Arzneimittelforschung: Krach um Förderungen

Laut dem Ludwig-Boltzmann-Insitut für Health Technology Assessment profitiert die Pharmaindustrie von öffentlich finanzierter Grundlagenforschung, legt das aber nicht offen. Die Pharmig wehrt sich gegen den Vorwurf.

Foto: Österreichische Apothekerkammer
Kritik: Laut dem LBI-HTA macht die Pharmaindustrie die Rolle der öffentlichen Hand bei der Entwicklung von Arzneimitteln zu wenig deutlich.

 

Die Pharmaindustrie rechtfertigt hohe Kosten für Medikamente oft mit Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Sie legt aber nicht ausreichend offen, dass diese Aufwendungen nicht selten zu einem erheblichen Teil von der öffentlichen Hand getragen werden. So lautet, zusammengefasst, die Kritik des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Health Technology Assessment (LBI-HTA) in dem kürzlich erschienenen Bericht „Public & philanthropic financial contribution to the development of new drugs“. Mittels einer dreistufigen Suchstrategie untersuchten Mitarbeiter des Instituts drei Medikamente gegen seltene Erkrankungen bei Kindern „und konnten für alle drei Förderungen in mehrstelliger Millionenhöhe nachweisen“, konstatierte Claudia Wild, die Leiterin des LBI-HTA, in einer Aussendung.

Für F&E in Bezug auf Nusinersen (Spinraza), ein von Biogen vermarktetes Mittel gegen Rückenmarksatrophie, gab die öffentliche Hand Wild zufolge im Zeitraum 2007 bis 2017 mindestens 20 Millionen Euro aus. Auf die gesamte F&E zu Rückenmarksatrophie sollen mindestens 165 Millionen Euro entfallen sein. Für Grundlagenforschung und Entwicklung hinsichtlich Cerliponase alfa (Brineura) von Biomarin, eine Arzei zur Behandlung einer Erbkrankheit bei Kindern, die zu fortschreitenden Hirnschäden führt, gab es staatliche Zuschüsse von mehr als 31 Millionen Euro. Geld der öffentlichen Hand erhielt auch die japanische Pharmafirma Kyowa Kirin. Für die Entwicklung ihres Medikaments Burosumab gegen eine Knochenerkrankung wandte der Steuerzahler mindestens 26,8 Millionen Euro auf.

Laut Wild war es auch mit der Suchmethode des LBI-HTA nicht möglich, sämtliche von den Pharmaunternehmen akquirierten Förderungen aufzufinden: „Dabei liefert eigentlich oft die – öffentlich und philanthropisch finanzierte – Grundlagenforschung jene Entdeckung oder zündende Idee, die später in einem Medikament Anwendung findet – und ist gleichzeitig mit hoher Ergebnisunsicherheit und Ressourcenaufwand verbunden.“

 

Konter der Pharmig

 

Der Pharmaindustrieverband Pharmig wollte das nicht unkommentiert stehenlassen. „Um Arzneimittelinnovationen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, investieren pharmazeutische Unternehmen mitunter Milliardenbeträge. Das beginnt oft schon damit, dass sie vielversprechende Projekte aus der Grundlagenforschung mit hohen Investitionen von kleinen Start-Ups oder anderen Institutionen übernehmen, um sie mit der notwendigen Infrastruktur im Zuge der klinischen Forschung weiterzuentwickeln. Weder bekommen forschende pharmazeutische Unternehmen derartige Projekte gratis, noch wird ihnen eine Erfolgsgarantie mit auf den Weg gegeben“, betonte Generalsekretär Alexander Herzog. Durchschnittlich seien „zwölf Jahre Entwicklungszeit und bis zu 2,2 Milliarden Euro“ zu veranschlagen. Somit gehe die Kritik an den angeblich (zu) hohen Arzneimittelpreisen einmal mehr ins Leere. Außerdem müsse endlich einmal der Nutzen der Medikamente anerkannt werden: „Gerne wird der Wert neuer Therapien auf ihren Preis reduziert. In Wahrheit aber kommen sie nicht nur den Patienten zugute, sondern der gesamten Gesellschaft, wenn letztlich Betroffene kürzer im Krankenhaus bleiben müssen, wenn Spitalsaufenthalte überhaupt vermieden und die Betroffenen wieder arbeitsfähig gemacht werden können.“

Und so üppig falle die Forschungsförderung gerade in Österreich nun auch wieder nicht aus, konstatierte Herzog: Sie belaufe sich auf 14 Prozent der Aufwendungen für eigenbetriebliche sowie Auftragsforschung. Nicht subventioniert würden allerdings die globalen klinischen Prüfungen, auf die der „Großteil der Arzneimittelentwicklungskosten“ entfalle. Außerdem sei die Grundlagenforschung ohnehin eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Ihre Förderung komme „allen anderen Forschungsformen und damit letztendlich uns allen zugute“. Es sei keineswegs allein die Pharmabranche, die davon profitiere.