellkulturen hergestellt werden konnten – was eine kontamina- tion durch eine unerkannt gebliebene infektion des spenders von vornherein ausschloss. noch angenehmer wäre es für einen betroffenen aber, wenn man das defekte gen, auf das der mangel an dem betreffenden gerinnungsfaktor zurück- zuführen ist, gegen eine intakte variante tauschen könnte. dabei stellt sich die aufgabe, zell- fremde gene in das zellinnere zu bringen, damit sie dort abgelesen und exprimiert werden können. dazu gibt es eine reihe von methoden. wurden anfangs chemi- kalien oder stromstöße benutzt, um die zellmembran durchlässig zu machen, so erkannte man bald das gentherapeu-