"Reinheitsgebot" für Medikamente

Das CD-Labor für Molecular Recognition Materials forscht seit fünf Jahren an fortschrittlichen Materialien zur Erkennung und Trennung von Molekülen. Relevant ist dies in hohem Maße in der Pharmazeutik – Partner wie Merck, Fresenius, AstraZeneca und piChem zeugen davon. "Reinheitsgebot" für Medikamente <% image name="CDL_MRM_Leiter" %><p> <small> Die Laborleiter Wolfgang Lindner und Michael Lämmerhofer haben sich der hochselektiven Trennung verschrieben. </small> Die Herstellung von Medikamenten erfordert ein hohes Maß an Substanzreinheit. Kleinste Verunreinigungen oder die Nichtbeachtung der Chiralität können die Wirkung herabsetzen oder konterkarieren. Die Problemstellungen der Trennung und Reinigung von Materialien sind daher hochgradig praxisrelevant: Wie kann man beispielsweise pharmazeutische Wirkstoffe von unerwünschten Molekülen trennen? Noch komplexer wird die Angelegenheit, wenn Stereoisomere ins Spiel kommen: Spiegelgleiche Molekülgruppen, von denen nur eine Sorte gewünscht wird. <b>Spezifisches Labeling.</b> Michael Lämmerhofer und Wolfgang Lindner leiten das CD-Labor für Molecular Recognition Materials. Es ist ihnen gelungen, die Industriepartner Merck KGaA, Fresenius Kabi Austria, AstraZeneca sowie die Grazer piChem ins Boot zu holen. Gemeinsam entwickeln sie seit fünf Jahren chemisch funktionalisierte Materialien für hochselektive Trennungen und Reagenzien für spezifisches Labeling. Fortschrittliche Materialien sollen also pharmazeutisch relevante Molekülen aus komplexen Stoffgemischen erkennen. Und im Idealfall auch trennen: Durch die maßgeschneiderte Gestaltung der Oberflächenstruktur eines solchen Materials wird der zu erkennende und zu trennende Stoff stark daran gebunden, während andere Komponenten des Gemisches nicht daran haften bleiben und dadurch abgetrennt werden können. <b>4 Forschungsmodule.</b> „Wir arbeiten mit unseren Industriepartnern schon länger zusammen. Sie waren auch Voraussetzung dafür, dass wir bei der Einreichung des CD-Labors Erfolg haben“, so die beiden Leiter. „Nach der Aufstellung eines Forschungs- und Kooperationsplanes haben wir uns auf insgesamt vier Module verständigt.“ Im ersten Projektmodul werden gemeinsam mit AstraZeneca neue chirale stationäre Phasen für die Enantiomerentrennung von basischen chiralen Arzneistoffen entwickelt. „Viele Wirkstoffe besitzen ein oder mehrere Chiralitätselemente, meistens stereogene Zentren“, erklärt Lämmerhofer. „Im Körper gehen die einzelnen Stereoisomere unterschiedlich mit Rezeptoren, Transportproteinen, Enzymen und Carriern um. Dies ist auch der Grund dafür, wieso die unterschiedlichen Stereoisomere – also spiegelbildlich gleiche Molekülgruppen – häufig deutlich abweichende Wirkprofile aufweisen.“ Während es in der Vergangenheit nicht unüblich war, bevorzugt Mischungen der einzelnen Stereoisomere als Wirkstoff gesundheitsbehördlich zuzulassen, werden mittlerweile chirale Wirkstoffe in der Regel als einzelne Stereoisomere entwickelt. <b>Peptidreinigung.</b> Im zweiten Modul wird zusammen mit dem Partner Merck an der Reinigung von synthetisch hergestellten Peptiden gearbeitet. „Im Zuge der Arbeiten wurde sogar ein Patent im Bereich der selektiven Analytik von peptidischen Molekülen eingereicht“, so Lindner. Dazu werden so genannte Mischtrennphasen entwickelt, die auf einer Kombination von Ionenaustausch und Reversed-Phase-Prinzipien beruhen. „Synthetische Peptide haben in der letzten Zeit enorme Bedeutung nicht nur als Arzneistoffe, sondern beispielsweise auch als bioaktive Modellverbindungen und Diagnostika erlangt“, ergänzt Lämmerhofer. Im CD-Labor wurde die ansonsten geringe Beladungskapazität bei Reversed-Phase-Trennungen erhöht. „Wir verwenden dazu ein Polymer, das mitsamt Porenstruktur gegossen wird – dadurch erzielen wir einen sehr guten Massentransport.“ Insgesamt können so mehr Substanzen pro Zeiteinheit gefiltert werden. <b>Neue Trennmedien.</b> Die restlichen Forschungsmodule des CD-Labors beschäftigen sich mit der Biochromatographie sowie Aminosäuren und Peptidanalytik. Im Biochromatographie-Modul werden polymere chromatographische Trennmedien entwickelt, welche durch Chemoaffinität gezielte Selektivitäten zeigen und somit eine Reinigung der gewünschten Proteine ermöglichen. Im Fokus dieses Moduls stehen vor allem Materialentwicklungen für Glykoproteine und Antikörper – in diesem Modul fungiert ebenfalls Merck als Industriepartner. Im Modul 4 steht die Aufklärung von Verunreinigungen in Aminosäure- und Peptid-haltigen Arzneiformulierungen im Zuge von Stabilitätsprüfungen im Mittelpunkt. Aminosäurelösungen werden als Infusionslösungen für parenterale Ernährung eingesetzt – die Reinigung erfordert mehrdimensionale Trennungen mit unterschiedlichen Detektoren, inklusive Tandem-Massenspektrometrie. „Diese analytischen Fragestellungen behandeln wir gemeinsam mit Fresenius Kabi Austria“, so Lindner. Das CD-Labor für Molecular Recognition Materials war das erste CD-Labor an der Universität Wien, befindet sich bereits im fünften Jahr und soll noch heuer evaluiert werden. Ständig arbeiten fünf Mitarbeiter, meist Dissertanten, für das Labor. „Als Leiter eines CD-Labors mussten wir uns umstellen", so Lämmerhofer und Wolfgang Lindner. „Plötzlich ist man Arbeitgeber: Wir haben bis dato immerhin knapp 20 Leute beschäftigt.“ Die Abgänger aus dem CD-Labor sind am Arbeitsmarkt gefragt. Die Idee, im Zuge des CD-Labors ein Start-up zu gründen, wurde zwar angedacht, bis dato aber noch nicht umgesetzt. <b>Forschungskontinuität.</b> „Für uns als Wissenschaftler ist ein CD-Labor vor allem deshalb wichtig, weil durch die gesicherte Finanzierung und das Commitment der Partner die Forschungskontinuität gewährleistet werden kann", so Lindner. Einen wichtigen Teil nehmen auch die wissenschaftlichen Publikationen ein, die im Zuge der Forschungstätigkeiten erstellt werden. In der Praxis ist jedoch immer ein Abwägen zwischen dem Publizieren aller Informationen und den Interessen der Industriepartner gefordert. „Es wohnen zwei Seelen in der Brust eines Forschers – eine für das Publizieren und eine für das Entwickeln eines Produkts", so Lindner über die beiden Gegenpole. Nach fünf von sieben Jahren laufe die Kooperation mit den Industriepartnern sehr gut. „Wir haben regelmäßige Meetings mit unseren Partnern, einmal jährlich setzen sich auch alle Firmen an einen Tisch“, umreißt Lämmerhofer das gute Klima zwischen Forschung und Industrie. Ein konkretes Produkt – ein Material für die Peptidreinigung – geht demnächst aus der Forschungstätigkeit hervor. „Jetzt, am Höhepunkt der Forschungstätigkeit, ist es eigentlich schade, dass das CD-Labor in zwei Jahren automatisch ausläuft", so die Laborleiter. Aber die verbleibende Zeit wollen Lämmerhofer und Lindner gut nützen. Und sogar noch neue Partner mit an Bord nehmen.