Industrie: „Gemischtes Bild“ 

Zwar wuchs der Produktionswert von 2021 auf 2022 um 24 Prozent auf einen Rekord von 252,3 Milliarden Euro. Doch das war im Wesentlichen höheren (Energie-)Preisen geschuldet, nicht aber höheren Absatzmengen, warnt die Wirtschaftskammer. 

 

Bild: WKÖ/Manfred Burger
Rekord mit Wertmutstropfen: Hohen Preisanstiegen im Jahr 2022 stand ein „bescheidenes Mengenwachstum“ gegenüber. 

Waren mit einem Wert von rund 252,3 Milliarden Euro erzeugte die österreichische Industrie im Jahr 2022. Im Vergleich zu 2021 ist das ein Anstieg um rund 23,7 Prozent und ein „neuer Rekord“, berichtete der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Andreas Mörk, bei deren jährlicher Bilanzpressekonferenz am 6. April in Wien. Allerdings ist dieser laut Mörk weitgehend auf den Preisanstieg bei Erdgas und Erdöl zurückzuführen. Zuständig für die Bereitstellung und den Verkauf dieser Produkte sind die Mitglieder der Fachverbände Gas Wärme (FGW) sowie Mineralölindustrie. Werden diese nicht berücksichtigt, ergibt sich von 2021 auf 2022 ein Anstieg des Produktionswerts der Industrie um rund 15,1 Prozent. Aber auch davon ist etwa die Hälfte durch höhere Preise bedingt, erläuterte Mörk. Ihm zufolge stagnierte der Produktionswert bei mehreren der verbleibenden 14 Fachverbände. Andere, wie die Chemische Industrie, die Metalltechnikbranche, die Papier- und die Nichteisenmetallindustrie, die Stahlbranche sowie die Nahrungs- und Genussmittelindustrie erzielten dagegen überdurchschnittliche Steigerungen ihres Produktionswerts. 

 

Um rund 7,5 Prozent gestiegen sind auch die Auftragseingänge, ergänzte Mörk: „Aber die Kurve flacht sich ab. Das ist ein Alarmsignal.“ Zwar liege der Beschäftigtenstand bei etwa 468.600 Personen, dem zweithöchsten Wert seit dem Beitritt Österreichs zur EU am 1. Jänner 1995. Doch ob sich dieser das ganze Jahr über halten lässt, ist laut Mörk fraglich. Laut dem Obmann der Bundessparte, Siegfried Menz, ergibt sich insgesamt „ein gemischtes Bild“. Nominell sei das Produktionswachstum durchaus kräftig gewesen. Doch bleibe bei näherer Betrachtung „nur ein bescheidenes Mengenwachstum“. 


                                                   
Kritik an der Energiepolitik  

 

Kritik übten Menz und Mörk an der Bundesregierung und insbesondere an deren Energiepolitik. Mehrere Gesetze, die die Tätigkeit der Industrie erleichtern könnten, seien zwar im Werden, aber noch nicht unter Dach und Fach. Menz zufolge betrifft dies etwa das Stromkostenausgleichsgesetz. Dieses rasch zu beschließen, sei umso dringlicher, als die CO2-Preise mittlerweile bei rund 100 Euro pro Tonne liegen. In mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten der EU seien bereits ähnliche Gesetze in Kraft und die entsprechenden Vorgaben der EU somit umgesetzt. Daher dulde das österreichische Pendant „keinen Aufschub“, wenn die Wettbewerbsfähigkeit nicht leiden solle. 

 

Überdies fehlten nach wie vor die Förderrichtlinien zum Energiekostenzuschuss II, für den Wirtschaftsminister Martin Kocher zuständig ist. Auch diese sollten laut Menz so rasch wie irgend möglich veröffentlicht werden. 

 

Wenig Freude hat die Industrie ferner mit dem Entwurf zum Erneuerbare-Gase-Gesetz (EGG). Zwar sei es notwendig, die „grünen“ Gase zügig verfügbar zu machen. Doch das im EGG vorgesehene Ziel, die Grüngaserzeugung von derzeit 0,14 Terawattstunden (TWh) pro Jahr bis 2030 auf 7,5 TWh zu versiebzigfachen, halte die Gasbranche für unrealistisch.  Erreichbar seien etwa fünf TWh pro Jahr, wie sie bereits das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz aus dem Jahr 2021 vorsehe, erläuterte Mörk auf Anfrage des Chemiereports. Als „exorbitant“ bezeichneten er und Menz die Ausgleichszahlungen, die die Gasversorger leisten sollen, wenn sie ihre Grüngasquoten verfehlen. Diese liefen nach Angaben Mörks auf eine Erhöhung der Gaskosten der Endkunden um rund 15 Euro/Megawattstunden (MWh) hinaus. Da (Erd-)Gas bekanntlich auch zur Stromerzeugung verwendet werde, würde sich überdies eine Steigerung der Stromkosten um bis zu 30 Euro/MWh ergeben. Welche Höhe der Ausgleichszahlungen die Industrie für tragbar hält, wollte Mörk auf Nachfrage des Chemiereports nicht bekannt geben.

 

Forschungsförderung erhöhen 

 

Unzufrieden ist die Industrie auch mit der Forschungsförderung, vor allem mit der Ausstattung der Fördertöpfe der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Ungeachtet der beträchtlichen Inflation wollten Energieministerin Leonore Gewessler und Finanzminister Magnus Brunner diese offenbar nicht verbessern. Dabei habe die FFG 2022 Förderanträge über rund 226 Millionen Euro ablehnen müssen, obwohl sie die Vorhaben sehr wohl als unterstützenswert erachtete. Kurzfristig klafft laut Mörk eine Finanzierungslücke von etwa 50 Millionen Euro pro Jahr, mittelfristig sind es sogar rund 100 Millionen. Die Politik sei dringend gefordert, diese Mittel bereitzustellen, „wenn Österreich den Anspruch auf Innovationsführerschaft ernst nehmen will“.