Lack- und Anstrichmittelindustrie: „Erste Anzeichen für Stabilisierung“

Im vergangenen Jahr stieg die Produktionsmenge gegenüber 2023 leicht, der Wert der abgesetzten Produkte blieb stabil. Für heuer ist die Branche vorsichtig optimistisch – trotz mancher Herausforderungen durch die „Regulierungsflut“ auf EU-Ebene.

 

Credit: Kansai Helios
Innovativ: Die österreichische Lack- und Anstrichmittelindustrie investiert rund zehn bis 15 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.

Die wirtschaftliche Entwicklung der österreichischen Lack- und Anstrichmittelindustrie sei 2024 eher „seitwärts“ verlaufen, berichtete Spartenobmann Hubert Culik bei der Jahrespressekonferenz der Branche. Insgesamt erzeugten die 26 Mitgliedsunternehmen der Berufsgruppe mit ihren etwa 2.700 Beschäftigten im vergangenen Jahr rund 133.000 Tonnen Lacke sowie Anstrichmittel, um etwa 2,7 Prozent mehr als 2023 (129.470 Tonnen). Der Wert der abgesetzten Erzeugnisse blieb den Angaben Culiks zufolge mit rund 503 Millionen Euro stabil. Der von 2022 auf 2023 erfolgte Rückgang um etwa 8,6 Prozent konnte damit „nicht aufgeholt werden“, bedauerte Culik: „Die Hoffnungen auf eine Stabilisierung der Märkte haben sich 2024 leider nicht erfüllt. Im Gegenteil: Viele Unternehmen mussten ihre ursprünglichen Jahresziele deutlich nach unten korrigieren.“

Schlecht liefen die Geschäfte vor allem im Bereich der Bautenfarben, was auf die schwache Konjunktur in der Baubranche zurückzuführen ist. Aber auch bei Industrielacken sowie Holz- und Möbellacken wirkte sich die insgesamt nicht überragende Wirtschaftslage aus. Die Nachfrage nach Möbeln blieb mau. Im Segment der Industrielacke brachte die „unsichere wirtschaftliche Gesamtlage“ Auftragsrückgänge mit sich. „Viele Unternehmen agieren derzeit äußerst vorsichtig und verschieben Investitionen in Maschinen oder Anlagen. Das betrifft auch unsere Produkte“, erläuterte Culik. „Verhalten“ war die Lage Culik zufolge im Automobilbereich. Manche Hersteller profitierten von „Nachholeffekten“, andere wiederum sahen sich mit teils erheblicher Zurückhaltung seitens der Kunden konfrontiert.

Für heuer ist die Lackindustrie laut Culik „vorsichtig optimistisch“. Im ersten Quartal stiegen die Umsätze um etwa zwei Prozent, nachdem in den drei Vorjahren „Rück- und Seitwärtsgänge“ verzeichnet wurden. „Wir sehen erste Anzeichen für eine Stabilisierung, vor allem im Exportgeschäft. Auch die Nachfrage im Inland zeigt sich in einzelnen Bereichen wieder etwas lebhafter“, stellte Culik fest.

 

Auslandsgeschäft als „Stabilisierungsfaktor“

 

Als „wichtiger Stabilisierungsfaktor“ erwies sich laut Culik das Auslandsgeschäft. Insgesamt erhöhten sich die Exporte um etwa sechs Prozent. Jene nach Deutschland stiegen wegen der dortigen „leichten Konjunkturerhöhung“ sogar um 20 Prozent an. „Das dürfte allerdings ein Einmaleffekt gewesen sein“, konstatierte der Geschäftsführer der Berufsgruppe Lackindustrie, Klaus Schaubmayr. Der höchste Anstieg war übrigens bei den Ausfuhren nach Belgien zu verzeichnen, die um 33 Prozent zunahmen. Weitgehend weggebrochen ist dagegen das Osteuropa-Geschäft. Russland und Weißrussland sind seit dem Krieg in der Ukraine als Märkte „ausgefallen“, berichtete Culik. Polen, die Slowakei und Ungarn schwächelten zumindest im vergangenen Jahr ebenfalls. Lediglich Bulgarien habe sich einigermaßen zufriedenstellend entwickelt. Insgesamt entfallen rund 80 Prozent der Ausfuhren an Lacken und Anstrichmitteln auf den EU-Raum. Die größten dortigen Märkte waren 2024 Deutschland mit einem Anteil von 39 Prozent und Belgien sowie Italien mit jeweils rund 10,0 Prozent, gefolgt von Polen mit neun und Tschechien mit acht Prozent.

Vom Chemiereport nach der Bedeutung des US-amerikanischen Marktes gefragt, berichtete Schaumayr, die Exporte nach Nordamerika insgesamt hätten im Jahr 2024 rund 30 Millionen Euro betragen: „Das ist gar nicht so wenig. Und der größte Teil davon dürfte wohl auf die USA entfallen sein.“

Nicht zu unterschätzen ist laut Culik, dass europäische Unternehmen wichtige Basischemikalien aus den Vereinigten Staaten beziehen. Angesichts der erratischen Zoll- und Handelspolitik Präsident Donald Trumps empfehle es sich, sich davon durch die Schaffung eigener Erzeugungskapazitäten in Europa so weit wie möglich unabhängig zu machen: „Solche Geschichten wie Trump kann es ja immer wieder geben.“ Und ähnlich, wie sich der US-Präsident heute verhalte, könne sich morgen die Führung einer anderen Wirtschaftsmacht wie China verhalten.

Rohstoffe für die Lackerzeugung in Europa zu herzustellen, lasse sich freilich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen, räumte Culik ein: „Das ist eine Sache der kleinen Schritte. Aber jedes Unternehmen sollte sich bemühen und schauen, was es tun kann. Die Optimierung der eigenen Produktion ist ja immer ein Thema.“

 

EU-„Regulierungsflut“

 

Als nicht immer hilfreich für die (Lack-)Industrie erweist sich allerdings die EU mit ihrer „Regulierungsflut“, bedauerten Culik und Schaubmayr. Der grundsätzlich begrüßenswerten Ankündigung, den „Green Deal“ in einen „Clean Industrial Deal“ umzugestalten, seien bis dato noch keine substanziellen Verbesserungen gefolgt. Und das vielzitierte „Omnibus-Paket“ zur Vereinfachung und Abschlankung sei bisher eher im Bürokratiedschungel stecken geblieben. „Wir begrüßen natürlich einzelne Entschärfungen, etwa beim Lieferkettengesetz. Aber den großen Wurf haben wir noch nicht gesehen“, bedauerte Schaubmayr. Offenbar müsse das, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vollmundig verkündet habe, erst bei den untergeordneten Ebenen der Kommission Gehör finden: „Bis jetzt diente das Omnibus-Paket eher dazu, die Behörden von ihren Prüfpflichten zu entlasten und weniger dazu, die Lage der Unternehmen zu verbessern.“ Und das könne wohl nicht der Sinn der Sache sein.

Als Beispiel für eine wohl eher wenig geglückte Bestimmung nannte Schaubmayr die Taxonomieverordnung. Auf den ersten Blick habe diese vergleichsweise harmlos ausgesehen: „Dann haben wir uns das genauer angeschaut. Grob gesprochen, zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim Lieferkettengesetz. Es heißt zwar, es seien nur die großen Unternehmen betroffen. In Wahrheit schlagen die Bestimmungen bis zu Kleinbetrieben durch.“ Culik berichtete, Kansai Helios in Österreich erhalte immer wieder Anfragen, ob ein Erzeugnis der Bauprodukteverordnung entspreche, „obwohl es im Bausektor gar nicht verwendet wird“. Die Taxonomieverordnung verunsichere offenbar die Kunden.

 

REACH macht Sorgen

 

Sorgen bereiten der Branche auch der Chemical Industry Action Plan, der demnächst veröffentlicht werden soll, und die Revision des Chemikalienmanagementsystems REACH. Zu REACH teilte Schaubmayr dem Chemiereport mit, die (Lack-)Industrie sehe sich außerstande, mit Konzepten wie dem „Generic Risk Approach“ (GRA) und dem „Multi Assessment Factor“ (MAF) zu arbeiten. Der GRA zielt auf die „inhärente Gefahr“ ab, die von Chemikalien ausgehen könnte. Der MAF wiederum rechnet die potenziellen Risiken aufgrund mehrerer Substanzen zusammen und führt so zu noch strengeren Einstufungen von Stoffen und noch niedrigeren Grenzwerten. Laut Schaubmayr ist das „einfach ein Irrweg. Sinnvoll ist einzig und allein der seit Jahrzehnten bewährte risikobasierte Ansatz“.

 

August: Klarheit bei Titandioxid

 

Zumindest in einer seit langem umstrittenen Frage wird es am 13. August Klarheit geben, berichtete Schaubmayr: jener der Verwendung des Weißpigments Titandioxid. Für diesen Tag ist die Entscheidung des Europäischen Gerichts in der Causa angekündigt. Das Plädoyer der zuständigen Generalanwältin vom Feber stimme die Branche zwar wenig optimistisch. Sie hatte sich sinngemäß für ein weitgehendes Verbot ausgesprochen. Ihr Argument: Das zwischenzeitlich aufgehobene, seinerzeit von der EU-Kommission verhängte Verbot basiere auf einer wissenschaftlichen Untersuchung. Und eine solche könne ein Gericht nicht überprüfen. Schaubmayr hielt dazu fest, das Europäische Gericht „muss dieser absurden Argumentation nicht folgen. Wir hoffen jedenfalls, dass es das nicht tun wird“.

Culik resümierte, die Unternehmen der Lack- und Anstrichmittelindustrie investierten „trotz der schwierigen Lage weiter in Forschung, Digitalisierung und umweltfreundliche Technologien. Um diese Anstrengungen aufrechtzuerhalten, brauchen wir dringend planbare Rahmenbedingungen, Rohstoffsicherheit und eine europäische Industriepolitik, die nicht bremst, sondern stärkt“.