seine Grenzen: „Die Flächen, um die es hier geht, gehören oft gar nicht den betrof- fenen Landwirten, sondern Nachbarn oder der Straßenmeisterei“, sagt Kamptner. Und hier steht oft die Verkehrssicherheit dem Wunsch, einen Straßenrand nicht abzumä- hen, entgegen. „Es würde schon ausreichen, nicht ausgerechnet zur Flugzeit der Zika- den zu mähen, denn das verstärkt den Ver- teilungseffekt zusätzlich“, schlägt Schmid vor. Doch auch in der landwirtschaftlichen Community selbst ist das „Wachsenlassen“ umstritten: „Da gibt es schon einmal Diskus- sionen mit der älteren Generation, die meint: Was sagen denn da die anderen, wenn das bei uns so aussieht“, erzählt Liane Bauer aus dem betrieblichen Alltag. Wirksam könnte dagegen eine künstli- che Bewässerung der Äcker sein: „Wir wis- sen aus Beobachtungen im Marchfeld, dass kaum Ertragsverluste auftreten, wo bewäs- sert wird“, zeigt Brader auf. Aufgrund der geringen Belastung in dieser Region konn- ten im Zuge des Projekts aber dazu keine systematischen Versuche durchgeführt wer- den – und im Weinviertel müsste man die Bewässerung erst etablieren. Kampf den Zikaden Eingehend und systematisch haben sich die wissenschaftlichen Partner des Projekts mit dem möglichen Einsatz von Pflanzen- schutzmitteln beschäftigt. Riedle erläutert die grundsätzliche Vorgehensweise: „Die entscheidende Frage ist, wie schnell Insek- tizide das Leben der Zikaden beeinflussen können – im Vergleich zur Übertragung von Phytoplasmen auf die Pflanzen.“ Aus den mithilfe eines Topfmodells gewonne- nen Erkenntnissen wurde ein Spritzplan für nachfolgende Feldversuche erstellt, die in den Jahren 2018 bis 2020 über die Bühne gingen, als die Belastung durch Stolbur am stärksten war. Diese Vorgehensweise wandte man nun sowohl bei biologischen als auch bei synthetischen Insektiziden an, die zur Anwendung in Kartoffelkulturen zugelassen sind. Mit biologischen Mitteln (Gesteinsmehl, ätherische Öle, Nematoden und Insekten-Pathogene) konnte keine Wir- kung erzielt, bei chemischen Insektiziden der Befall um bis zu 50 Prozent reduziert werden. „Das ist aber in vielen Fällen immer noch zu viel – und das bei hohem Insekti- zid-Einsatz“, schätzt Brader ein. Riedle kann sich vorstellen, dass eine oder zwei gezielte Insektizidanwendungen in der Zikaden-Hochsaison als Teil einer Gesamtstrategie sinnvoll sein könnten– wohlgemerkt in den Kartoffelanbauflächen selbst: „Bei den Ackerwinden sind wir nicht in der Zielfläche. Die Anwendung von Insek- tiziden auf solchen für die Biodiversität so wichtigen Flächen ist gesetzlich nicht erlaubt und auch nicht zu vertreten.“ Was ging und was nicht ging DAS PROJEKT Bleibt schließlich die Wahl der angebauten Kartoffelsorten. Hier fanden die Versuche vor allem bei der NÖ. Saatbaugenossenschaft statt – dem einzigen Kartoffelzüchter Öster- reichs. In weiterer Folge beteiligten sich auch international tätige Pflanzenzucht-Unterneh- men. Dabei wurde an zwei Punkten ange- setzt: Kann man Sorten wählen, an denen die Zikaden weniger gern saugen? Und gibt es Sorten, die weniger anfällig für die Infek- tion durch Phytoplasmen sind? Beim ersten Punkt kommt es auf das Äußere der Pflanzen an: „Wir haben Sorten mit verschiedenen Blatt- farben und mit behaarten Blättern getestet, aber keine Unterschiede im Saugverhalten gefunden“, berichtet Pflanzenzüchterin Sus- anne Kirchmaier. Aber auch bezüglich Anfäl- ligkeit dämpft Kirchmaier die Erwartungen: „Dass es resistente Sorten geben könnte, ist eine Wunschvorstellung. Was wir gesehen haben, ist, dass manche Sorten toleranter sind als andere – das wurde in den Sortenversu- chen aber durch Jahreseffekte überlagert.“ Ein echtes Resistenzzüchtungsprogramm würde eine Vorlaufzeit von zehn Jahren in Anspruch nehmen. Und selbst wenn man eine Sorte mit besonders hoher Toleranz gefunden hätte, wäre der Erfolg bei den Landwirten noch nicht gesichert: „Die Widerstandsfähigkeit gegen diese Krankheit ist ja nicht das einzige Aus- wahlkriterium. Es gibt ja auch andere Schäd- linge, aber auch Ertragserwartungen der Landwirtschaft“, gibt Kirchmaier zu bedenken. Zu einem der geplanten Forschungs- stränge ist es im Projekt „StolREG“ nicht gekommen, weil die Belastung mit dem Stol- bur-Erreger in den Kartoffelkulturen in den letzten Jahren so stark abgenommen hat. „Wir hatten geplant, Wettersensoren einzu- setzen und in einem Prognosemodell mit dem Auftreten der Symptome zu korrelie- ren“, sagt Zederbauer. „Das konnte aber nicht umgesetzt werden, weil wir im Feld keine Larven gefunden haben.“ Kamptner setzt diesen Umstand in einen größeren Kontext: „Viele Maßnahmen konn- ten wir aufgrund der geringen Belastung den letzten Jahren nicht testen. Aber wenn es wie- der zu einem Ausbruch kommt, können wir bereits auf etwas aufbauen.“ Zudem stehen jetzt Methoden zur Verfügung, mit denen sich schnell abklären lässt, ob es sich bei einem Schadbild um Stolbur handelt oder nicht. Diese wurden auch bereits vom Agrana Rese- arch Center übernommen. „Für uns ging es darum, ein Gespür für die Situation auf dem Feld zu bekommen, das mit wissenschaftli- cher Kompetenz abgesichert ist“, betont Liane Bauer. „Die Bauern haben schnell ihre eigenen Theorien. Wenn man ihnen konkrete Versuchs- ergebnisse zeigen kann, lassen sie sich aber schon überzeugen.“ Denn eines steht fest: Glasflügelzikaden sind Gewinner des Klima- wandels. Sie werden wiederkommen. Das Projekt StolREG wird –von der FFG- Initiative „Collective Research“ gefördert. Forschungspartner: Höhere Bundes- lehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau (HBLAuBA), Austrian Institute of Technology GmbH (AIT) Drittleister: Landwirtschaftliche Fach- schule/Wein- und Obstbauschule Krems, Bundesamt für Weinbau (BAWB), Land- wirtschaftskammer Steiermark (Weinbau), Landwirtschaftskammer Niederösterreich (Kartoffel & Gemüse), NÖ Saatbauge- nossenschaft reg. Gen.mbH (NÖS), Land- wirtschaftliche Fachschule Obersieben- brunn, Prischink GmbH, Landwirt Hans Gnauer, biohelp – biologischer Pflanzen- schutz, Nützlingsproduktions-, Handels- und Beratungs-GmbH, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungs- sicherheit GmbH (AGES), IoT Systems GmbH, Ökoteam – Institut für Tierökologie und Naturraumplanung OG Unternehmenspartner und Verbände: AGRANA Research & Innovation Cen- ter GmbH (ARIC), Kelly Ges.m.b.H, Lamb Weston Austria GmbH (LWA), 11er Nah- rungsmittel GmbH, RWA Raiffeisen Ware Austria Aktiengesellschaft, PUR ORGA- NIC PRODUCTS GmbH, BIO-Kartof- fel Niedermayer GmbH, BAUERkartoffel GmbH, LAPRO Landesprodukten Han- dels Ges.m.b.H., EZG Bauernerdäpfel Ver- kaufs-GmbH, InteressenGemeinschaft Erdäpfelbau (IGE), Weinbauverband Nieder- österreich, Weinbauverband Burgenland, Weinbauverband Steiermark, Bayer Austria GmbH, Kwizda Agro GmbH, Syngenta Agro GmbH, Europlant Pflanzenzucht GmbH, Saka Pflanzenzucht GmbH & Co KG, C. Meijer BV (Meijer Potato) DER ECOPLUS LEBENSMITTEL CLUSTER NIEDERÖSTERREICH Der ecoplus Lebensmittel Cluster Nieder- österreich stärkt durch die Begleitung von Kooperationsprojekten die Innovations- tätigkeit des heimischen Lebensmittelsek- tors und festigt dadurch die vorhandenen heimischen Kompetenzen in den Bereichen Lebensmittelproduktion, -technologie und -vermarktung. Der ecoplus Lebensmittel Cluster Niederösterreich wird über das Pro- jekt „NÖ Innovationsökosystem“ von der Europäischen Union kofinanziert. Ansprechpartner: Martina Zederbauer Projektmanagerin ecoplus. Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH 3100 St. Pölten, Niederösterreich-Ring 2, Haus B Tel. +43 2742 9000-19676 M.Zederbauer@ecoplus.at