Krach um neues Arzneimittelpreisband 

Der Dachverband der Sozialversicherungsträger senkt die Höchstpreise für patentreie Medikamente um ein Drittel. Das könnte Versorgungsengpässe verschärfen, kritisiert die Industrie. 

 

Foto: Stefan Seyfert / herzundauge.com 
Generikaverbands-Präsident Wolfgang Andiel: „Das restriktive Preissystem für Medikamente hat längst seine Untergrenze erreicht.“

Heftige Kritik übt die Industrie am neuen Preisband des Dachverbands der Sozialversicherungsträger für patentfreie Arzneimittel. Dieses tritt im Oktober in Kraft. Ihm zufolge darf der Höchstpreis eines Medikaments, dessen Kosten der Dachverband erstattet, nur mehr maximal 20 Prozent über dem Preis des günstigsten wirkstoffgleichen Präparats liegen.  Zurzeit sind bis zu 30 Prozent zulässig. Anders gesagt: Die Obergrenze für die Arzneimittelpreise sinkt um ein Drittel. Laut Wolfgang Andiel, dem Präsidenten des Österreichischen Generikaverbands, hat in Österreich „das restriktive Preissystem für Medikamente längst seine Untergrenze erreicht. Werden die Preise jetzt noch weiter gedrückt, laufen weitere Medikamente wie Antipsychotika oder Antidepressiva Gefahr, vom Dachverband aus der Versorgung gestrichen zu werden“. Damit könnte es im kommenden Winter erneut zu Engpässen bei der Versorgung mit derartigen Mitteln kommen, warnt Andiel. Ihm zufolgen entfallen mehr als 90 Prozent der abgegebenen Medikamentenpackungen auf das patentfreie Segment. Davon wiederum seien rund 57 Generika. Über ein Viertel der Generika habe die Pharmaindustrie in den vergangenen zehn Jahren mangels Rentabillität vom europäischen Markt genommen. Und allein in Österreich würden pro Monat 20 Arzneimittel aus dem Erstattungskodex gestrichen.

 

Ein besonderes Problem sieht Andiel darin, dass im neuen Preisband der Höchstpreis anhand der „Schlüsselstärke“ festgelegt wird, also der am häufigsten verschriebenen Dosierung. Ist der Wirkstoff höher dosiert, darf dies keinen höheren Preis zur Folge haben. Damit aber könnten stärker dosierte Präparate unrentabel werden. Außerdem müssten die Patienten mehr Tabletten einnehmen. Sie würden also größere Mengen des Arzneimittels benötigen und hätten häufiger die Rezeptgebühren zu bezahlen. Hinzu kommt laut Andiel, „dass die festgestellten Schlüsselstärken im neuen Preisband teilweise nur wenig mit den tatsächlichen Dosierungen in den zugelassenen Anwendungsgebieten zu tun haben. Das Preisband ist in dieser Form aus unserer Sicht nicht sinnvoll anwendbar“. 

 

Geringe Einsparungen, hohe sonstige Kosten 

 

Ähnlich argumentiert die Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Ihr zufolge umfassen die Preisreduktionen etwa 1.500 Arzneimittel, darunter eine Reihe von Antibiotika, bei denen in der Hauptinfektionszeit im vergangenen Winterhalbjahr teils „dramatische Engpässe“ aufgetreten seien. Von der Pharmaindustrie werde deshalb verlangt, Vorräte an solchen Präparaten bereitzuhalten. Gleichzeitig senke der Dachverband die Kosten für die Medikamente. Den dadurch erzielten „vergleichsweise geringen Kosteneinsparungen“  stehen laut Hofinger erhebliche zusätzliche Ausgaben in anderen Bereichen gegenüber: „Fehlende Medikamente verursachen nicht nur Probleme bei der bestmöglichen Behandlung der Menschen, sondern auch volkswirtschaftlich relevante Kosten, die höher sind als die potenziellen Einsparungen. In diesem Sinne sind faire Preise für lebenswichtige Arzneimittel gut investiertes Geld.“