Medizin-Nobelpreis 2019: Zellen reagieren auf geringen Sauerstoffgehalt

Der Medizin-Nobelpreis 2019 geht an William Kaelin Jr., Peter Ratcliffe und Gregg Semenza. Die drei Forscher haben jene Mechanismen aufgeklärt, mit denen Zellen auf Änderungen im Sauerstoffgehalt ihrer Umgebung reagieren.

Bild: The Nobel Committee for Physiology or Medicine. Illustrator: Mattias Karlén
Erhöhte Sauerstoffmengen führen zu einer Hydroxylierung von HIF-1α, die erforderlich dafür ist, dass VHL daran binden kann. Erfolgt dies nicht, unterbleibt der Abbau, der HIF-Komplex wird gebildet und bewirkt die verstärkte Produktion von EPO.

Ist der Sauerstoffgehalt des arteriellen Bluts zu gering, spricht man von Hypoxie. Einer der Mechanismen, mit dem der Organismus darauf reagiert, ist die vermehrte Ausschüttung des Hormons Erythrpoetin (EPO), das die Produktion roter Blutkörperchen auslöst. Semenza und Ratcliffe fanden heraus, dass das für EPO codierende Gen in Abhängigkeit des Sauerstoffgehalts reguliert wird. Mitte der 1990er-Jahre fand Semenza darüber hinaus jenen Proteinkomplex (HIF), der durch Bindung an einen bestimmten DNA-Abschnitt die entscheidende Rolle in diesem Regulationsmechanismus spielt. Es zeigte sich, dass bei geringen Sauerstoffkonzentrationen eines der beiden Proteine (HIF-1α), aus denen der HIF-Komplex zusammengesetzt ist, nicht – wie unter gewöhnlichen Bedingungen üblich – von der dafür zuständigen molekularen Maschinerie abgebt wird.

Einen weiteren Baustein zum Verständnis konnte Kaelin beitragen: Bei der Erforschung bestimmter Krebserkrankungen mit hohem erblichem Risiko stieß er auf das Gen VHL, das den Ausbruch von Krebs verhindert. Zudem konnte er zeigen, dass in Zellen ohne VHL-Funktion Sauerstoff-regulierte Gene besonders stark exprimiert werden. Ratcliffes Gruppe klärte daraufhin auf, dass VHL direkt mit HIF-1α in Wechselwirkung tritt. Beiden Teams gelang es 2001 in zwei gleichzeitig publizierten Fachartikeln, diesen Mechanismus mit der Sauerstoff-Abhängigkeit in Beziehung zu bringen: Erhöhte Sauerstoffmengen führen zu einer Hydroxylierung von HIF-1α, die erforderlich dafür ist, dass VHL daran binden kann. Erfolgt dies nicht, unterbleibt der Abbau, der HIF-Komplex wird gebildet und bewirkt die verstärkte Produktion von EPO.