Flexibles Erbgut. Bedrohtes Erbgut?

Seit transgene Pflanzen zum Anbau zur Verfügung stehen, fragen sich Konsumenten, ob DNA durch horizontalen Gentransfer in das Erbgut von Bakterien und anderen Lebewesen gelangen kann. Eine Einschätzung. <% image name="Bakterienkulturen" %><p> <small> Horizontaler Gentransfer: Natürlich, aber extrem selten. </small> Horizontaler Gentransfer: Das meint das Übertragen der DNA von einem Organismus auf einen anderen. Und das hat Auswirkungen. Einschlägige Studien der Biosicherheitsforschung geben Empfehlungen für den Umgang mit der neuen Technologie an die Hand. <b>Selektionsdruck.</b> Horizontaler Gentransfer kann für den Menschen fatale Folgen haben. Die zunehmende Antibiotikaresistenz zeigt dies. Antibiotika-Resistenzgene sind auf bakteriellen Plasmiden lokalisiert und verbreiten sich zwangsläufig dann, wenn häufig Antibiotika verschrieben werden. Damit herrscht ein hoher Selektionsdruck auf die Bakterien, Resistenzen zu entwickeln. <% image name="Bakterien" %><p> <small> Die meisten Bodenbakterien lassen sich im Labor nicht kultivieren – hier führen gentechnische Methoden weiter. </small> Infektionen mit Bakterien, die Resistenzgene tragen, machen die Therapie unwirksam. Die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen ist bereits ein ernst zu nehmendes Problem in der Humanmedizin, aber auch in der Landwirtschaft – die Hauptursache liegt in einem seit vielen Jahren zu hohen und unreflektierten Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Bei der ersten Generation transgener Pflanzen wurden Antibiotika-Resistenzgene als Marker zum Nachweis für die erfolgreiche Transformation von erwünschten Fremdgenen in die Pflanze verwendet. Entsprechend waren die Bedenken groß, dass diese Resistenzgene von Bodenbakterien aufgenommen werden und in Folge in die Nahrungskette gelangen könnten. Theoretisch könnte dies beim Menschen zu einer Antibiotikaresistenz führen. <b>Pauschalurteile unmöglich.</b> Experten der European Food Safety Authority (EFSA) sprechen sich in einem Bericht über Antibiotika-Resistenzgene als Markergene daher dafür aus, über den Einsatz jeweils individuell zu entscheiden. Es kommt nämlich auch darauf an, welches Resistenzgen im Einzelfall verwendet wird. In den meisten GM-Pflanzen wird etwa das nptII-Markergen verwendet. Es macht resistent gegen das Antibiotikum Kanamycin, das in der Humanmedizin jedoch überhaupt nicht mehr verwendet wird. Es kann daher laut EFTA weiterhin ohne Einschränkung verwendet werden. <% image name="Phage" %><p> <small> Viren, die Bakterien befallen, heißen Bakteriophagen. Sie können DNA-Stücke aus einem Bakterium in ein anderes übertragen. </small> Trotzdem werden für die Entwicklung transgener Pflanzen Konsequenzen gezogen: „Der Trend geht sicher zur Markergen-Eliminierung oder der Nutzung alternativer Marker“, weiß Kornelia Smalla, Wissenschaftlerin am Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig. Viele Fragezeichen stehen hinter den Befürchtungen hinsichtlich Gefahren durch horizontalen Gentransfer. Wie wahrscheinlich ist das Szenario wirklich? Den eigentlichen Vorgang des horizontalen Gentransfers in natürlicher Umgebung zu untersuchen, ist schwierig. Denn Bodenbakterien lassen sich nur sehr schwer kultivieren. Vergleichende Genomstudien erlauben jedoch mittlerweile eine neue Bewertung seiner Bedeutung. <b>Natürlicher Vorgang.</b> Horizontaler Gentransfer ist eine natürliche Eigenschaft der DNA – sie ist keine Besonderheit von Transgenen. Der Vorgang ist ein Hauptfaktor in der bakteriellen Evolution und Anpassungsfähigkeit, kommt aber auch zwischen verschiedenen Arten vor und bedingt deren Diversität und Variabilität – auch die der Mikropopulationen in der Erde. Johann Peter Gogarten und seine Kollegen berichten in einem Beitrag über die Evolution von Mikroorganismen in Nature Reviews Microbiology (Nr.3, S. 679-686) im letzten Jahr, dass beispielsweise drei unterschiedlichen E. coli-Stämmen nur weniger als die Hälfte der Sequenz gemeinsam ist. Wofür steht der ausgedehnte, variable Bereich? Hier liegen Gene, welche die Anpassungsfähigkeit und Fitness der Bakterien fördern, etwa die Wirtsspezifität, die Pathogenität, aber auch ökologisch relevante Eigenschaften wie die Resistenz gegenüber Schwermetallen wie Quecksilber. <% image name="Ecoli" %><p> <small> Gentransfer zwischen Bakterien ist ein natürlicher Vorgang. Die Wahrscheinlichkeit für einen stabilen Gentransfer pflanzlicher DNA in Bodenbakterien ist extrem gering. </small> Vergleichende Sequenzanalysen haben ergeben, dass horizontaler Gentransfer auch zwischen unterschiedlichen Arten vorkommt. Es gibt Beispiele dafür, dass Pflanzengene in Bakterien gelangen, oder umgekehrt. Sogar zwischen Tieren können Gene übertragen werden. Wie gelingt es den Wissenschaftlern, genau diese Sequenzen im Genom zu identifizieren? Die Antwort liegt im Stammbaum: Die betreffenden Sequenzen weisen Unstimmigkeiten mit dem phylogenetischen Stammbaum auf. Sie sind den Genen ihrer Herkunftsorganismen ähnlich, und Profis erkennen auch, dass der Gehalt an den Basen Guanin und Cytosin nicht ins Bild passt. <b>Seltener Transfer.</b> Allerdings sind diese Ereignisse selbst in langen evolutionären Zeiträumen selten, wie Anton Hartmann vom GSF-Institut für Bodenökologie, Abteilung Rhizosphärenbiologie Neuherberg bei München, zu diesen Beobachtungen in einem Beitrag in mensch + umwelt spezial (17. Ausgabe 2004/2005) anmerkt. Warum so selten? Es müssen eben die Voraussetzungen stimmen. Erst einmal muss der Empfänger-Organismus „aufnahmefähig“ sein, die DNA muss also durch die Zellmembran „durchschlüpfen“ können. Weiters muss die fremde DNA in genügender Menge vorliegen und zudem ganz bestimmte Sequenzen aufweisen, die das Rekombinationsereignis ermöglichen. Und selbst wenn das alles passt, wird sich beispielsweise ein „neues“ Bakterium nur dann behaupten können, wenn es dann einen Selektionsvorteil gegenüber Stressfaktoren wie etwa Antibiotika oder Schwermetallen hat oder in anderer Art besser an die Umwelt angepasst ist als die im selben Lebensraum konkurrierenden Bakterien. So wundert es nicht, dass die Wahrscheinlichkeit für einen stabilen Gentransfer pflanzlicher DNA in Bodenbakterien extrem gering ist. Hartmann führt einige Beispiele an: Die nachgewiesene Übertragungsrate für das Ampicillin-Resistenzgen transgener Kartoffeln in das Bakterium Erwinia chrysanthemis liege mit 10 hoch-17 weit unter der natürlichen Mutationsrate. Mit 10 hoch-16 ähnlich niedrig sei die Übertragungsrate, wenn die Kartoffel ein Kanamycin-Resistenzgen trägt und in natürlicher Umgebung mit dem Bakterium Acinetobacter in Berührung komme. Ist allerdings das Streptomycin-Resistenzgen als Transgen in den Chloroplasten einer Tabakpflanze enthalten, so macht sich sofort der Dosis-Effekt bemerkbar: eine Konzentration von 10.000 Kopien des Transgens pro Zelle bewirkt, dass die Transformationsrate im Bakterium Acinetobacter bereits bei 10 hoch-8 liegt. Die Wahrscheinlichkeit für die Verbreitung von Genen aus transgenen Pflanzen über Bodenbakterien ist also sehr gering. Trotzdem ist die Biosicherheitsforscherin Smalla vorsichtig: „Natürlich können sich auch sehr seltene Ereignisse etablieren, wenn sie nur einen Selektions-/Fitness-Vorteil bewirken.“ <b>Gentransfer beim Essen?</b> Was aber geschieht mit der DNA, die wir täglich mit der Nahrung zu uns nehmen? Dazu wurden zahlreiche Studien durchgeführt. Dieselben Ergebnisse werden je nach Einstellung zu transgenen Nahrungsmitteln oft unterschiedlich interpretiert und machen von Zeit zu Zeit Schlagzeilen. Für eine seriöse Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die gewählten Bedingungen den realen Gegebenheiten entsprechen müssen. Fakt ist, dass sich DNA abbauende Enzyme bereits in der Mundhöhle finden und diese dort anknabbern (Flint et al, FSA Project Code FSG 01007, 2001), dass sie die DNA unter sauren Bedingungen, wie sie im Magen vorherrschen, zu einem beachtlichen Prozentsatz weiter abbauen und dass im Dünndarm nur noch einige wenige Prozent der Ausgangsmenge vorliegen, der dann im Dickdarm endgültig der Garaus gemacht wird (S. Martin-Orue et al, Nutrition 87, 533ff, 2002). Und wenn wider Erwarten trotzdem einige Moleküle mit transgenen Sequenzen dies alles unbeschadet überstehen würden? Dann gilt für einen horizontalen Gentransfer in Darmbakterien prinzipiell dasselbe wie für Bodenbakterien – vorteilhaft würde er sich dann auswirken, wenn ein Selektionsvorteil gegeben wäre. Die Epithelzellen übrigens, die den Darm auskleiden und theoretisch auch DNA aus Nahrungsmitteln aufnehmen könnten, haben eine Lebensdauer von zwei Tagen. Unter realen Bedingungen gibt es jedenfalls keine Evidenz für den Transfer eines Transgens in unserem Verdauungssystem. Flexibles Erbgut. Bedrohtes Erbgut?