LIFE SCIENCES chemiereport.at AustrianLifeSciences 2020.7 41 Thomas R. Kreil, Leiter der globalen Pathogensicherheit bei Takeda, konnte mit seinem Team wesentliche Beiträge zur Entwicklung der Therapie leisten. Die gemeinsamen Bemühungen haben nun dazu geführt, dass Anfang Oktober mit der Registrierung von Patienten für eine kli- nische Phase-III-Studie zur Behandlung mit Hyperimmunglobulin begonnen wurde. Einen Teil der Kosten des multizentrischen Stu- dienprogramms hat das „National Institute of Allergy and Infecti- ous Diseases“ – ein Teil der „US-National Institutes of Health“ (NIH) – übernommen. Bis zu 58 Standorte in 18 Ländern nehmen an der weltweit durchgeführten Studie teil. Die Patienten müssen dabei bestimmte Kriterien erfüllen, um sinnvoll mit dem aus dem Plasma gewonnenen Antikörper-Cocktail behandelt werden zu können: Sie sind bereits mit COVID-19- Symptomen stationär aufgenommen worden, ohne aber lebensbedrohliche Organdysfunktionen oder Organversagen zu zeigen. „Es gibt ein relativ frühes Zeitfenster für die optimale Wirkung dieser Art der Therapie. Sind bereits Organ- schädigungen aufgetreten, ist es dafür wahrscheinlich schon zu spät“, sagt Kreil. Worauf man in Wien schon bauen konnte Wollte man einen Produktionsprozess für eine solche plasmaba- sierte Therapie von Grund auf neu entwickeln, würde es Jahre dau- ern bis man ein Produkt hätte, das am Patienten eingesetzt werden kann. Doch die Plasmafraktionierungsanlage am Takeda-Standort Wien benützt ein seit langem etabliertes Verfahren, um Immun- globuline zu gewinnen. Daher konnte man bereits nach wenigen Wochen erstes Material produzieren. „Der Prozess ist seit 15 Jahren erprobt und hat ein vielfach bestätigtes Sicherheitsprofil“, erklärt dazu Karl-Heinz Hofbauer, der die Wiener Produktionsstandorte von Takeda leitet. Dazu komme, dass man hier das Fachwissen, die Mitarbeiter und die Infrastruktur habe, um in sehr kurzer Zeit kli- nisches Prüfmaterial im Pilotmaßstab zu erzeugen, das in der Stu- die nun verwendet werden kann. Dass das Produktionsverfahren nicht erst langwierig an die Therapie gegen COVID-19 angepasst werden musste, erklärt sich aus dem Prinzip der passiven Immunisierung: Im Unterschied zu monoklonalen Antikörpern, die entwickelt werden, um gezielt ein bestimmtes Target zu adressieren, werden dabei polyklonale Antikörper verabreicht, die die gesamte humorale Immunantwort eines Organismus beinhalten, die gegen alle jene Erreger gebildet wurden, mit denen der Spender in Kontakt kam. Eine Selektion der Antikörper hinsichtlich Spezifität kann also entfallen. Es genügt, die Spender zu selektieren, um in deren Plasma ausreichend gegen SARS-CoV-2 gerichtete Antikörper vorzufinden. Ebenso wie Takeda benützen auch andere Mitglieder der Allianz ihre jeweils eigenen Produktionsprozesse, um Hyperimmunglobu- lin zu erzeugen. „Damit die ersten Produkte dennoch vergleichbar sind, wurden standardisierte Qualitätstests entwickelt, die zeigen, dass die Antikörper den Krankheitserreger erfolgreich bekämp- z n e r o L s a k u L , a d e k a T : r e d l i B Matthias Gessner, Leiter von Bio- Life Europa, konnte mit den in Öster- reich angesiedelten Plasmazentren die ersten Spenden von rekonvales- zenten Patienten sammeln. In der Plasmafraktionierungsanlage in Wien wird ein seit langem eingespielter Prozess zur Herstellung von Immun- globulinen verwendet. fen“, erklärt Kreil. Dazu wurden sogenannte „Critical Quality Attri- butes“ definiert, die von dem erzeugten Material eingehalten wer- den müssen, um für die klinischen Tests infrage zu kommen. Neben den Gründungsmitgliedern der Allianz, Takeda und CSL Behring, gehören auch Biotest, BPL, LFB und Octapharma dazu. Zudem haben sich einige Unternehmen angeschlossen, die nicht aus der Branche kommen: So hat Microsoft die Website der Allianz und einen „Plasma Bot“ für die Rekrutierung von Spendern entwickelt; Firmen wie Uber Health übernehmen logistische Aufgaben. Karl-Heinz Hofbauer, Leiter der Wiener Produktionsstandorte von Takeda, konnte mit seinem Team in kürzester Zeit klinisches Prüfmaterial bereitstellen. Damit das Plasmaaufkommen mithält Der österreichische Standort von Takeda trägt aber nicht nur durch die Herstellung von plasmabasiertem Prüfmaterial zur Ent- wicklung der Therapie bei. Denn um dieses erzeugen zu können, benötigt man ausreichende Mengen an Plasmaspenden von Men- schen, die COVID-19 bereits überstanden haben. Die Takeda-Toch- ter BioLife betreibt im Bundesgebiet zwölf Plasmazenten, in denen schon früh damit begonnen wurde, solches Plasma zu sammeln. „Wir haben sehr früh mit der AGES Kontakt aufgenommen, um Plasma von genesenen COVID-19-Patienten zu gewinnen“, erzählt Matthias Gessner, Leiter von BioLife Europa. Bereits am 23. März konnte in Österreich die erste solche Spende entgegengenommen werden. „Es ging darum, schnell zu sein, um erste Chargen von Antikörpern her- stellen zu können“, so Gessner. Im nächsten Schritt ging man in die Breite und informierte Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte. „Die Information hat sich aber auch durch Mundpropaganda ver- breitet und durch die mediale Unterstützung – manche Spender mel- den sich von selbst in den Plasmazentren“, erzählt Gessner. Global betrachtet bestehe aber das Problem, dass angesichts der Einschränkungen, die die Pandemie verursacht hat, das Auf- kommen von Plasmaspenden insgesamt zurückgegangen ist. „Das ist nicht nur für die Entwicklung der Immunglobulin-Therapie, sondern auch für jene Patienten problematisch, die auch sonst auf Medikamente aus Plasmaspenden angewiesen sind“, warnt Gessner. Insgesamt sollen in die klinische Phase-III-Studie rund 500 Pati- enten eingeschlossen werden, von denen die Hälfte einem Placebo- Arm, die andere der Plasmatherapie zugewiesen wird. Patienten in beiden Armen wird zusätzlich das virostatische Präparat Remdesi- vir verabreicht, das derzeit den Stand der Technik zur Behandlung von COVID-19 darstellt. Wann Ergebnisse der Studie bekannt sein werden, lässt sich derzeit noch schwer sagen: „Das hängt von vielen Faktoren ab, die wir nicht beeinflussen können – nicht zuletzt vom weiteren Verlauf der Pandemie“, so Kreil.