32 COVERTHEMA chemiereport.at AustrianLifeSciences 2023.8 wandfreiem Trinkwasser“, nennt Farnleitner die Zahlen, die hier kursieren. Vielfach liegt das an der fehlenden Infra- struktur für die Abwasserentsorgung: „Infizierte Menschen und Tiere schei- den Krankheitserreger aus. Das damit belastete Abwasser verunreinigt Grund-, Brunnen- oder Oberflächenwasser, das als Trinkwasser verwendet wird. So schließt sich leicht der Kreis“, sagt dazu Regina Sommer, Professorin für Wasser- hygiene an der Medizinischen Universi- tät Wien. Die Zahl der Krankheiten, die auf diese Weise übertragen werden kön- nen, ist groß. Je nach Erreger lassen sich humanpathogene Bakterien (Salmonel- len, Campylobacter ...), Viren (Noroviren, Rotaviren, Hepatitis A und E ...) und euka- ryotische Parasiten wie Cryptosporidium und Giardia lamblia unterscheiden. Am häufigsten ist der Magen-Darm-Trakt von Infektionen mit diesen Pathogenen betroffen. Die Folgen sind dramatisch: „Man schätzt die Zahl der Todesfälle, die mit über Wasser übertragenen Krank- heiten assoziiert werden, weltweit auf 820.000 pro Jahr“, zeigt Farnleitner auf. Regina Sommer, Professorin für Wasserhygiene an der Medizinischen Universität Wien: „Der Klimawan- del verschärft die Situation in Län- dern, die schon heute Probleme in der Trinkwasserversorgung haben.“ Vor diesem Hintergrund wurden unter die „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ der UNO (die sogenannten SDGs) auch die Ver- sorgung mit einwandfreiem Trinkwasser und der Zugang zu angemessener Sani- tärversorgung aufgenommen. Diese weit- reichenden Zielsetzungen sind indes mit vielen anderen Aspekten des „globalen Wandels“ verflochten. Die Klimaverände- rung beispielsweise verschärft die Situa- tion in Ländern, die schon heute Probleme in der Trinkwasserversorgung haben, noch weiter, wie Sommer darstellt: „Durch Dürren kommt es zu vermindertem Was- serdargebot, es müssen auch minderwer- tigere Vorkommen für die Trinkwasser- verwendung herangezogen werden. Und wenn die Qualität des Bodens durch Bio- diversitätsverlust an Güte verliert, ist auch dessen Reinigungseffekt davon betrof- fen.“ Dazu kommt, dass es bei wachsen- der Bevölkerung immer schwieriger wird, Trinkwasserschutzgebiete von solchen der Abwasserentsorgung zu trennen. Die Urbanisierung in Afrika und Asien schrei- tet rasch voran und treibt immer mehr Menschen in die Zentren, wo die Wasser- qualität oft besonders schlecht ist. Hochwasser oder Trocken- heit – beides ist schlecht Der Klimawandel betrifft indes auch unsere Breiten. „Wenn es öfter zu Hoch- wasser kommt, können mehr mikrobiolo- gische Verunreinigungen in Oberflächen- wässer gespült werden oder ungeklärt in den Fluss gelangen“, zeigt Farnleitner auf. Umgekehrt würden längere Trocken- perioden dazu führen, dass Nähr- und Schadstoffe weniger verdünnt werden und daher die Gewässer stärker belasten. Diskutiert wird sogar, dass häufiger wer- dende Waldbrände das Grundwasser mit Verbrennungsrückständen verunreinigen könnten. Und schließlich wäre da noch die Erwärmung selbst: „Höhere Tempe- raturen ermöglichen intensiveres mikro- biologisches Wachstum. Das sind Heraus- forderungen, die es zu verstehen gilt, um proaktiv handeln zu können“, erläutert Farnleitner die Zusammenhänge. Andererseits bieten neue technologi- sche und regulatorische Ansätze Chancen, diesen Herausforderungen zu begegnen: „Die WHO ist beispielsweise dazu über- gegangen, Gesundheits-basierte Qualitäts- ziele vorzuschlagen, etwa im Trinkwasser- bereich das aus der Lebensmittel-Hygiene stammende HACCP-Konzept, das Risiken schon durch präventive Maßnahmen ver- hindern will“, erklärt Farnleitner. Neue molekulargenetische und sensorische Verfahren erleichtern die Qualitätsana- lyse, hydrologische Modelle lassen Maß- nahmen zum Management der Wasserres- sourcen ableiten (dazu mehr auf Seite 35). Expertise als Exportgut Die letzte Hürde kann mittels Desinfek- tionsanlagen genommen werden: „Wann immer Oberflächenwasser oder genutztes Wasser zu Trinkwasser aufbereitet wird, ist die Desinfektion der letzte essenzielle Schritt in mehrstufigen Aufbereitungsan- lagen, um Krankheitserreger präventiv unschädlich zu machen“, sagt Sommer, die sich auf dieses technologische Feld beson- ders spezialisiert hat. Österreich ist dabei Vorreiter in der Verwendung eines Ver- fahrens, das in den vergangenen Jahren auch international vermehrt Beachtung gefunden hat: die Desinfektion mittels UV- Bestrahlung. „Hierbei werden keine Che- mikalien zugesetzt. Die Inaktivierung der Krankheitserreger erfolgt ganz spezifisch, ohne Nebenprodukte, wie sie bei der che- ONE WATER mischen Desinfektion auftreten, und ohne Änderung der chemischen und physika- lischen Wasserbeschaffenheit“, legt Som- mer die Vorteile dieser Methodik dar. Die Validierung und Qualitätssicherung dafür hat Sommers Team entwickelt, ihre Kennt- nisse flossen in nationale und internatio- nale Normen ein. Andreas Farnleitner, Leiter des For- schungsschwerpunkts Wasser und Gesundheit an der KL und der TU Wien: „Neue technologische und regulatori- sche Ansätze bieten die Chance, den Herausforderungen zu begegnen.“ Auch sonst sind die österreichischen Experten gut vernetzt und bringen ihre Expertise auch überregional ein: Regina Sommer war vor kurzem in Singapur, um mitzuhelfen, die „International Water Week“ im Juni 2024 vorzubereiten. Der Themenkreis, an dem sie dort mitarbeitet, nennt sich „Water and One Health“ und zeigt große Überschneidungen mit der „One Water“-Veranstaltung in Krems. „Wir wollen dort alle wasserhygienischen Fra- gestellungen abdecken, die die menschli- che und tierische Gesundheit, aber auch die Gesundheit der Umwelt („environmen- tal health“) betreffen können.“ „One Water“ für den gesamten Donauraum Andreas Farnleitners Gruppe an der KL wiederum war federführend am Auf- bau des Kooperationszentrums ICC Water & Health beteiligt, das gemeinsam mit der TU Wien und der Medizinischen Universi- tät Wien gegründet wurde. Damit hat sich eine Einrichtung etabliert, deren Kompe- tenz zum Thema „Wasser und Gesund- heit“ überregional wirksam ist. Auf der Basis neuer molekular-diagnostischer Verfahren, der mikrobiologischen Risiko- bewertung sowie der Verbindung zu tra- ditionellen Verfahren, auf die sich die hier versammelten Wissenschaftler verstehen, wurden grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse für den Donauraum gewon- nen. Für diese Arbeiten wurde Farnleiter kürzlich auch mit dem Danubius Award 2023 ausgezeichnet, den das Bildungsmi- nisterium und das Institut für den Donau- raum und Mitteleuropa vergeben. i n e t f a h c s n e s s w s t i e h d n u s e G i r ü f t ä t i s r e v n u t a v i r P - r e n e t s d n a L - l r a K i , n e W i i t ä t i s r e v n U e h c s n z d e M i i i : r e d l i B