Wie das Gehirn einschläft

Forscher des IMP in Wien haben untersucht, wie das Gehirn zwischen Schlaf- und Wachzustand wechselt und die dynamischen Zustände des beteiligten neuronalen Netzwerks beschrieben.

Bild: IMP
Der Fadenwurm C. elegans besitzt ein Nervensystem aus lediglich 302 Zellen und dient daher als Modellsystem für neurowissenschaftliche Untersuchungen.

 

Bei allen höheren Tieren, die ein Nervensystem besitzen, kommen abrupte Übergänge zwischen Schlaf- und Wachzuständen vor, zwischen denen sich die  Gehirnaktivitäten drastisch unterscheiden. Welche Mechanismen beim Einschlafen und Aufwachen wirksam sind, gibt den Neurowissenschaftlern aber nach wie vor Rätsel auf. In der Forschungsgruppe um Manuel Zimmer am  Institut für Molekulare Pathologie in Wien benützt man den Fadenwurm C. elegans als Modellsystem. Sein Nervensystem besteht aus lediglich 302 Zellen, deren Aktivität einzeln gemessen kann.

Für eine in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie wurden Schlaf- und Wachszustand der Würmer über die Zusammensetzung der zugeführten Luft kontrolliert: Die für gewöhnlich unter der Erde lebenden Organsimen mögen niedrige Sauerstoffkonzentrationen, bei einem Sauerstoffgehalt über 21 Prozent werden sie dagegen in einen Alarmzustand versetzt und wachen auf.

Annika Nichols, die Erstautorin der Arbeit und Doktorandin in Zimmers Arbeitsgruppe, beobachtete dabei, dass ein bestimmter Zelltypus (die sogenannten RIS-Zellen) sowohl im Schlaf- als auch im Wachzustand aktiv sein kann. Diese Zellen produzieren eine schlaffördernde Substanz, ihre Aktivität kann daher mit der Müdigkeit der Tiere in Zusammenhang gebracht werden. Eine Computeranalyse der Messergebnisse ergab aber, dass diese Zellen den Übergang in den Schlafzustand nicht zentral steuern, sondern vielmehr Selbstorganisationsprozesse zwischen den Neuronen initiiert und diese den kollektiven Übergang bewirken. Schlaf wird von den Wissenschaftlern als emergente Eigenschaft neuronaler Netzwerke beschrieben. Das dahinter liegende dynamische System wechselt dabei von einem globalen Zustand („Attraktor“) in einen anderen.