Erdgas: Industrie gegen Importstopp

Die Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer warnt vor einem Missbrauch von Erdgas als „wirtschaftspolitische Waffe“. Sie fordert die Sicherstellung der Gasversorgung sowie die Klärung der Frage, was im Energielenkungsfall auf die Unternehmen zukommt.

Foto: WKÖ/Manfred Burger
Warnung der WKÖ: Ein Gasimportstopp würde die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern gefährden.

 

„Erdgas darf nicht als wirtschaftspolitische Waffe verwendet werden. Hundertausende Arbeitsplätze wären bei Produktionsstillständen gefährdet.“ Das betonte Siegfried Menz, der Obmann der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer, bei einer Pressekonferenz am 5. April. Menz zufolge würde ein Stopp der Erdgasimporte aus der Russländischen Föderation (RF) die Versorgung der österreichischen Bevölkerung „mit lebensnotwendigen Produkten und Dienstleistungen in den Bereichen Ernährung, Hygiene, Medizin, Verpackungen, Bauen und Wohnen“ gefährden. In der Stahl-, der Gießerei- und der Glasindustrie seien Ausfälle von Schmelzprozessen und damit Millionenschäden zu befürchten. Ferner würde die „Herstellung von pharmazeutischen Produkten würde zum Stillstand kommen, in der Halbleiterproduktion sowie bei der Herstellung von Hygieneprodukten und Verpackungen würden irreparable Schäden an den Anlagen entstehen, die ein Wiederhochfahren in kurzer Zeit verunmöglichen“. Daher müsse „alles unternommen werden, um die heimische Industrie mit ihren rund 460.000 Beschäftigten am Laufen zu halten und die Gasversorgung kurz- und mittelfristig sicherzustellen“.

 

Die Industrie benötige rund drei Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr, was etwa einem Drittel des österreichischen Gasbedarfs entspreche. Kurzfristig verfügbare Alternativen zum „Russengas“ sind laut Menz nicht verfügbar. Folglich gelte es, mögliche Engpässe in der Gasversorgung „primär durch freiwillige, marktbasierte Maßnahmen auszugleichen. Der vorhandene Notfallplan mit definierten Krisenstufen muss aus der Parteipolitik herausgehalten werden. Die aktuelle Situation erfordert Krisenmanagement“. Bekanntlich habe die Bundesregierung die erste Stufe des Notfallplans für Versorgungskrisen im Erdgasbereich aktiviert. Nun müsse klargestellt werden, was auf die Industrie zukomme, wenn die Stufe 3 ausgerufen werde, also der sogenannte „Energielenkungsfall“. „Selbstverständlich sind die Haushalte und die kritischen Infrastrukturen vorrangig zu versorgen. Die Unternehmen müssen aber wissen, was auf sie zukommt und wie die verfügbaren Vorräte verteilt werden“, forderte Menz. Es sei klar, dass Österreich angesichts des derzeitigen Gasspeicherfüllstands von etwa 13 Prozent „höchstens fünf bis sechs Wochen“ durchhalten könne.

 

Zur Wirtschaftslage im Allgemeinen konstatierte Menz, die WKÖ gehe von einem Wachstum des BIP um etwa 3,5 Prozent aus. Noch seien die Auftragsbücher gut gefüllt, „aber wir wissen nicht, wie lange“. Der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie, Andreas Mörk, ergänzte, mit dem Angriff der RF auf die Ukraine am 24. Feber habe sich die Hoffnung, einen positiven Ausblick geben zu können, zerschlagen. Zwar habe die Industrie mit einem Produktionswert von 202,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr erstmals die „Marke“ von 200 Milliarden Euro übertroffen. Doch dies sei den gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten geschuldet, nicht aber einer Ausweitung der Absätze.

 

Angesichts des massiven Anstiegs der Großhandelspreise – bei Strom beispielsweise um 163,2 Prozent, bei Gas um 465,7 Prozent und bei Aluminium um 79 Prozent – seien die Liquidität und die Margen der Unternehmen „massiv unter Druck“. Hinzu kämen Probleme bei den Lieferketten, die vermehrt zu Kurzarbeit und zu Herausforderungen bei der Beschäftigung führten. Ensprechend sorgsam gelte es bei den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen zu agieren. Wünschenswert sei die Schaffung der Möglichkeit, den Beschäftigten steuerfreie Prämien nach Art der  „Coronaprämie“ anbieten zu können. Finanzminister Magnus Brunner solle ehestens die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Diese sollten dauerhaft gelten, um in Krisenfällen entsprechende Angebote machen zu können, empfahl Mörk.