Chemie-Nobelpreis: Katalyse abseits von Metallen und Enzymen

Den Nobelpreis für Chemie 2021 teilen sich der Deutsche Benjamin List und der Brite David McMillan, die unabhängig voneinander die Idee hatten, kleine organische Moleküle als Katalysatoren einzusetzen.

Bild: Frank Vinken für MPI für Kohlenforschung
Das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung freut sich über den Nobelpreis an einen seiner Direktoren

Katalyse ist eines der Grundprinzipien, um chemische Reaktionen zu verstehen und ihr Ergebnis gezielt zu designen. Der Begriff geht auf den schwedischen Chemiker Jöns Jakob Berzelius zurück, der damit 1835 eine Reihe von Beobachtungen zusammenfasste, bei denen ein Stoff eine Reaktion ermöglichte, ohne selbst daran teilzunehmen. Die bekanntesten Vertreter solcher Katalysatoren sind Oberflächen fester Metallpartikel, organische Komplexe, in die Metallatome eingebaut sind, oder aber Enzyme, die man in biologischen Systemen findet.

Von letzteren bezog Benjamin List, einer der diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger seine Inspiration, zu dieser Reihe eine neue Klasse hinzuzufügen. Die Protein-Makromoleküle der biologischen Katalysatoren bestehen aus einer langen Kette von Aminosäuren, die sich zu einer präzise definierten dreidimensionalen Struktur falten. Was List, der nach der Promotion an der Universität Frankfurt am Scripps Research Institute in Kalifornien arbeitete, auffiel, ist, dass oft nur wenige Aminosäuren das eigentliche katalytische Zentrum eines Enzyms bilden – was die Frage aufwarf: Können sie dies auch, ohne in ein Protein eingebaut zu sein. List testete diese Hypothese mit der Aminosäure Prolin, die sich als erstaunlich guter Katalysator für eine Aldolreaktion entpuppte.  

 

Klein und hochfunktionell

Zu selben Zeit – kurz vor der Jahrtausendwende – beschäftigte sich auch der zweite Laureat, David McMillan, an der University of California in Berkeley mit Mechanismen der Katalyse. McMillan schwebte vor, kleinen organische Moleküle zu finden, die die Eigenschaft metallischer Katalysatoren, Elektronen aufnehmen oder abgeben zu können, teilen – aber nicht so empfindlich gegenüber Sauerstoff und Feuchtigkeit sind. Er identifizierte Iminium-Ionen (organische Kationen, die als Intermediate bestimmter Reaktionen auftreten) als Strukturelemente, die das leisten.

Beide Fundstücke – die chirale Aminosäure Prolin und die durch voluminöse organische Reste entsprechend substituierten Iminium-Ionen brachten eine weitere, höchst erwünschte Funktionalität mit: Sie ermöglichten die Synthese einer der beiden spiegelbildlichen Isomere (Enantiomere) von asymmetrisch gebauten Molekülen. Das von List und McMillan gefundenen Vorgehensweise erhielt daher bald den Namen asymmetrische Organokatalyse.

 

Effiziente Wirkstoffsynthese

Seit dem Jahr 2000 boomt diese Forschungsrichtung, in der die beiden Nobelpreisträger bis heute eine führende Rolle innehaben, die zum Auffinden zahlreicher weiterer katalytischer Molekülstrukturen führte. Vielfach sind mithilfe der Organokatalyse komplizierte Reaktionen in viel weniger Schritten durchführbar als herkömmlich. Für die Synthese pharmazeutischer Wirkstoffe ist die Selektivität für eine der beiden spiegelbildlichen Formen von zentraler Bedeutung. Das Antidepressivum Paroxetin und die antiviral eingesetzte Substanz Oseltamivir sind nur zwei Beispiele von Molekülen, deren Produktion auf diesem Wege vereinfacht werden konnte.