Großer Schritt - vor und zurück

Die Einigung des EU-Parlaments und des Rates über die Einwegkunststoff-Richtlinie wird von deren Befürwortern begrüßt und von den Gegnern weiterhin scharf abgelehnt.

Foto: EC-Audiovisual Service / Mauro Bottaro
EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans: EU geht Lösung des Plastikmüllproblems mutig an

 

Die Reaktionen auf die Einigung des EU-Parlaments und des Rates über das Verbot von Einwegplastik-Artikeln durch die Einwegkunststoff-Richtlinie fallen aus wie erwartet: Für seine Befürworter ist dieses ein großer Schritt in die richtige Richtung, für die Gegner ein wenigstens ebenso großer Schritt in die falsche Richtung. Wie das EU-Parlament in einer Aussendung mitteilte, ist ab 2021 das In-Verkehr-Bringen folgender Erzeugnisse verboten: Besteck inklusive Rührstäbchen, Teller, Strohhalme, Wattestäbchen, Luftballonstäbe, weiters oxoabbaubare Einwegprodukte, Lebensmittelboxen und Polystyrenbecher. Ferner gilt ein erweitertes Verursacherprinzip. So haben beispielsweise die Hersteller von Fischernetzen die Kosten zu tragen, die durch das Einsammeln auf hoher See verloren gegangener Netze entstehen. Die Tabakindustrie wiederum hat die negativen Umweltauswirkungen der Plastikfilter achtlos weggeworfener Zigarettenstummel kenntlich zu machen. Analoges gilt für die Produzenten von Plastikbechern, Feuchttüchern und Damenbinden. Für Plastikflaschen sieht die Einigung ab 2029 ein Sammelziel von 90 Prozent der in Verkehr gebrachten Mengen vor. Ab 2025 muss der Anteil von Recyclingmaterial in Plastikflaschen 25 Prozent betragen, ab 2030 sind es 30 Prozent. Laut der belgischen EU-Parlamentarierin Frédérique Ries, der Berichterstatterin zu der Causa an das Parlament, werden dadurch bis 2030 Umweltschäden von etwa 22 Milliarden Euro vermieden. Damit die nunmehr erzielte Einigung in Kraft treten kann, sind Formalbeschlüsse des EU-Parlaments und des Rates notwendig. Der Umweltausschuss des Parlaments stimmt darüber im Jänner 2019 ab.

 

Bevölkerung schützen

 

Frans Timmermans, der für Nachhaltige Entwicklung zuständige Erste Vizepräsident der EU-Kommission, verkündete, die Einigung helfe „wahrhaft, die Bevölkerung und den Planeten zu schützen“. Die Europäer seien sich des Problems Plastikmüll bewusst, und die EU gehe dessen Lösung mutig an. Ferner entstehe ein neues „kreislaufwirtschaftliches“ Geschäftsmodell, das eine nachhaltige Wirtschaftsweise voranbringe. Seitens der EU-Ratspräsidentschaft sagte Österreichs Nachhaltigkeits- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, mit der Einigung „treten wir der Verschmutzung unserer Naturlandschaften und Lebensräume durch steigenden Plastikmüll entschlossen entgegen“. Der Präsident des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VÖEB), Saubermacher-Chef Hans Roth, sprach von einem „abfallpolitischen Meilenstein“. Mit der Festlegung eines Mindestanteils von Recyclingmaterial in neuen Erzeugnissen „kann die Nachfrage nach Recyclingrohstoffen gesteigert werden und dadurch ein Markt für Rezyklate entstehen“.

 

„Scheinlösung und Symbolpolitik“

 

Kritik kam dagegen vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). „Die Einwegkunststoff-Richtlinie ist in erster Linie Symbolpolitik. Mit dem Verbot von Wattestäbchen lässt sich die Verschmutzung der Meere nicht reduzieren. Hier wurde leider der einfachste Weg gegangen, indem man den Menschen Scheinlösungen anbietet“, kritisierte Geschäftsführerin Sylvia Hofinger. Ferner seien Kunststoffverpackungen anderen Materialien ökologisch überlegen: „Ein Umstieg auf diese würde den Energieverbrauch um den Faktor 2,2 erhöhen und die Treibhausgasemissionen um den Faktor 2,7 steigen lassen.“ Auch Roths Hoffnung auf bessere Rahmenbedingungen fürs Kunststoffrecycling teilt Hofinger nicht. Im Gegenteil werde die Einwegkunststoff-Richtlinie das Recycling „erschweren, da auch Produkte aus Recyclingmaterial von den Verboten betroffen sind. Österreich ist Vorzeigeschüler bei Kunststoffrecycling. Um weiterhin führend zu sein, braucht es statt unsachlicher Verbote stabile Rahmenbedingungen für Unternehmen, die in Recyclingtechnologien investieren“.