Klima- und Energiepolitik: Rundumschlag der Wirtschaftskammer
Die Bundessparte Industrie lässt kaum ein gutes Haar an den europäischen sowie österreichischen Vorgaben. Außer Belastungen für die Wirtschaft als „Fundament des Wohlstands“ brächten diese wenig, hieß es bei einer Pressekonferenz.

Die Position der Wirtschaftskammer (WKÖ) zur europäischen sowie österreichischen Energie- und Klimapolitik umrissen am 28. August der Umweltsprecher der Bundessparte Industrie, Robert Schmid, sowie Spartengeschäftsführer Andreas Mörk. Und weder der Inhalt noch der Ton der Ausführungen ließen an Klarheit zu wünschen übrig. Schmid betonte, die Wirtschaft und insbesondere die Industrie sei „das Fundament des Wohlstandes“ und damit die Basis aller Sozial- sowie Umweltpolitik. Indessen leide gerade die Industrie an einem „Bombardement an Angriffen, das das liberale Wirtschaften stört“. Die Bürokratie sei „ein Wahnsinn“, die Energie- und Klimapolitik weitestgehend verfehlt. Vehement verwahrte sich Schmid gegen den verschiedentlich an die WKÖ gerichteten Vorwurf, ein „Blockierer und Verhinderer“ zu sein. Das sei keineswegs der Fall: „Aber das Fundament des Wohlstands muss Bestand haben.“
Den EU-Emissionshandel (EU-ETS) bezeichnete Schmid als „Missgeburt“. Das ETS sei zu einem „spekulativen Instrument“ geworden, das für manche Akteure „furchtbare Kosten“ und für andere erhebliche Gewinne mit sich bringe. Seinen Zweck, die CO2-Emissionen zu verringern, erfülle das ETS indessen nicht. Statt dessen verteuerten die Kosten für die Emissionszertifikate die Produkte der Industrie und kurbelten damit die Inflation weiter an. „Und es wird intensiv daran gearbeitet, das noch blöder zu machen“, ergänzte Schmid. Er verwies in diesem Zusammenhang auf den Nationalen Klima- und Energieplan Österreichs (NEKP), den er als „Katastrophe“ bezeichnete. Der Grund: Der Plan umreißt, wie Österreich seine Emissionen außerhalb des ETS bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent verringern kann. Vorgesehen ist, zwei Prozentpunkte oder bis zu 1,14 Millionen Tonnen pro Jahr durch eine Verlagerung in das ETS darzustellen. Das aber verteuere die CO2-Zertifikate und gehe damit wiederum zulasten der Wirtschaft. Auch die nationale CO2-Steuer müsse „auf den Prüfstand“.
Vollständige Dekarbonisierung unmöglich
Schmid resümierte, die „Vorgaben aus Brüssel“ hinsichtlich der Reduktion der CO2-Emissionen seien „sportlich. Und der Glaube, dass die österreichischen Politiker das vernunftnahe umsetzen, ist nicht vorhanden“. Statt dessen befürchte die Wirtschaft, „dass die Ökofundis Mist bauen“. Eine vollständige Dekarbonisierung der Industrie sei jedenfalls unmöglich, wenn diese weiter Bestand haben solle. Die CO2-Problematik lasse sich nur global in den Griff bekommen, aber auch das sei aller Wahrscheinlichkeit nach eine Illusion. Letzten Endes seien die Leidtragenden die Bürgerinnen und Bürger, die „Wohlstand verlieren“ würden.
In Hinblick auf die künftige österreichische Bundesregierung plädierte Schmid dafür, die Energie- und die Umweltagenden nicht mehr in einem Ministerium zusammenzufassen. Zurzeit werde nämlich die Energiepolitik „immer von der Umweltpolitik überdeckt“.
„Klare Ziele und Rahmenbedingungen“
Auf die sinngemäße Frage, worauf dies denn hinauslaufe, wenn nicht auf eine Blockadehaltung, bekannte sich Schmid zum „Green Deal“ der EU. Leider biete dessen Umsetzung etliche Interpretationsspielräume. Und Österreich sei nun einmal „Spezialist, die Dinge nicht gescheit zu machen“. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse den Deal daher in Frage stellen. Selbstverständlich gelte es, klimapolitisch zu handeln. Die Industrie brauche aber klare und umsetzbare Vorgaben.
Zur Frage des Chemiereports, welche Emissionsreduktionen die Industrie bis 2030 zu welchen Kosten und mit welchen Maßnahmen darstellen könne, beschied Richard Guhsl, Referent der Bundessparte Industrie für Umwelt- und Energiepolitik, die Unternehmen verfügten über etliche Konzepte. Sie müssten diese aber immer wieder überarbeiten, weil sich die Vorgaben wieder und wieder veränderten.
Geschäftsführer Mörk ergänzte: „Wir brauchen klare Ziele und Rahmenbedingungen.“ Es gehe nicht an, die diesbezüglichen „Versäumnisse der vergangenen 15 Jahre“ in die nächste Legislaturperiode „weiterzuschleppen“. Außerdem müssten einige offene energiepolitische Fragen dringend geklärt werden. Bekanntlich laufe der Gastransit-Vertrag zwischen Russland und der Ukraine Ende des heurigen Jahres aus: „Woher kommt das Gas nach dem 1. Jänner 2025? Das wissen wir immer noch nicht.“
Dringend notwendig sei ferner, zügig Erzeugungs-, Transport- und vor allem Importkapazitäten für „grünen“ Wasserstoff zu schaffen. Im derzeitigen Tempo werde die Regierung ihr Ziel kaum erreichen, bis 2030 Elektrolyseure mit einer Gesamtkapazität von einem Gigawatt zu errichten. Auch der Ausbau der Infrastruktur für die Stromversorgung müsse massiv beschleunigt werden.
Düstere Stimmung
Düster ist jedenfalls die Stimmung in der Wirtschaft, erläuterte der Geschäftsführer des Energieinstituts der Wirtschaft (EIW), Oliver Dworak. Laut einer aktuellen Umfrage seines Hauses hielten nur etwa 17 Prozent der Unternehmen die Rahmenbedingungen in Österreich für gut, um Investitionsentscheidungen zu treffen. Lediglich 14 Prozent seien der Auffassung, die Transformation in Richtung Klimaneutralität laufe gut. Nur sieben Prozent seien der Meinung, die Klima- und Energiepolitik stärke das Vertrauen in den Standort Österreich. Gar nur fünf Prozent glaubten, der Standort entwickle sich im Vergleich zu anderen Ländern positiv.
Laut Dworak wären etwa acht bis zwölf Milliarden Euro notwendig, um die Wirtschaft so weit wie möglich klimaverträglich zu machen. Der mit 5,7 Milliarden Euro dotierte Transformationsfonds der Bundesregierung sei zweifellos hilfreich, insbesondere, weil nicht nur Investitionen gefördet würden, sondern auch das Betreiben von Anlagen unterstützt werde. Wichtig wäre laut Dworak, das Programm über das Jahr 2026 hinaus zu verlängern. Außerdem sei zu beachten, dass es bei den entsprechenden Maßnahmen primär darum gehe, fossile Energieträger durch Strom aus erneuerbaren Energien zu ersetzen. Deshalb bedürfe die Wirtschaft einer Stromkostenkompensation.