Pharma Legislation bleibt umstritten
Die Branchenverbände halten wenig von dem Vorschlag, mit dem der Rat der EU in die Verhandlungen mit der Kommission und dem Parlament gehen will. Sie drängen auf Nachbesserungen.

Polens Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna war des (Eigen-)Lobes voll: Was sie im Zuge der polnischen EU-Ratspräsidentschaft in Sachen „Pharma Legislation“ ausgehandelt habe, sei „ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass alle Europäer frühzeitig und in gleichem Maße Zugang zu sicheren, erschwinglichen und wirksamen Medikamenten haben. Gleichzeitig stärkt es die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit unserer Pharmabranche und unterstützt regulatorische Bedingungen, die nötig sind, um klinische Studien sowie die Bedürfnisse des öffentlichen Gesundheitswesens voranzutreiben“. Leszczynas Resümee: „Wir schaffen ein gesünderes, widerstandsfähigeres Europa, das niemanden zurücklässt.“
Kritik der EFPIA
Weniger euphorisch beurteilte die Pharmaindustrie den vom Rat gebilligten Text, der nun unter der dänischen Ratspräsidentschaft im Trilog mit der Kommission und dem Parlament der EU finalisiert werden soll. Der europäische Branchenverband EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations) sprach von einer „verpassten Chance, um dem europäischen Life-Science-Sektor eine führende Rolle im globalen Wettbewerb zu verschaffen“. Statt des dringend erforderlichen sicheren und zukunftstauglichen Rechtsrahmens sei der Vorschlag der Polen eine Schwächung des Schutzes der Rechte an intellektuellem Eigentum. Dies mache den Standort Europa für die Pharmabranche weniger attraktiv, entmutige Investoren und behindere die Entwicklung innovativer Therapien, und das, ohne den Zugang der Patienten zu Medikamenten zu verbessern.
Pharmig hält Kriterien für schwer erreichbar
Ähnlich argumentierte der österreichische Pharmaverband Pharmig. Generalsekretär Alexander Herzog erläuterte, der Entwurf Polens beinhalte eine Beibehaltung des derzeit geltenden Datenschutzes von acht Jahren für neue, innovative Arzneimittel. Die zweijährige Marktexklusivität neuer Präparate werde auf ein Jahr verkürzt, könne aber unter bestimmten Voraussetzungen um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Das Problem ist laut Herzog: „Die definierten Kriterien zur Verlängerung der Marktexklusivität sind in der Praxis schwer bis gar nicht erreichbar. Der jetzige Kompromisstext des Rates stellt zwar im Vergleich zum Vorschlag der Europäischen Kommission eine Verbesserung dar, im Vergleich zum Status quo jedoch eine Verschlechterung.“
Konkret würden in dem Text der polnischen Ratspräsidentschaft drei Bedingungen vorgeschlagen: Erstens müsse im Zuge der klinischen Studien ein relevanter sowie evidenzbasierter Vergleich mit auf dem Markt befindlichen Präparaten erfolgen. Zweitens seien diese Studien in mehreren Mitgliedsstaaten der EU durchzuführen. Drittens habe das betreffende Unternehmen die Zulassung des Medikaments zuerst innerhalb der EU zu beantragen oder einen Antrag binnen längstens 90 Tagen zu stellen, nachdem ein solcher außerhalb der EU erging. Alternativ dazu könne die Verlängerung erfolgen, wenn ein Medikament einen bis dato ungedeckten medizinischen Bedarf befriedige. Herzog zufolge schwächen derlei Vorgaben den Standort Europa, „anstatt ihn zu stärken, wie es vor dem Hintergrund der massiv veränderten geopolitischen Situation dringend notwendig wäre“. Es sei daher dringend erforderlich, den Text im Zuge des Trilogs „nachzujustieren“.
FCIO warnt vor Standortschwächung
Unterstützung findet Herzog beim Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Laut einer Aussendung sieht dieser „nach wie vor die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie gefährdet. Die geplanten Einschränkungen beim Schutz des geistigen Eigentums für Pharmaunternehmen mit zusätzlichen bürokratischen Hürden würden Unternehmen daran hindern, neue Medikamente zu entwickeln und in Europa zu produzieren“.
Geschäftsführerin Sylvia Hofinger konstatierte, der Text des Rats sei zwar in einigen Punkten besser als der seinerzeitige Vorschlag der EU-Kommission, habe aber nach wie vor seine Tücken: „Wenn wir Forschung erschweren und Investitionen ausbremsen, schwächen wir den europäischen Standort. Das konterkariert auch die Ziele des Green Deal Industrial Plan, der eigentlich die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken soll.“ Jedenfalls werde die angestrebte und angekündigte Ausgewogenheit zwischen einem schnellen EU-weiten Zugang zu Arzneimitteln einerseits und dem nötigen Spielraum für Forschung andererseits mit den geplanten Mechanismen nicht erreicht.
Hofinger fügte hinzu, Innovation habe Europa seit je her stark gemacht, „wirtschaftlich, gesellschaftlich und medizinisch. Wenn Europa sich jetzt durch überzogene Regularien weiter schwächt, drohen langfristig Einbußen bei Wertschöpfung, Beschäftigung und Wohlstand“.