Die Überlebensstrategien der Schwefelbakterien

Die fadenförmigen farblosen Schwefelbakterien Beggiatoa veratmen Schwefelwasserstoff mit Sauerstoff. Forscher vom Bremer Max-Planck-Institut konnten nun zeigen, dass die Schwefelbakterien in Salzseen dieselben Methoden, aber unterschiedliche Strategien zur Verwaltung des zellinternen Energiehaushalts wie ihre Verwandten aus der Tiefsee nutzen. Die Überlebensstrategien der Schwefelbakterien <% image name="Beggiatoa1" %><p> <small> Titelbild der Zeitschrift Applied Environmental Microbiology, September 2007. Einzelaufnahme eines Filaments, angefärbt mit FITC (zeigt die Vakuolen in grün) und Sypro Orange (Proteinfärbung in rot dargestellt). Die weißen Punkte zeigen die Schwefeleinschlüsse. &copy; MPI Bremen </small> <table> <td width="120"></td><td><small> <b>Beggiatoa</b> sind Bakterien und kommen nur in Sedimenten vor. Und auch nur dort, wo ausreichend Schwefelwasserstoff (Sulfid) zur Verfügung steht: In Kläranlagen, in Seen mit viel organischem Material, an Schwefelquellen, in Meerwasserhöhlen, in nährstoffreichen Küstengewässern, auf abgestorbenem organischen Material wie toten Haien, Walen und Korallen. Aber auch in der Tiefsee in der Nähe von Gashydraten und schwarzen Rauchern sowie in Seen oder künstlichen Becken zur Salzgewinnung (Salinen) mit mehr als dreifacher Salzkonzentration des Meeres. </small></td> </table> Beggiatoa bilden bis zu 1 cm lange Bakterienfäden und sind immer auf der Suche nach Nahrung. Sie können elementaren Schwefel, der als Zwischenform bei der Umwandlung von Schwefelwasserstoff entsteht, in ihren Zellen einlagern. Den nutzen sie dann als Energiespeicher, falls temporär und in erreichbarer Umgebung kein Sulfid vorhanden ist. <% image name="Beggiatoa2" %><p> <small> Titelbild der Zeitschrift Applied Environmental Microbiology, Dezember 2007. Anfärbung der Vakuolen eines Beggiatoa-Filaments mit FITC (grün). Elementarer Schwefel ist durch Reflexion als weiße Punkte sichtbar. </small> Um zudem unabhängig vom Sauerstoff-Vorkommen zu sein, nutzt das Bakterium eine weitere zellinterne Struktur - die Vakuole. In diesem flüssigkeitsgefüllten Hohlraum, der den Großteil der Zellen einnimmt, speichern die Bakterien Nitrat in hohen Konzentrationen. Dieses Nitrat nutzen sie als Oxidationsmittel, wenn der Sauerstoff zur Sulfidumsetzung nicht zur Verfügung steht. Beide Speicher sind an verschieden Orten in ihrer Umgebung wieder zu befüllen: Nitrat wird durch das Meerwasser an die Oberflächen der Meeresböden transportiert - Schwefelwasserstoff hingegen entsteht eher in den tieferen Bodenschichten, wo organisches Material von anderen Spezialisten, den sulfatreduzierenden Bakterien produziert wird. Sulfat ist reichhaltig im Meerwasser vorhanden und kann daher auch in tiefere Bodenschichten eindringen. Die räumliche Lücke, die zwischen diesen beiden "Tankstellen" liegt, überwinden die Bakterien durch Gleiten. Die durchschnittliche Geschwindigkeit liegt bei 8 mm/h. Anders verhält es sich in den stark salzhaltigen Seen und Salinen. Hier leben die Mikroorganismen in zentimeterdicken Bakterienmatten. In der Matte sind ständig wechselnde Bedingungen gegeben, denn die Ansiedlung vieler anderer Bakterienarten mit ihren unterschiedlichen Stoffwechselprodukten und die wechselnde Lichtintensität je nach Sonnenstand beeinflussen die Mikroumgebung von Beggiatoa. Am Tag bilden Cyanobakterien durch Photosynthese Sauerstoff, der in die tieferen Schichten der Matte dringt. In der Nacht hingegen produzieren die unteren Bakterienschichten Schwefelwasserstoff, der nach oben diffundiert. Die Beggiatoa machen sich diese ständig wechselnden Konzentrationen von Sauerstoff, Nitrat und Schwefelwasserstoff zunutze, um ihre Vorräte aufzubessern. Während die Tiefsee-Beggiatoa diesen Stoffen hinterher wandern müssen, bleiben die Matten-Beggiatoa an Ort und Stelle. Susanne Hinck konnte jetzt diese Wanderungsbewegungen und andere Umgebungsparameter genau verfolgen und zeigen, dass beide Beggiatoa-Arten die gleichen Zellstrukturen für unterschiedliche Überlebensstrategien einsetzen. So gelingt es beiden Arten, den Wettbewerbsvorteil in völlig verschiedenen Lebensräumen gegenüber konkurrierenden Mikroorganismen zu sichern. <small> Susanne Hinck, Thomas R. Neu, Gaute Lavik, Marc Mussmann, Dirk de Beer, Henk M. Jonkers. "Physiological Adaptation of a Nitrate-Storing Beggiatoa sp. to Diel Cycling in a Phototrophic Hypersaline Mat". Applied and Environmental Microbiology, Nov. 2007, Vol. 73, No. 21, p. 7013-7022. </small>