36 COVERTHEMA chemiereport.at AustrianLifeSciences 2019.3 Die physiologische Wirkung basiert darauf, dass diese Verbindungsklasse menschliche Cannabinoid-Rezeptoren anspricht. Die Erforschung diese Wirkung hat zur Entdeckung körpereigener soge- nannter Endocannabinoide geführt, die strukturell verwandt sind und daher die- selben Rezeptoren ansprechen. Je nach genetischer Ausstattung der jeweiligen Sorte wird mehr vom einem oder mehr vom anderen Cannabinoid aus- gebildet. Die illegale Züchtung zielt daher auf die Maximierung des THC ab. Das Kon- sumverhalten hat in Kombination mit der Prohibition des Rauschmittels begünstigt, dass Sorten mit immer höherer Konzen- tration von THC auf dem Schwarzmarkt verfügbar wurden. Auf der anderen Seite kommt es in den vergangenen Jahren zu einem Boom von „Growern“, die auf legale CBD-haltige Produkte abzielen. „Die Bran- che hat einen Schwung in Richtung Serio- sität genommen und will durch Analysen sichergehen, nicht mit dem Suchtmittel- gesetz in Konflikt zu geraten.“ Hier zielt man in der Züchtung daher auf möglichst hohe CBD-Werte bei niedri- gem THC-Gehalt ab. Doch der Maximierung dieses Verhält- nisses sind natürliche Grenzen gesetzt, wie Fuczik festgestellt hat: „Ein Verhältnis von THC zu CBD von 1:30 ist gerade noch möglich, meist findet man etwa 1:22.“ Auch in diesem legalen Marktsegment werden daher die besonders Cannabino- id-reichen Blüten und Blütenstände weib- licher Pflanzen verwendet. Da diese auch reich an Terpenen sind, werden sie auch wegen ihres Geruchs geschätzt, zuweilen werden Terpene und Cannabinoide extra- hiert und Hanföl damit versetzt. Doch auch bei THC-Gehalten von weniger als 0,3 Prozent ist es nicht so einfach, derartige Produkte auf den Markt zu bringen. Arzneimittel, Novel Food, traditionelles Lebensmittel? In Österreich entzündete sich jüngst eine politische Debatte um die Verwen- dung von Hanfblüten als Arzneimittel. Diejenigen, die nach Liberalisierung rie- fen, ließen nicht immer klar erkennen, ob sie nun THC-haltige Produkte meinen oder auf die Verwendung von CBD als phar- mazeutisches Präparat abzielen. Nach der Beauftragung eines Expertenberichts stellte das Sozial- und Gesundheitsminis- terium unmissverständlich fest: Für den Einsatz von „Medizinalhanf“ (also der Ver- wendung von getrockneten Blüten oder Fruchtständen der Cannabispflanze als Arzneimittel) fehle der wissenschaftliche „Wenn eine Substanz in traditionellen Lebens mitteln enthalten ist, dann muss auch ein Zusatz dieser Substanz zu anderen Erzeugnissen zulässig sein.“ Werner Pfannhauser, Lebensmittelgutachter Nachweis; ohnehin gebe es aber heute schon Cannabis-basierte zugelassene Fer- tigarzneimittel, sowohl auf THC- wie auf CBD-Basis. Zudem können nach ärztli- cher Verschreibung „magistrale Zuberei- tungen“ in der Apotheke individuell für den Patienten hergestellt und in Verkehr gebracht werden. Das bestätigt auch Sabine Lexer, Inha- berin der Sonnenhof-Apotheke in Wien. In jüngerer Zeit sind von Händlern auch nicht rezeptpflichtige CBD-haltige Pro- dukte angeboten worden: „Wir haben überlegt, ein Nahrungsergänzungsmittel ins Sortiment aufzunehmen. Es wurde als Produkt mit einer Zulassung nach der Urprodukteverordnung angepriesen“, so Lexer. Diese legt fest, welche Waren als der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion zugehörig gelten dürfen. In der aktuellen Fassung werden darin auch im Rahmen der Land- und Forstwirt- schaft anfallende Ausgangsprodukte für Medizin und Kosmetik genannt. Da das mitgelieferte Analysenzertifikat den Vor- schriften entsprochen habe, zeigte sich Lexer interessiert. Doch ein Erlass des Gesundheitsministeriums vom Dezember vergangenen Jahres machte einen Strich durch die Rechnung. Darin wurde die Meinung vertreten, Cannabis-Produkte fallen rechtlich gesehen entweder unter die „neuartigen Lebensmittel“ (nach der EU-„Novel Food“-Verordnung) oder könn- ten als „kosmetische Mittel“ deklariert werden. Für Ersteres bedürfe es aber einer eigenen Zulassung, für Zweiteres sind Cannabis und daraus hergestellte Extrakte dezidiert verboten. Ein Inver- kehrbringen sei also nicht zulässig. In einem Rundschreiben der Apothekerkam- mer wurde dazu präzisiert, dass insbeson- dere Produkte, die Cannabinoid-haltige Extrakte enthalten, unter die „neuartigen Lebensmittel“ fallen würden. Das natür- liche Vorkommen derartiger Substanzen in „herkömmlichen Lebensmitteln“, die aus Hanfblättern oder -samen hergestellt würden, wäre davon nicht betroffen. Werner Pfannhauser, staatlich befug- ter Lebensmittelgutachter und Doyen der österreichischen Lebensmittelche- mie, widerspricht der Rechtsmeinung des Gesundheitsministeriums: „Wenn eine Substanz wie CBD in traditionellen Lebensmitteln enthalten ist, dann lässt sich argumentieren, dass auch ein Zusatz dieser Substanz zu anderen Erzeugnissen zulässig sein muss.“ Was nicht behaup- tet werden dürfe, sei eine pharmakolo- gische Wirkung der Verbindung. Libera- lisierungsforderungen mit Hinblick auf die Verwendung als Arzneimittel hält der Sachverständige daher für kontraproduk- tiv, da die geltende Gesetzeslage ohnehin für eine Vermarktung ausreiche. Großer Grower Roman Meidlinger kann ein Lied von den Schwierigkeiten singen, Produkte, deren Anbau legal ist, auch auf den Markt zu bringen. Mit seinem Unternehmen Future Grow war er einer der Pioniere der legalen Indoor-Hanfzucht in Öster- reich. 60 Zuchträume betreibt er heute, jeder Raum wird separat beprobt. Mit den Behörden, sagt er, sei er nie in Konflikt gekommen. Er verkauft Blütenprodukte als „Potpourrischüssel“, also als Mischung wohlriechender Pflanzenteile, die für einen guten Duft im Zimmer sorgen. „Es ist weder zugelassen, Hanfblüten als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt zu bringen, noch sie als Ersatztabak zu deklarieren“, sagt Meidlin- ger. Letzteres hat der Unter- nehmer, analog zu anderen, zum Rauchen gedachten Kräutermischungen versucht, scheiterte aber an einer Zustimmung des Finanzministeriums. Den Erlass des Gesundheitsministeriums begrüßt er den- noch, weil er für Klarstellung gesorgt hat. Der Wildwuchs dessen, was alles ange- boten wurde, ist ihm schon länger ein Dorn im Auge. „Aus Italien kommen Blü- ten herein, die mit Alkohol ausgewaschen wurden, damit Cannabinoid-Werte in den gesetzlich zulässigen Bereich fallen und dann mit Terpenen angereichert werden, damit es gut riecht“, erzählt er. Das sei Betrug am Kunden, denn CBD sei da sicher keines mehr drinnen. Das letzte Wort ist in dieser Sache also wohl noch nicht gesprochen, eine Neube- wertung von Cannabis scheint weltweit im Gange zu sein. Wer Hanfprodukte als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungs- mittel anbieten will, dem stellen sich in jedem Fall noch weitere analytische Auf- gaben. Wie in anderen Lebensmitteln auch müssten dann Rückstände von Pesti- ziden, Mykotoxinen oder Schwermetallen bestimmt werden. Shimadzu-Experte Poig- ner ist sich der Anforderungen bewusst: „Wir bieten auch dafür die entsprechen- den Analytik-Lösungen an.“