Kunststoffpartikel: Industrie „nicht das Problem“

Der österreichische Beitrag zur Belastung des Schwarzen Meeres mit Plastikpartikeln ist mit durchschnittlich 25 bis 145 Kilogramm pro Tag gering. Und der Industrie zurechenbar sind davon maximal zehn Prozent, somit schlimmstenfalls 14,5 Kilogramm. Das zeigt die Studie „Plastik in der Donau“, die das Umweltbundesamt (UBA) im Auftrag des Umweltministeriums sowie der Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich und Wien durchführte und die heute von Umweltminister Andrä Rupprechter sowie dem stellvertretenden Geschäftsführer des UBA, Karl Kienzl, präsentiert wurde. Wie Kienzl dem Chemiereport mitteilte, ist die Industrie hinsichtlich des Eintrags von Plastikpartikeln in die Donau „sicher nicht das Problem.“ Gut und gerne 90 Prozent der vom UBA mit einer weltweit neuartigen Messmethode festgestellten Partikel sind sogenannte „diffuse Einträge“. Sie umfassen alles von Folien über Fasern bis zu nicht näher identifizierbaren Fragmenten. Dieses Material gelangt vor allem über die Abschwemmung unsachgemäß entsorgter Plastikabfälle in die Gewässer.

Kunststoffpartikel in Gläsern
Bild: BMLFUW/Florian Köfler
Diffuses Material: Laut Umweltbundesamt sind 90 Prozent der über 0,5 Millimeter großen Kunststoffpartikel in der Donau nicht der Industrie zuordenbar.

 

Der Auftrag zu der Studie erging im Frühjahr 2014, nachdem eine Untersuchung der Universität Wien für Aufsehen gesorgt hatte. Im Zuge der folgenden Debatten geriet unter anderem der Kunststoffhersteller Borealis unter Kritik. Der neuen UBA-Studie zufolge war dies jedoch schwerlich gerechtfertigt: Zwar fand das UBA in einem Abwasserkanal der Borealis am Standort Schwechat einzelne Plastikpellets mit mehr als 0,5 Millimetern Durchmesser. Doch ist dieser Kanal vor der Mündung in die Donau mit einem Gitter gesichert. Laut Kienzl kann höchstens ein Prozent der am Messpunkt Hainburg in der Donau aufgefundenen Kunststoffpellets der Borealis zugerechnet werden. Das bedeutet: Wenn es hochkommt, gelangen im Durchschnitt ganze 14,5 Dekagramm Kunststoffpellets pro Tag aus Borealis-Beständen in die Donau. Zum Vergleich: Die jährliche Produktion des Unternehmens beläuft sich allein am Standort Schwechat auf rund eine Million Tonnen Polyolefine pro Jahr bzw. durchgerechnet rund 2.740 Tonnen pro Tag.

 

Industrie räumt auf


Und die Industrie ist bemüht, den auf sie entfallenden Kunststoffeintrag in Österreichs Gewässer auf Null zu senken. Dem dient der Pakt „Zero Pellets Loss“, den der Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) heute mit Umweltminister Andrä Rupprechter formell schloss. Für die Kunststoffindustrie unterzeichnete der Geschäftsführer der Geberit Produktions GmbH, Helmut Schwarzl. Schwarzl sagte bei der Pressekonferenz, jedes Kilogramm Plastik in den Gewässern sei zu viel. Die Industrie betrachte Plastik als wertvollen Rohstoff und wolle allein schon aus diesem Grund den Verlust derartigen Materials sowie dessen Eintrag in die Gewässer so weit wie möglich verhindern. Mit dem Pakt solle der Eintrag auf weniger als ein Kilogramm pro Tag gesenkt werden. Schwarzl fügte hinzu, 20 Unternehmen hätten den Vertrag bereits unterschrieben. Sie repräsentieren etwa 80 Prozent der österreichischen Kunsttoffproduktion: „Wir wollen so schnell wie möglich auf einen Anteil von über 90 Prozent kommen.“

 

Politische Maßnahmen

 

Umweltminister Rupprechter betonte, Österreich müsse sich in Sachen Gewässerschutz im internationalen Vergleich „nicht zu verstecken“. Hinsichtlich des Eintrags von Plastikpartikeln in Gewässer kündigte der Minister ein Zehn-Punkte-Programm an. Auf europäischer Ebene umfasst dieses das Etablieren einheitlicher Methoden und Messstandards für Plastikpartikel in Fließgewässern, die Festlegung von EU-weit geltender Grenzwerte für den Eintrag von Plastikpartikeln durch die Industrie in Gewässer , das Unterstützen des freiwilligen Ausstiegs der europäische Kosmetikindustrie aus der Nutzung von Mikro-Plastikpartikeln, eine Mikroplastikkonferenz in Brüssel, die am 10. und 11. Mai stattfinden soll, die Aufnahme des Themas in den Umweltbericht 2020 der Europäischen Umweltagentur sowie die Umsetzung der Plastiksackerl-Richtlinie in Österreich.
Die Bestandteile des Programms auf nationalstaatlicher Ebene sind der Stakeholder-Dialog zur UBA-Donaustudie am 12. März 2015, der „Zero Pellets Pakt“ mit der Kunststoffindustrie, die Weiterführung des Messprogrammes an der Donau und ausgewählten Flüssen gemeinsam mit den Bundesländern, Bewusstseinsbildungsmaßnahmen mit den Bundesländern sowie den Abfall- und Abwasserverbänden und schließlich Bewusstseinsbildung seitens des Umweltministeriums zum Songcontest, der als „Green Event“ hohen ökologischen Standards entsprechen soll.

Rupprechter sagte auf Anfrage des Chemiereports, er habe beim Umweltministerrat im vergangenen Dezember die Etablierung einheitlicher europäischer Grenzwerte für den Eintrag von Plastikpartikeln in Gewässer angeregt. Das Initiativrecht liege bei der Kommission, auch sei die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich. Scherzend fügte Rupprechter hinzu, die einheitlichen Grenzwerte würden wohl „im Zuge der nächsten EU-Präsidentschaft Österreichs“ im Jahr 2019 beschlossen.

 

Der Zero-Pellets-Loss-Pakt des Umweltministeriums mit der Kunststoffindustrie umfasst folgende Punkte:

1. Sicherstellung, dass an allen Ladestellen Auffangkörbe verwendet werden

2. strategische Platzierung von Granulatbehältern zur Entsorgung vor Ort

3. Überprüfung aller Gullys auf korrekt installierte Siebe

4. sorgfältige Versiegelung von Massengutbehältern vor der Verschiffung

5. Kontrolle von Massengutbehältern auf saubere Leerung

6. Sicherstellung, dass das Dach der Silowagen nach dem Beladen frei von Granulat ist

7. Installation zentraler Absaugsysteme, wo dies praktikabel ist

8. sorgfältige Entsorgung von losem Granulat

9. Schulungen der Mitarbeiter

10. Information der Logistikpartner