Der Nacktmull. Oder: Ein Leben ohne Schmerz Life Sciences 29.01.08 von Facebook Twitter LinkedIn via eMail teilen Der Afrikanische Nacktmull ist eines der ungewöhnlichsten Säugetiere: 15 cm groß, kaum behaart, lebt eng gedrängt in stickigen Höhlen - und kennt keinen Schmerz. Gary R. Lewin vom <a href=http://www.mdc-berlin.de>MDC</a> in Berlin und Thomas J. Park von der University of Illinois konnten nun zeigen, dass Säure, die im Normalfall schmerzhafte Verätzungen verursacht, Nacktmullen nichts anhaben kann. Der Nacktmull. Oder: Ein Leben ohne Schmerz <% image name="Afrikanischer_Nacktmull" %><p> <small> Zu den erstaunlichen Besonderheiten des Afrikanischen Nacktmulls (Heterocephalus glaber) gehört, dass er keinen Schmerz empfindet. © MDC</small> Bereits früher hatte Park nachgewiesen, dass der Nacktmull 2 Botenstoffe, die Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten, nicht bilden kann: die Substanz P und das Calcitonin Gene related Peptide (CGRP). Doch damit lässt sich das mangelnde Schmerzverhalten nicht erklären. <b>Säure</b> löst normalerweise bei allen Säuge- und Wirbeltieren, Amphibien und Fischen sehr schmerzhafte Verätzungen und Entzündungen aus. Beim Nacktmull ist das jedoch anders. Zwar ist der Nacktmull mit Schmerzfühlern (Nozizeptoren) ausgestattet - Säurereizungen nimmt er aber überhaupt nicht wahr und auch damit verbundene Entzündungen spürt er nicht. Denn die Schmerzfühler in ihrer Haut werden nicht aktiviert, wenn sie mit Säure in Kontakt kommen. Auch dann nicht, wenn sie einen pH-Wert von 3,5 hat. Dagegen reagieren die Schmerzfühler der Nacktmullen auf das Capsaicin in Pfeffer- oder Chilischoten sehr heftig. Capsaicin löst normalerweise Brennen und Hitzeempfinden im Mund aus, wenn man scharf isst, auf der Haut sind hohe Dosen davon sehr schmerzhaft. Nicht so bei den Nacktmullen. Obwohl Capsaicin auf ihrer Haut die Schmerzfühler aktiviert, reagieren sie nicht darauf: Der scharfe Stoff macht ihnen nichts aus. Wie die Schmerzforscher herausgefunden haben, aktivieren bei den Nacktmullen die auf Capsaicin reagierenden Schmerzfühler andere Regionen im Gehirn als bei "normalen" Säugetieren, die über die gleichen Schmerzsensoren verfügen. Vermutet wird, dass die Information "Schmerz" bei den Nacktmullen entweder ins Leere läuft oder angenehme Gefühle weckt. <b>Extreme Lebensbedingungen.</b> Weshalb der Nacktmull auf Säure überhaupt nicht reagiert, bei Capsaicin aber sehr heftig und dennoch keinen Schmerz spürt, führen sie auf die Anpassung an seine extremen Lebensbedingungen zurück. Nacktmulle leben in engen, dunklen Höhlen in den Halbwüsten Zentralostafrikas in Kolonien mit bis zu 300 Tieren. Dadurch ist der Sauerstoffgehalt der Luft sehr gering, der Kohlendioxidgehalt hingegen so hoch, dass ein Mensch in dieser Luft kaum überleben könnte. Nacktmulle haben ihren Staat ähnlich wie Bienen oder Termiten organisiert, trinken nicht und ernähren sich nur von Knollen. Als einziges wechselwarmes Säugetier passt er seine Körpertemperatur der Umgebung an. Wird ihm zu kalt, muss er sich in wärmere Ecken seiner Höhle verkriechen, ähnlich wie Eidechsen, die zum Aufwärmen in die Sonne gehen. Darüber hinaus werden Nacktmulle im Vergleich zu Mäusen geradezu steinalt. Während Mäuse eine natürliche Lebenserwartung von etwa 2 Jahren haben, können Nacktmulle 25 Jahre alt werden. Die Forscher weisen darauf hin, dass hoher CO<small>2</small>-Gehalt zu einer Daueraktivierung von Schmerzsensoren führt. Offenbar ist dieser Mechanismus bei den Nacktmullen aber im Laufe der Evolution stillgelegt worden. Jetzt wollen Lewin und Park auch die molekularen und zellulären Mechanismen für diese Unempfindlichkeit erforschen. <small> <a href=http://biology.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371%2Fjournal.pbio.0060013>PLoS Biology</a>, Vol. 6, Nr. 1, 29. Januar 2008, doi:10.1371/journal.pbio.0060013 </small>