„Kosten nicht als einziges Kriterium“

Die Stärkung der Arzneimittelerzeugung in Europa ist nach Ansicht der Pharmaindustrie eine der wichtigsten Lehren aus der COVID-19-Pandemie. Notwendig sind nicht zuletzt angemessene Preise, die auch die Verfügbarkeit und Umweltkriterien beinhalten müssen, hieß es bei einer Online- Veranstaltung des Österreichischen Generikaverbands. 

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Generikaverbands-Präsident Wolfgang Andiel: „Ich möchte gerne glauben, dass die Politik mit der Wirkstoffverordnung Gutes tun will.“

 

Natürlich habe der „Lockdown“ im Zuge der COVID-19-Pandemie auch für die Pharmabranche erhebliche Herausforderungen mit sich gebracht. Doch im Wesentlichen seien diese gut bewältigt worden, betonte Christoph Stoller, der Präsident des europäischen Generikahersteller-Verbandes „Medicines for Europe“ bei einer Online-Veranstaltung des Österreichischen Generikaverbands am 15. Juli. Zwar seien Lieferengpässe bei verschiedenen Arzneimitteln aufgetreten, nie aber gravierende Versorgungsengpässe. Als hilfreich erwies sich laut Stoller die kontunuierliche Kommunikation mit der Politik, insbesondere EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Nun allerdings gelte es, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Und das bedeute keineswegs zuletzt, die allzu großen Abhängigkeiten von Arzneimittelherstellern in Staaten und Wirtschaftsräumen außerhalb Europas zu verringern, betonte Stoller: „Noch vor 30 Jahren wurden nur 20 Prozent der benötigten Medikamente nach Europa importiert, heute sind es 80 Prozent.“

Und nicht nur Fertigformen, sondern auch Rohstoffe für Arzneien kämen zunehmend aus Asien, insbesondere aus Indien und China. Komme es dort zu Problemen, könne sich das auf Europa fatal auswirken. „Daher sollten wir unsere Lieferketten überdenken. Zwar können wir nicht alles in der EU erzeugen, und das wäre auch wirtschaftlich nicht sinnvoll. Aber was essenziell ist, etwa Antibiotika, sollten wir selbst produzieren“, betonte Stoller.

Es gelte, eine Liste der für Europa wichtigsten Medikamente zu erarbeiten und in der Folge die Sicherheit der Lieferketten hinsichtlich dieser Mittel zu gewährleisten. Eine entscheidende Rolle spielen dabei laut Stoller angemessene Preise, gerade auch für Generika. Schrieben Staaten wie Deutschland die Versorgung mit bestimmten Arzneimitteln aus, dürfe dabei ein möglichst niedriger Preis nicht das einzige Kriterium sein: „Auch die Liefersicherheit sowie Umweltkriterien müssen berücksichtigt werden.“

 

„Therapeutische Kontinuität“

 

Der Präsident des Österreichischen Generikaverbands, Wolfgang Andiel, verwies auf die seit Ende 2018 bestehende Task Force Versorgungssicherheit des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), die sich bisher auch während der COVID-19-Pandemie bewährt habe. Deren Vertriebseinschränkungsregister mit seinen strengen Vorgaben verpflichte die Pharmabranche, faktisch jedes nennenswerte Problem bei der Versorgung mit Arzneimitteln zu melden. Hinsichtlich der verschiedentlich gewünschten Arzneimittelläger für Krisenfälle empfahl Andiel, nicht die fertigen Medikamente selbst, sondern die Ausgangsstoffe für deren Erzeugung zu lagern.

 

Bestimmungen wie die Wirkstoffverordnung des österreichischen Gesundheitsministeriums sehe er kritisch, ergänzte Andiel auf eine diesbezügliche Frage des Generalsekretärs des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Alexander Herzog. „Ich möchte gerne glauben, dass die Politik mit der Wirkstoffverordnung Gutes tun will“, konstatierte Andiel. Und natürlich seien Produkte mit faktisch identischen Wirkstoffen grundsätzlich austauschbar. Doch gelte es, im Interesse der Patienten die „therapeutische Kontinuität“ zu beachten. Außerdem werde sich die Wirkstoffverordnung ökonomisch bemerkbar machen: Hochpreisigere Arzneimittel würden dem österreichischen Markt verloren gehen. Mit dem „Ausquetschen“ der ohnehin nur rund zwölf Prozent der Gesundheitsausgaben betragenden Arzneimittelkosten „zerstört man viel“.

 

Andiel zufolge verband das Gesundheitsministerium mit der Wirkstoffverordnung die Idee, die österreichischen Patienten vor Versorgungsengpässen zu schützen, nicht zuletzt durch das Verbot von Parallelexporten. Allerdings schränke dies den Handel ein, was sich unter Umständen nachteilig auswirken könne. Denn auch aus anderen Ländern erfolgten Parallelexporte, was „Parallelimporte“ nach Österreich ermögliche und damit die Versorgungssicherheit verbessere: „Das sollten wir nicht unterbinden.“

 

Dem stimmte auch Stoller zu. Ihm zufolge müssen die Patienten die benötigten Medikamente „in der richtigen Qualität zum richtigen Zeitpunkt bekommen“. Dafür müsse die Politik der Pharmaindustrie geeignete Rahmenbedingungen bieten. Es könne vorkommen, dass ein Hersteller eine Ausschreibung für die Versorgung eines Landes mit einem bestimmten Arzneimittel gewinne und in der Folge aufgrund höherer Gewalt nicht lieferfähig sei: „Das wäre dann natürlich eine Katastrophe, die wir vermeiden sollten.“