Konjunktur: IV sieht „zarte Silberstreifen“

Österreich könnte in den kommenden Monaten aus der Rezession zumindest in eine Stagnationsphase kommen. Wachsen dürfte die Wirtschaft aber erst 2025, hieß es bei der Präsentation des aktuellen Konjunkturbarometers.

 

Foto: IV / Philipp Horak
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer: „In Summe müssen wir mehr arbeiten, nicht weniger.“

Österreichs Industrie sei „in spannenden Zeiten“, konstatierte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, bei der Präsentation des aktuellen Konjunkturbarometers seiner Institution. Zwar befinde sich der Sektor nach wie vor in einer Phase der Rezession, doch seien „zarte Silberstreifen“ erkennbar: „Womöglich wird es gelingen, in den kommenden Monaten zumindest in eine Stagnationsphase zu kommen.“ Ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum werde es aber voraussichtlich erst 2025 geben.

 

Als „entscheidenden Punkt“ bezeichnete IV-Chefökonom Christian Helmenstein das Ansteigen der Aufträge aus dem Ausland. Noch nie sei Österreich in der Nachkriegszeit ohne Erholung der Exporte aus einer Rezession gekommen. Als hilfreich erachtet Helmenstein in diesem Zusammenhang die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um etwa drei Prozent. Dies trage dazu bei, den insgesamt auf der Industrie lastenden „Kostendruck“ zumindest einigermaßen zu mildern. Weiterhin angespannt bleibt laut Helmenstein die Lage auf dem Arbeitsmarkt: Im „produktiven Bereich“ sei mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund 20 Prozent zu rechnen. Das bedeute nicht zuletzt eine „Rückwanderung“ ausländischer Arbeitskräfte in ihre Heimat sowie den Rückzug von Personen aus der Industrie in andere Branchen. „Das könnte dazu führen, dass uns die Arbeitskräfte fehlen, wenn wir sie beim erwarteten Anziehen der Konjunktur im kommenden Jahr wieder brauchen“, warnte Helmenstein.

 

Arbeitszeit verlängern

 

Neumayer zufolge ist es aus Sicht der IV notwendig, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um eine halbe Stunde pro Tag auf 41 Wochenstunden zu verlängern. Die Arbeitskosten seien in Österreich in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als im europaweiten Durchschnitt, vor allem aber als in Deutschland, das zugleich der wichtigste Absatzmarkt und in vielen Bereichen der wichtigste Konkurrent ist. Überdies sinke der Fortschritt der Produktivität seit 1995 kontinuierlich. Daher müsse das Arbeitsvolumen erhöht werden: „Österreich ist kein Land der Faulpelze. Aber in Summe müssen wir mehr arbeiten, nicht weniger.“ Auf Anfrage der Redaktion konstatierte Neumayer, das Anliegen der IV sei, bei der Debatte um allfällige Arbeitszeitverkürzungen „auf die Stopptaste zu drücken. Deshalb greifen wir dieses Thema auf“.

 

Als erforderlich erachtet Neumayer auch Maßnahmen gegen den „Bürokratietsunami“ auf österreichischer und europäischer Ebene. Die IV plant in diesem Zusammenhang ein „Belastungsbarometer“, um die Kosten der Bürokratie für die Unternehmen zu quantifizieren.

 

Gasimporte sichern

 

Dringend nötig sind dem IV-Generalsekretär zufolge weiters Maßnahmen, um den Import russischen Erdgases auch über den 31. Dezember zu gewährleisten. An diesem Tag läuft der Gastransitvertrag der Ukraine mit Russland aus. Das Regime in Kiew bekundete mehrfach, eine Verlängerung werde es nicht geben. Neumayer forderte Energieministerin Leonore Gewessler auf, sich für die Schaffung eines Konsortiums von Gasversorgern aus Österreich, der Slowakei, Slowenien und Ungarn einzusetzen: „Das sind die Länder, die am meisten von einem Stopp der Gaseinfuhren aus Russland betroffen wären.“ Das Konsortium sollte mit politischer Unterstützung dieser Länder sowie in Abstimmung mit der EU-Kommission mit der Ukraine über die Fortsetzung der Transite verhandeln. Grundsätzlich gebe es von ukrainischer Seite entsprechende Bereitschaft, konstatierte Neumayer unter Bezugnahme auf ein Gespräch zwischen der IV-Führung und dem ukrainischen Energieminister German Galutschtschenko. Die Ukraine benötige die Transitgebühren. Russland wiederum sei an Einnahmen aus dem Export von Gas in die EU interessiert.

 

Überdies forderte Neumayer die rasche Ertüchtigung der West-Austria-Gasleitung (WAG), um Gasimporte aus Nordwesteuropa zu erleichtern. Für ein entsprechendes Vorhaben, den „WAG-Loop 1“ stellte Finanzminister Magnus Brunner Anfang März mindestens 70 Millionen Euro in Aussicht, nötigenfalls auch mehr. Die Kosten des „Loops“ belaufen sich auf etwa 180 bis 200 Millionen Euro. Neumayer zufolge ist die Ankündigung Brunners zu begrüßen: „Es wäre aber gut gewesen, das schon ver zwei Jahren zu machen.“ Nach derzeitigem Stand werde der Loop im Jahr 2027 in Betrieb gehen. Daher seien Gaseinfuhren aus Russland noch mindestens zwei Jahre lang unverzichtbar. 

 

Gewerkschaft sieht „Affront“

 

Eine prompte Reaktion auf die Forderung der IV nach Verlängerung der Arbeitszeit kam von der Vorsitzenden der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Barbara Teiber. Es handle sich um einen „Affront gegenüber den Arbeitnehmer:innen, die durch ihre Leistungsbereitschaft unser Land zu einem der reichsten Europas gemacht haben. Wenn man behauptet, das Problem unserer Wirtschaft sei, dass zu wenig gearbeitet werde, dann ist das eine bewusste Provokation oder ein Beweis dafür, dass man die Zeichen der Zeit nicht erkennt“.