Arzneimittelknappheit: ÖGB und AK wollen Aut-idem-Lösung

Im Fall von Engpässen soll es auch kurzfristige Exportverbote geben, hieß es am 10. Dezember bei einer Pressekonferenz in Wien.

Foto: Bundesarbeitskammer/Lisi Specht
AK-Direktor Christoph Klein: Medikamentenkosten nicht aus dem Ruder laufen lassen

 

Wo Lieferengpässe bei Arzneimitteln auftreten, muss es den Apothekern erlaubt sein, wirkstoffgleiche Präparate einer anderen Marke oder eines anderen Herstellers abzugeben. Eine solche „Aut-idem-Lösung“ forderte Andreas Huss, der Arbeitnehmerobmann in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), heute am Rande einer Pressekonferenz des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) in Wien. Den Parallelhandel generell zu verbieten, der als eine der Ursachen von Medikamentenknappheiten gilt, werde EU-rechtlich nicht möglich sein, sagte Huss auf Anfrage des Chemiereports. Sehr wohl zulässig seien aber kurzfristige Exportverbote, „und dieses Mittel sollten wir auch nutzen“.

Christoph Klein, der Direktor der Wiener Arbeiterkammer und der Bundesarbeitskammer, ergänzte, er hoffe, der per 1. Jänner tätige Dachverband der Sozialversicherungsträger werde versuchen, die Kostenentwicklung bei den Medikamenten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. „Natürlich habe ich keine Kristallkugel und weiß nicht, wie der Dachverband agieren wird“, beschied Klein. Er war im Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) jahrelang für die Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie zuständig gewesen.

 

Vor kurzem hatte der Pharmaindustrieverband Pharmig Entwarnung hinsichtlich der zu erwartenden Preissteigerungen im extramuralen Bereich gegeben. Dort, also bei der Abgabe von Arzneimitteln außerhalb der Krankenhäuser, sei bei erstattungsfähigen Medikamenten bis 2023 mit einem jährlichen Preisanstieg von nicht mehr als 1,5 Prozent zu rechnen. Zur Kostenentwicklung im intralmuralen Bereich legte die Pharmig keine Zahlen vor. Dieser Bereich umfasst etwa ein Drittel des Gesamtmarktes für Arzneimittel.

 

Grundsätzlich hätten der ÖGB und die AK ihre Zweifel, was den Umbau des Sozialversicherungssystems angeht, wiederholten Klein, Huss und ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann unisono. Die Arbeitgeber zahlten lediglich 21 Prozent der Beiträge, hätten künftig aber in der ÖGK dasselbe Stimmgewicht wie die Arbeitnehmer. Im Dachverband verfügten die Arbeitgeber sogar über eine Mehrheit von 6 : 4 Stimmen. „Rund 160.000 Arbeitgeber haben damit denselben Einfluss wie die Vertreter der 7,2 Millionen Arbeitnehmer. Sie können also jeden Fortschritt in der Sozialversicherung blockieren“, kritisierte Klein. Huss ergänzte, im Überleitungsgremium zur ÖGK seien bisher 63 Entscheidungen getroffen worden. In 25 Fällen davon seien die „Dienstgeber über die Dienstnehmer drübergefahren“. Anträge der Arbeitnehmer auf die vom seinerzeitigen Bundeskanzler Sebastian Kurz ja versprochene österreichweite Harmonisierung der Versicherungsleistungen seien abgelehnt worden. Aufträge an externe Berater sowie Werbeagenturen hätten die Arbeitgebervertreter dagegen flott abgesegnet.

 

Die ÖGB- und AKH-Vertreter hoffen nun, dass der Verfassungsgerichtshof die Kassenreform in seiner Dezembersitzung kippt. Auch in diesem Fall sei jedoch nicht vor Juli kommenden Jahres mit einer Änderung der Gesetzeslage zu rechnen.