Medikamente: Österreicher setzen auf heimische Produktion

Rund 65 Prozent der Bevölkerung haben mehr Vertrauen in Produkte aus dem Inland als auf Importwaren, zeigt eine IFES-Umfrage im Auftrag von Sandoz Austria. Die Pharmabranche plädiert daher einmal mehr für bessere Konditionen bei den Arzneimittelpreisen.

Foto: Sandoz GmbH/APA-Fotoservice/ Roland Rudolph
Wolfgang Andiel, Sandoz: Austrian Health Report 2022 als Beitrag zu „faktenorientierter“ Gesundheitspolitik

 

Rund 65 Prozent der Österreicher vertrauen auf hierzulande hergestellte Arzneimittel mehr als auf ausländische Präparate. Das zeigt der Austrian Health Report 2022, eine Studie des IFES im Auftrag des Pharmakonzerns Sandoz. Vorgestellt wurde diese am 5. Juli von Wolfgang Andiel, „Head External Affairs und Market Access“ bei Sandoz Austria, der Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), der Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker und IFES-Geschäftsführer Reinhard Raml. Befragt wurden im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte Juli 2022 insgesamt 1.005 Personen. Laut Raml halten rund 61Prozent davon die „stärkere Unabhängigkeit Österreichs in der Medikamentenproduktion“ für „sehr wichtig“, weitere 25 Prozent erachten diese als „wichtig“. Als „wichtig“ bzw. „sehr wichtig“ bezeichnen rund 83 Prozent der Befragten ferner die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei der Arzneimittelerzeugung sowie die Produktion von Generika in Österreich. Für die „klimaneutrale Herstellung von Medikamenten“ können sich 73 Prozent der Bevölkerung erwärmen.

 

Andiel erläuterte, Sandoz sei mit rund 5.000 Beschäftigten eines der größten Pharmaunternehmen in Österreich: „Daher haben wir die Pflicht, zu einer sicheren Versorgung mit Arzneimitteln beizutragen.“ Der Austrian Health Report soll künftig jährlich erscheinen und nicht zuletzt zu einer „faktenorientierten“ Gesundheitspolitik beitragen. Eines der wichtigsten diesbezüglichen Themen für die Pharmaindustrie sind bekanntlich die Arzneimittelkosten. Laut Andiel bestehen in Österreich umfangreiche diesbezügliche Regulierungen. Notwendig seien indessen „strukturelle Maßnahmen“, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Etwa zwei Drittel der Wirkstoffe für Medikamente würden nicht mehr in der EU erzeugt. Es sei dringend erforderlich, die heimische Produktion „preisseitig zu unterstützen“. Bei patentfreien Präparaten seien Preissteigerungen nicht möglich, wobei etliche Waren zu Preisen unterhalb der Rezeptgebühren abgegeben würden. Andiel forderte daher eine Anpassung der Preise an den Verbraucherpreisindex (VPI): „Wenn eine Monatstherapie gegen Diabetes weniger als zwei Euro Gewinn bringt, geht sich das wirtschaftlich einfach nicht aus.“ Bei der Anpassung an den VPI handle es sich „nicht um signifikante Beträge“. Dennoch seien diese zur Absicherung der Produktion hilfreich.

Zu den Diskussionen über die Zukunft des Standorts Kundl seines Unternehmens berichtete Andiel dem Chemiereport, dieser sei für die nächsten zehn Jahre jedenfalls abgesichert. Dazu habe sich die Sandoz bzw. deren Konzernmutter, der Schweizer Pharmakonzern Novartis, verpflichtet. Organisatorisch gebe es unterschiedliche Möglichkeiten, diese Verpflichtung zu erfüllen. Möglich sei unter anderem, die in Kundl erzeugten Waren zehn Jahre lang aufzukaufen.

 

FCIO-Geschäftsführerin Hofinger verwies auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Pharmaindustrie. Diese beschäftige etwa 18.000 Personen und repräsentiere rund 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und gerade im Zuge der COVID-19-Pandemie habe sich einmal mehr die Bedeutung der Branche gezeigt. Gerade in dieser Zeit offenbarten sich indessen auch manche organisatorischen Schwächen der Gesundheitspolitik der EU, ergänzte Hofinger: „Die EU-Kommission wollte vor zwei Jahren eine Liste der wichtigsten Wirkstoffe für Arzneimittel erstellen. Bis heute gibt es diese Liste nicht. Die USA hatten ihre Liste im August 2020 beisammen.“ Dringend erforderlich sei, den heimischen Pharmastandort zu stärken und abzusichern, etwa durch Maßnahmen im Steuersystem und durch Investitionsanreize. Die Erstattung der Arzneimittelkosten in ihrer derzeitigen Form dagegen bringe eine „Preisspirale nach unten“ mit sich, warnte Hofinger: „Die Unternehmen können kaum noch wettbewerbsfähig produzieren.“ Es habe wenig Sinn, Wirtschaftsförderungen zu vergeben und gleichzeitig die Arzneimittelpreise immer weiter zu verringern: „Hier müssten sich die Wirtschafts- und die Gesundheitspolitik besser abstimmen.“ Als weiteres großes Problem nannte Hofinger den bekannten Fachkräftemangel. Dieser hänge möglicherweise auch mit der in Österreich weit verbreiteten „Technikfeindlichkeit“ zusammen. Ihr gelte es „bereits im Kindergarten“ entgegenzuwirken.

 

Hofmarcher-Holzhacker plädierte für die Schaffung einer angemessenen „Dateninfrastruktur“ im Gesundheitswesen. In vielen Bereichen des E-Governments sei Österreich international beispielgebend. Im Gesundheitsbereich etwa gelte dies nicht zuletzt für die ELGA. Dennoch müsse die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden, insbesondere auch in den Arztpraxen. Eine verpflichtende Teilnahme an der ELGA sei indessen nicht anzustreben, konstatierte Hofmarcher-Holzhacker auf Anfrage des Chemiereports.