Pflanzenschutzmittelverordnung gilt ohne Wenn und Aber

Der Gerichtshof der Europäischen Union lässt die strafrechtliche Verfolgung französischer Umweltaktivisten wegen der Beschädigung von Glyphosat-Kanistern zu. Für die Pflanzenschutzmittelindustrie ist das aber kein Grund zum Jubeln.

Foto: BMNT/Alexander Haiden
Strenge Regeln: Laut dem Europäischen Gericht ist mit der Pflanzenschutzmittelverordnung nicht zu spaßen.

 

„Es gibt nichts, was die Gültigkeit der Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in Frage stellen könnte.“ Das stellt der Gerichtshof der Europäischen Union in einem Urteil fest, das am 1. Oktober veröffentlicht wurde. In der Rechtssache C-616/17 ging es um Folgendes: Mitglieder der „Faucheurs volontaires d'OGM ariégeois“ („Freiwillige Schnitter der Ariège gegen GVO“) werden beschuldigt, in mehreren Städten im südwestfranzöischen Département Ariège Kanister mit Glyphosat beschädigt zu haben. Das Strafgericht von Foix, der Hauptstadt des Départements, wollte vom Europäischen Gericht wissen, ob die Pflanzenschutzmittelverordnung der EUm möglicherweise dem Vorsorgeprinzip nicht entspricht und daher ungültig ist. In diesem Fall könnte den „Faucheurs volontaires“ kein Straftatbestand zur Last gelegt werden.

 

Wie das Europäische Gericht nun urteilte, ist die Ansicht des Strafgerichts jedoch falsch. Er hält fest, „dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Vorschriften zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln das Vorsorgeprinzip zu befolgen hat, um unter anderem ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen“. Weiters hat ein Unternehmen, das einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels stellt, sämtliche Stoffe offenzulegen, aus denen das Mittel besteht. Außerdem haben die am Zulassungsverfahren beteiligten Behörden den möglichen „Cocktaileffekt“ des Mittels zu untersuchen. Das heißt, sie müssen prüfen, wie die Bestandteile des Mittels zusammenwirken und welche Auswirkungen auf die Umwelt sich daraus ergeben können. Im Verfahren „haben die zuständigen Behörden insbesondere die zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten sowie die neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung zu berücksichtigen und den vom Antragsteller vorgelegten Studien nicht in allen Fällen ein überwiegendes Gewicht beizumessen“. Ferner hat die EU-Kommission das Recht, ein Pflanzenschutzmittel jederzeit neu zu prüfen, „unter anderem, wenn es aufgrund neuer wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse Anzeichen dafür gibt, dass der Stoff die Genehmigungskriterien nach der Pflanzenschutzmittelverordnung nicht mehr erfüllt“. Ausdrücklich betont der Gerichtshof, „dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen werden kann, wenn nachgewiesen ist, dass es keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat, wobei dieser Nachweis vom Antragsteller zu erbringen ist“.

 

Aus all diesen Erwägungen gelangt das Europäische Gericht zu dem Schluss, dass es nichts gibt, das für die Ungültigkeit der Verordnung spräche.

 

Für die „Faucheurs volontaires“ heißt das, dass sie offenbar strafrechtlich angeklagt werden können - was freilich keine automatische Verurteilung nach sich zieht. Für die Pflanzenschutzmittelindustrie wiederum ist das Urteil kein Grund zum Jubeln. Selbst eine allfällige Verurteilung der Aktivisten wöge wohl nicht so schwer wie die nun vorliegende eindeutige Feststellung des Europäischen Gerichts, dass es an der Pflanzenschutzmittelverordnung und deren strengen Vorgaben schlechterdings nichts zu rütteln und zu deuteln gibt.