Boston Consulting Group: Plädoyer für Pyrolyse

Eine umstrittene Technologie könnte bei der Kreislaufwirtschaft eine nicht unwesentliche Rolle spielen, behauptet der US-amerikanische Beratungskonzern.

Bild: Boston Consulting Group
Pyroloyse statt Vermüllung: Laut BCG landen jährlich etwa 250 Millionen Tonnen auf mehr oder wenier ordnungsgemäßen Deponien.

 

Die Pyrolyse von Plastikabfällen könnte einen wesentlichen Beitrag zu einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft leisten. Das behauptet zumindest der international tätige Unternehmensberatungskonzern Boston Consulting Group (BCG) in einer kürzlich erschienenen Studie mit dem Titel „A Circular Solution to Plastic Waste“. Darin heißt es, abhängig vom Ausgangsmaterial bestehe der „Output“ der Plastikpyrolyse zu rund 70 bis 80 Prozent aus Öl und zu weiteren zehn bis 15 Prozent aus Gas. Lediglich den Rest von maximal zehn bis 15 Prozent mache Pyrolysekoks aus, der üblicherweise im Straßenbau verwendet oder schlimmstenfalls in Mülldeponien verbracht werde. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich bereits eine ganze Reihe von Unternehmen erfolgreich mit dem Thema Pyrolyse befasst und aus Plastikabfällen Kraftstoff erzeugt. Derzeit werde die Technologie unter anderem von Agilyx, RES Polyflow, Brightmark Energy, RTI und Klean Industries zum Einsatz gebracht. Klean Industries und Toshiba etwa errichteten nach Angaben von BCG im Jahr 2000 eine Pyrolyseanlage in Sapporo in Japan, die es auf eine Erzeugungsmenge von rund 40 bis 50 Tonnen Öl pro Tag brachte. Sie war bis 2012 im Einsatz. Aus dem Öl ließen sich damals angeblich jährlich rund neun Millionen Liter Leichtöl als Ausgangsmaterial für chemische Prozesse sowie mittelschwere Öle wie Diesel raffinieren. BP und RES wiederum sind derzeit dabei, im US-amerikanischen Bundesstaat Indiana eine Pyrolyseanlage zu errichten. Deren Kapazität beziffert BCG mit rund 100.000 Tonnen Diesel pro Jahr. Sie soll noch heuer in Betrieb gehen. Den Kraftstoff will BP hochdaselbst übernehmen.

 

Die Wirtschaftlichkeit der Plastikpyrolyse wird nach Ansicht der Studienautoren im Wesentlichen von vier Faktoren bestimmt. Im Einzelnen handelt es sich um die Menge des eingesetzten Kunststoffs, die Kosten für dessen Ankauf und seine Behandlung, die Kapazität und die Betriebskosten der Pyrolyseanlage sowie die Erlöse aus dem Verkauf der Produkte. Und von schlechten Eltern sind die ökonomischen Herausforderungen nicht: Um eine Anlage von 30.000 Tonnen Jahreskapazität rentabel betreiben zu können, müsse ein Unternehmen einen internen Zinsfuß (Internal Rate vof Return, IIR) von mindestens zwölf Prozent ansetzen, rechnen die Spezialisten von BCG vor.

 

Etliche Hürden

 

Außerdem gilt es den Unternehmensberatern zufolge, eine Reihe anderer Hürden zu überwinden. So sind die meisten bestehenden Pyrolyseanlagen vergleichsweise klein und in technischer Hinsicht schwierig zu betreiben. Überdies kommt sich die Kreislaufwirtschaft gelegentlich auch selbst in die Quere: Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, Kunststoffe zu entwickeln und zu erzeugen, die sich erheblich besser mechanisch rezyklieren lassen als bisher verfügbare Materialien. Das erhöht den ökonomischen Druck auf andere Verwertungsmethoden. Ferner ist zu beachten, dass die Pyrolyse als Endprodukt fast ausschließlich Öl und Gas erbringt. Verfahren des chemischen Recyclings könnten dem gegenüber dazu führen, auch andere Substanzen wiederzugewinnen, die für die Erzeugung der Kunststoffe verwendet wurden.

 

Und dann sind da möglicherweise auch noch unerwünschte gesellschaftliche Auswirkungen, räumen die Autoren der Studie ein: In manchen Entwicklungsländern spielt das Sammeln und Sortieren von (Kunststoff-)Abfällen eine wesentliche Rolle in der Schattenwirtschaft. Es sichert damit Millionen vom Menschen ein wenn auch unter noch so haarsträubenden Umständen erzieltes Einkommen. Mit der Plastikpyrolyse würden sie dessen und damit ihrer Lebensgrundlage beraubt.

 

Dennoch plädiert BCG dafür, den Weg der Nutzung der Technologie zu beschreiten. Zurzeit produziere die Menschheit nicht weniger als 350 Millionen Tonnen Kunststoff pro Jahr. Noch immer landen davon etwa 250 Millionen Tonnen auf mehr oder weniger ordnungsgemäßen Deponien und - bekanntermaßen - mindestens zehn Millionen Tonnen in den Weltmeeren. Dem gelte es jedenfalls, entschieden gegenzusteuern. Und gerade die Industriestaaten sieht BCG dabei in der Pflicht: Sie sind laut dem Beratungskonzern für 75 bis 90 Prozent des weltweiten Kunststoffbedarfs verantwortlich.