CR: Stellt die derzeitige Energiesituation die Klimaschutzziele von BASF infrage? Oder ist es sogar so, dass sich Investitionen in alternative Energieformen jetzt schneller rechnen? Wir haben schon vor der Energiekrise begonnen, in erneuerbare Energien zu investieren, z. B durch den Erwerb eines Windparks in der Nordsee und die Errichtung einer großen Photovoltaik-An- lage am Standort Schwarzheide in Brandenburg. Außerdem ent- wickeln wir Lösungen, um technische Prozesse auf erneuerbare Energie umzustellen. Ein Beispiel dafür ist die Elektrifizierung ei- nes Naphtha-Crackers. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Kurzfristig müssen wir aus Kostengründen aus dem Gas raus und ins Öl hinein, langfristig stellen wir unsere technologische Basis um. Unsere Klimaschutzziele sind dadurch nicht infrage gestellt, die Herausforderung des Klimawandels hat ja nichts an seiner Dringlichkeit verloren. Aber es ist schon so, dass wir von einer bestimmten ökonomischen Basis für die Transformation hin zur Klimaneutralität ausgegangen sind – und die hat Erdgas als Übergangstechnologie vorgesehen. Da müssen wir jetzt An- passungen vornehmen. CR: Aber sind die politischen Ziele, zum Beispiel, was den Anteil an Elektrizität betrifft, der aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden soll, zu halten? Das ginge schon bei gleichbleibendem Verbrauch schwer – wenn jedoch immer mehr elektrifiziert wird, steigt der Bedarf aber sogar noch an. Das stimmt, der Elektrizitätsverbrauch wird steigen. Hier ist ein Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ge- fragt: Wir brauchen einen starken Ausbau erneuerbarer Energie- formen und die entsprechenden Leitungen, um den Strom zu ver- teilen. Da ist jeder dafür, aber nicht, wenn es im eigenen Vorgarten passiert. Außerdem müssen wir aufpassen, dass nicht neue Abhän- gigkeiten bzgl. Rohstoffen und Technologie in diesen Bereichen entstehen. Wir sind etwa bei der Elektromobilität in Europa weit davon entfernt, die Hand auf den erforderlichen Technologien zu haben. Die führenden Batteriehersteller kommen nicht von hier. Andererseits ist die Wertschöpfung für BASF bei einem Elektro- fahrzeug höher als bei einem konventionellen, weil in der Batterie viel Chemie enthalten ist und viele andere Dinge nicht wegfallen. CR: Wie sieht denn derzeit die Rohstoffsituation aus? Tut sich BASF mit seinem großen Marktvolumen da leichter? Die Lieferketten-Problematik entspannt sich langsam. Leider kommt es noch zu Ausfällen aufgrund der Null-COVID-Strategie in China. Aber wenn einzelne Rohstoffe nicht in ausreichender Menge verfügbar sind, stehen wir im weltweiten Wettbewerb mit allen anderen, da nützt uns auch unser Marktvolumen nichts. CR: Wie beurteilen Sie die Geschäftsentwicklung in den Ländern, für die Sie verantwortlich sind? BASF betreibt gemeinsam mit Vattenfall und Allianz einen Windpark vor der Küste zwischen Den Haag und Zandvoort. E S F S A B : r e d l i B MÄRKTE & MANAGEMENT chemiereport.at AustrianLifeSciences 2022.8 17 Im August nah- men BASF und EnviaM den Solar- park in Schwarz- heide in Betrieb. Wettbewerb Innovation Hub 2022 Nach der ersten Austragung im vergangenen Jahr, den das österreichische Unternehmen Revo Foods für sich entscheiden konnte, schrieb BASF 2022 zum zweiten Mal den Startup-Wettbewerb „Innovation Hub“ aus. Als The- men wurden in diesem Jahr „Clean Energy“, „Smart Trans- portation“ und „Farm to Fork“ ausgegeben. Die Jury wählte aus mehr als 100 Einsendungen aus elf Ländern (Bulga- rien, Bosnien, Kroatien, Serbien, Slowakei, Tschechien, Griechenland, Slowenien, Rumänien, Ungarn, Österreich) die Besten aus, die Sieger der lokalen Ausscheidungen nahmen am „Grand Finale“ am 4. November 2022 teil. Die Gewinner 2022 sind Ekolive aus Tschechien und Hollo- id aus Österreich. Ekolive hat ein bakterielles Biolaugungs- verfahren zur Verarbeitung von Abfällen, Mineralien und Bodenmaterial entwickelt. Holloid (ein Spinoff der BOKU) nutzt holographische Mikroskopie und künstliche Intelli- genz für die Inline-Charakterisierung kolloidaler Systeme (z. B. Zellen in einem Bioreaktor). Die beiden Siegerfirmen gewinnen jeweils 7.500 Euro (2.500 Euro für den lokalen Gewinn und 5.000 Euro für den internationalen Gewinn). https://join-innovationhub.com Südosteuropa hat nach wie vor starkes Wachstumspotenzial. Wo- rauf man schauen muss, ist das große Gewicht der Automobilzu- lieferindustrie in diesen Ländern, die Abhängigkeit von diesen Märkten ist stark. Es steigt aber auch der lokale Bedarf an Gütern an. In den Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee sehe ich große Chancen durch die Anforderungen der Klimaneutralität. Dort be- schäftigt man sich intensiv mit Power-to-X-Technologien und Car- bon Capture & Storage. Ich selbst habe vor kurzem die Verantwortung für das Geschäft in der Ukraine dazubekommen. Wir haben dort keinen Produk- tionsstandort, nur Vertrieb und Marketing – Pflanzenschutzmittel und Saatgut sind die größten Produktgruppen. Wir können uns kaum vorstellen, wie es der ukrainischen Bevölkerung geht. Der- zeit arbeiten 235 Menschen unter schwierigsten Bedingungen für BASF, wir unterstützen sie, wo wir können, und es gelingt uns, mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben. Das Geschäft in Russland haben wir – bis auf einige Produkte, die in die Lebensmittelkette gehen – aufgegeben. CR: Wie entwickelt sich der Markt in Österreich? Da sind wir sehr gut unterwegs. Speziell im Bereich Pflanzen- schutzmittel zeigt sich der Markt sehr robust. Wir arbeiten auch tatkräftig an unserem neuen Produktionsstandort in Kundl, an dem wir bakterielle Enzyme und andere biotechnologische Pro- dukte herstellen werden. Derzeit wird die von Novartis übernom- mene Anlage umgebaut und Personal rekrutiert. Im Technologie- park von Novartis erhalten wir sehr gute Unterstützung dafür. Das wird eine tolle Bereicherung für BASF Österreich.