Gentests für alle? Pro & Contra

Drei <a href=http://www.gen-au.at>GEN-AU</a>-Forscher wurden von <i>Nature</i> eingeladen, die aktuellen Entwicklungen angesichts der sich in den USA und Island gerade etablierenden privaten Genomanalyse-Dienste zu kommentieren: Barbara Prainsack, Ursula Naue und Herbert Gottweis raten von einer vorschnellen Reglementierung ab. <% image name="Gensequenz" %><p> <table> <td width="110"></td><td> Unternehmen, die auf Wunsch Gesamt-Genomanalysen samt Einschätzung genetischer Krankheitsrisiken, möglicher Verwandtschaft zu Prominenten und der Wahrscheinlichkeit von Haarausfall liefern, werben seit einem Jahr im Internet auch um österreichische Kunden. Zu den Werbestrategien gehören auch "Spit-Parties", bei denen Prominente im festlichen Rahmen ihre DNA per Speichelprobe zur Untersuchung freigeben. Normalsterbliche Menschen zahlen für die Genomanalyse zwischen 320 und knapp 2.000 €, je nach Unternehmen und Leistungspaket (<a href=http://www.23andme.com>23andMe</a>, <a href=http://www.decodeme.com>deCODEme</a>, <a href=http://www.navigenics.com>Navigenics</a>). </td> </table> Während diese neuen, relativ teuren Services mit dem Spaßfaktor an Image und gesellschaftlicher Akzeptanz arbeiten, wird der Ruf nach strengeren Bestimmungen und behördlicher Aufsicht, aus Forschung und dem Bereich öffentlicher Gesundheit immer lauter. <b>Wesentliche Kritikpunkte</b> sind die Frage nach dem klinischen Nutzen und die wissenschaftlich ungesicherten Interpretationen genetischer Abweichungen als tatsächliches Erkrankungsrisiko. Kunden könnten entweder unnötig verängstigt oder aber auch fälschlich beruhigt werden. So könnte sich etwa eine starke Raucherin, deren Genom-Analyse ein leicht verringertes genetisches Risiko für Lungenkrebs anzeigt, in falscher Sicherheit wiegen und sorglos weiterrauchen. Zu oft wird im Fahrwasser des Gentest-Hypes vergessen, dass Lebensstil- und Umweltfaktoren häufig viel wichtigere Faktoren in der Krankheitsprävention darstellen als genetische Information. Ein weiterer Aspekt ist der Umgang mit den in großem Ausmaß gesammelten, Daten. Die Test-Anbieter verlangen zwar formal die Einwilligung der Genom-"Besitzer"; in der Praxis kann jedoch niemand sicherstellen, dass die eingesandte Speichelprobe tatsächlich von der Person stammt, die sie abschickt. Theoretisch könnte man also Genmaterial anderer Personen einsenden und sich so Zugang zu deren Genom-Daten verschaffen. Kritisiert wurde auch die Praxis vieler Eltern, den Speichel ihrer Kinder zur Analyse einzusenden, ohne bedacht zu haben, welche Folgen dies für die Kinder künftig haben könnte (wenn diese etwa später eine Lebensversicherung kaufen möchten). Die Genomtest-Anbieter kontern, dass die Reglementierung eine Bevormundung der Bürger und Einschränkung der persönlichen Freiheit bedeutet und betonen: Es handele sich um eine "Demokratisierung" des Genoms. Prainsack und ihre Co-Autoren befürworten einerseits Entwicklungen, in denen Individuen als Experten und aktive Inhaber ihres Genoms agieren können. Anderseits könne die Vorstellung von einer Gesellschaft pro-aktiver Bürger, die freie, unmanipulierte Entscheidungen am unregulierten Genom-Markt treffen, angesichts der engen Verbindung von Wissensproduktion und wirtschaftlicher Wertschöpfung, nur eine Illusion sein. Weder die meisten Ärzten noch andere Gesundheitsexperten seien dazu ausgebildet, Genom-Information zu interpretieren. Das Resultat sei, dass Informationen darüber, was Genom-Information bedeutet und welche Risiken mit Genom-Tests verbunden sind, hauptsächlich von den Unternehmen kommen, welche diese Tests anbieten. Und für jene, die Produkte verkaufen wollen, hat die Objektivität und Vollständigkeit der Information meist nicht oberste Priorität. <b>Erfahrungswerte fehlen noch.</b> Die Forscher warnen aber auch, dass es für eine vorausschauende politisch-rechtliche Steuerung zu früh sei. Ausmaß und Angebot an Information, die berücksichtigt werden muss, um hier selbstverantwortliche Entscheidungen fällen zu können, seien erst im Entstehen. Und erst wenn besser erforscht sei, wie sich Testergebnisse auf Leben und Verhaltensweisen im Einzelnen auswirken, könne etwa entschieden werden, ob es erlaubt sein soll, solche Daten als Bestandteil der Patientenakten mit Details zu der individuellen Familiengeschichte und dem Lebensstil zusammenzuführen und elektronisch aufzubewahren. Erfahrungswerte, wie Menschen mit dem Wissen um etwaige punktuelle Mutationen in ihrem Erbgut umgehen werden, fehlen bisher. Es liegen vereinzelte Berichte von Konsumenten vor, die durchwegs wohlhabend sind und einen überdurchschnittlich guten Zugang zu Bildung, Informationen zum Thema Gene und Gesundheitsvorsorge haben. Solche Personengruppen können keineswegs als repräsentativ für weitere Bevölkerungsgruppen angesehen werden, deren Aussicht auf Lebens- oder private Gesundheitsversicherung in manchen Ländern durch privat durchgeführte Vollgenomanalysen beeinträchtigt sein könnte. Daher ist es Anliegen von Prainsack, Naue und Gottweis, dass die empirische Untersuchung unterschiedlichster Auswirkungen dieser DNA-Tests staatlich gefördert wird. Auf Basis der Ergebnisse könnten Regierungen dann entscheiden, inwieweit die bestehenden Gentest-Gesetze hier anwendbar sind oder ob eine neue Gesetzgebung notwendig wird. Gentests für alle? Pro & Contra