OMV: Krach um Rainer Seele

Die Hauptversammlung verweigerte dem ehemaligen Generaldirektor die Entlastung für seine Tätigkeit im Geschäftsjahr 2021. Einige der Vorwürfe gegen ihn dürften indessen wenig substanziell sein.

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Erweiterte Prüfung: Die OMV untersucht „bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen“ Rainer Seeles, darunter die Gaslieferverträge mit Russland.

 

Bereits im Vorfeld der heurigen OMV-Hauptversammlung hatten sich Unannehmlichkeiten für den Konzern im Allgemeinen und den vormaligen Generaldirektor Rainer Seele im Besonderen abgezeichnet. Seit Monaten trommelten unter anderem die Grünen, die jahrzehntelang bestens bewährte Partnerschaft mit dem russischen Gaskonzern Gazprom und dessen Vorgängerinstitution, dem sowjetischen Erdölministerium, sei ein schwerer Fehler gewesen und habe die Republik in eine angebliche „Abhängigkeit“ Österreichs vom „Russengas“ geführt. Ähnlich tönten sie wenige Tage vor der HV, als sie von einer „wirtschaftspolitische Katastrophe“ sprachen, die nicht zuletzt „der als besonders russlandaffin geltende frühere OMV-Chef, Rainer Seele“, zu verantworten habe. Ähnliche Äußerungen waren von anderen politischen Parteien zu vernehmen, darunter den Neos und der SPÖ. Der Interessenverband für Anleger (IVA) schließlich avisierte, bei der HV gegen die Entlastung Seeles zu stimmen.

 

Das Ergebnis der HV ist bekannt: Mit einer Mehrheit von 70 Prozent verweigerten die Aktionäre Seele die Entlastung „für die Dauer seiner Funktionsperiode im Geschäftsjahr 2021“. Schon seit Mai läuft laut Aufsichtsratschef Mark Garrett „eine erweiterte Prüfung, die sich mit der Einhaltung von Governanceregelungen durch den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden befasst. Im Fokus des Audits stehen bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen in der Funktionsperiode von Herrn Seele, darunter insbesondere der Sponsoringvertrag mit Zenit St. Petersburg (einem Fußballklub, dem ein Naheverhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellt wird, Anm.) und die Gaslieferverträge mit Gazprom Export“. Garrett ergänzte: „Der Vorstand und der Aufsichtsrat möchten allerdings ausdrücklich betonen, dass diese Entscheidung auf Basis des derzeitigen Informationsstands getroffen wurde, das Ergebnis laufender Untersuchungen selbstverständlich nicht vorwegnimmt und daher auch eine nochmalige Befassung der Hauptversammlung zu diesem Thema naturgemäß möglich bleibt.“

 

Mutmaßlich haltlos 

 

Schon im Zuge der HV stellte sich jedoch heraus, dass einige, darunter schwerwiegende, Vorwürfe gegen Seele mutmaßlich haltlos sind. Der stellvertretende Generaldirektor der OMV, Johann Pleininger, machte klar, dass die 2018 vorzeitig verlängerten Gaslieferverträge entgegen anderer Behauptungen sämtliche branchenüblichen Klauseln enthalten. Darunter ist eine Bestimmung, die das Unternehmen für den Fall von höherer Gewalt (Force Majeure) von der Pflicht befreit, Gas abzunehmen und zu bezahlen. Und: „Grundsätzlich kann ein Gasembargo in Form eines gesetzlichen Verbots Force Majeure auslösen.“ In diesem Fall wäre auch die vielkritisierte, aber ebenfalls branchenübliche, Pflicht, vereinbarungsgemäß geliefertes Gas auch bei Nichtabnahme zu bezahlen (Take or pay) hinfällig. Zur vorzeitigen Vertragsverlängerung verwies Pleininger auf die seinerzeitige Aussendung der OMV, in der es heißt: „Die OMV ist überzeugt, dass Europas Gasbedarf vor allem durch den sukzessiven Ersatz der Kohleverstromung durch hocheffiziente Gaskraftwerke steigen wird. Zugleich wird die europäische Eigenproduktion abnehmen, wie man zuletzt auch in den Niederlanden gesehen hat. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach Erdgas in Europa bis 2030 um mehr als 20 Prozent zunehmen.“ Darauf habe die OMV, wie viele andere Gasversorger, mit vorzeitigen Vertragsverlängerungen reagiert. Unsinn ist laut Garrett übrigens die Behauptung, Seele habe Privatjet-Flüge missbräuchlich getätigt. Ihm zufolge hatten die Flüge berufliche Gründe und waren somit gerechtfertigt.

 

Wie es nun weitergeht, ist offen. Nach Einschätzung von Juristen macht die verweigerte Entlastung es leichter, von Seele Schadenersatz zu fordern. Ob die OMV zu einer entsprechenden Entscheidung kommt, dürfte nicht zuletzt vom Ergebnis der „erweiterten Prüfung“ abhängen.