VCI: Gutes Quartal, düstere Aussichten

Im ersten Quartal 2022 waren die Produktion und der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie deutlich höher als vor einem Jahr. Für Optimismus sieht der Branchenverband VCI aber keinen Grund.

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Gesenkter Blick: In der VCI-Zentrale in Frankfurt am Main (l.) herrscht alles andere als Euphorie.

 

So richtig zufrieden ist Christian Kullmann, der Präsident des deutschen Chemie- und Pharmaindustrieverbands VCI, nicht. „Vom erhofften Aufschwung nach dem Coronawinter ist nichts mehr übriggeblieben. Die Perspektiven unserer Branche sind wegen steigender Energie- und Rohstoffkosten zunehmend düster. Außerdem drosseln industrielle Kunden wegen gestörter Lieferketten ihre Produktion und bestellen weniger Chemikalien. Ein Gasembargo oder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätte zusätzliche verheerende Auswirkungen“, beschrieb Kullmann bei der Präsentation des VCI-Quartalsberichts die Situation der Branche.

 

Dabei sehen die Zahlen auf den ersten Blick alles andere als schlecht aus. Dem Bericht zufolge wuchs die Produktion der Branche im ersten Quartal 2022 gegenüber dem vierten Quartal 2021 um 1,3 Prozent. Im Vergleich zum ersten Quartal 2021 war ein Zuwachs um 2,8 Prozent zu verzeichnen. Die Preise für Chemikalien wiederum waren um 1,1 Prozent höher als im Vorquartal und sogar um 21,6 Prozent höher als vor einem Jahr. Diese Entwicklungen machten sich auch im Umsatz bemerkbar: Mit 66,3 Milliarden Euro war dieser um 7,8 Prozent höher als im vierten Quartal 2021 und um 28,4 Prozent höher als im ersten Quartal 2021. Im Inland verzeichnete die Branche im Vergleich zum vorigen Quartal ein Umsatzplus von 9,8 Prozent, im Jahresvergleich sogar einen Anstieg um 36,2 Prozent.

 

Auch das Auslandsgeschäft lief keineswegs schlecht: Verglichen mit dem vierten Quartal 2021 wurden um 6,6 Prozent mehr Umsatz erzielt, verglichen mit dem ersten Quartal 2021 um 23,7 Prozent mehr. Regional betrachtet, wuchsen sämtliche Märkte, vom dominierenden Europa über Nord- und Lateinamerika bis Asien. Einen Dämpfer hatte die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie nur in Osteuropa zu verkraften, was zumindest teilweise der russländischen Invasion in der Ukraine geschuldet war. „Der Handel mit Russland ist im März um die Hälfte eingebrochen“, heißt es im Quartalsbericht.

 

Immerhin stabil war der Beschäftigungsstand, der bei rund 473.200 Personen lag. Weniger erfreulich war die Kapazitätsauslastung der Fabriken: Mit 80,9 Prozent lag sie unter dem langjährigen Durchschnitt. Niedriger war sie zuletzt im ersten Quartal des „Coronajahres“ 2020, wo sie bei rund 77 Prozent gelegen war.

 

Warnend heißt es im Quartalsbericht, es falle der Chemie- und Pharmaindustrie „zunehmend schwerer“, die Kostensteigerungen bei Rohstoffen und Energie „in der Wertschöpfungskette weiterzugeben. Eine Entspannung auf den Energie- und Rohstoffmärkten ist nicht in Sicht. Zwar gingen die Preise für Öl, Gas und Strom nach den Höchstständen im März wieder etwas zurück. Insgesamt dürfte das Niveau und auch die Volatilität – als Ausdruck der großen Unsicherheiten – hoch bleiben“. Zusätzlich belastend wirkt sich die Entwicklung der COVID-19-Pandemie in China aus. Die „Null-COVID-Strategie“ der Pekinger Führung sei dem Wirtschaftswachstum alles andere als förderlich. Und so sind die deutschen Chemie- und Pharmabosse nicht allzu optimistisch. Laut dem VCI-Quartalsbericht hat sich „die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage in den letzten Monaten eingetrübt. Der Stimmungsumschwung zeigt sich vor allem bei den Geschäftserwartungen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine herrscht in vielen Unternehmen Rezessionsstimmung. Noch ist die Auftragslage zufriedenstellend. Für die kommenden Monate rechnet aber der überwiegende Teil der Branche mit einem Rückschlag im Chemiegeschäft“.

 

Angesichts dessen „verzichtet der VCI weiterhin auf eine quantitative Vorhersage für die Entwicklung der Branche im Gesamtjahr 2022“. Klar sei nur, dass „das Produktionsniveau des Vorjahres kaum zu erreichen sein“ dürfte.